Ökonomenstimmen zum überraschenden Anstieg des Ifo-Geschäftsklimas

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die deutsche Wirtschaft steuert laut einer Umfrage des Ifo-Instituts trotz des Kriegs in der Ukraine und Problemen mit den Lieferketten nicht auf eine Rezession zu. Im Mai hellte sich die Stimmung in den Unternehmen überraschend erneut auft. Das Ifo-Geschäftsklima stieg im Vergleich zum April um 1,1 Punkte auf 93,0 Zähler, wie das Ifo-Institut am Montag in München nach einer Umfrage unter rund 9000 Firmen mitteilte. "Anzeichen für eine Rezession sind derzeit nicht sichtbar", kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der Umfrage.

Einschätzung von Ökonomen zu den Ifo-Daten im Überblick:

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank

"Die überraschende Erholung des Ifo-Geschäftsklimas geht vor allem auf eine bessere aktuelle Geschäftslage im Dienstleistungssektor zurück, der von der Lockerung der Corona-Beschränkungen profitiert. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Industrie weiter unter der Null-Corona-Politik Chinas sowie unter kriegsbedingten Lieferproblemen leiden dürfte. Die Industrieproduktion dürfte in den kommenden Monaten tendenziell sinken. Für das zweite Quartal erwarten wir eine Stagnation des deutschen Bruttoinlandsprodukts."

Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank

"Endlich mal wieder ein Lichtblick in der lang andauernden Konjunkturverfinsterung. Je länger sich die deutsche Wirtschaft auf neue Sanktionen im Zuge des Kriegs einstellen kann, umso besser können die Herausforderungen bewältigt werden. Die Aufhellung der Erwartungen ist ein wichtiges Zeichen gegen die bereits an die Wand gemalten Rezessionsszenarien für Deutschland."

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt ING

"Die deutsche Wirtschaft wird definitiv nicht wie während des Lockdowns 2020 einbrechen. Angesichts der drohenden Stagflation und der längerfristigen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sowie struktureller Veränderungen in der Wirtschaft warnen wir jedoch vor zu viel Optimismus. Nur weil es nicht schlechter wird, heißt das nicht automatisch, dass es besser wird."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

"Die herumgereichten Prognosen für die deutsche Wirtschaft für das laufende Jahr sind immer noch zu hoch. Die Rezessionsgefahren sind unübersehbar. Zwar kann der Dienstleistungssektor gegenwärtig noch von Nachholeffekten profitieren, doch die gestiegenen Lebenshaltungskosten werden zu einer schwerwiegenden Bürde. Das verarbeitende Gewerbe steckt in der Mangelwirtschaft fest. Die Industrieproduktion bleibt eine Belastung für das Bruttoinlandsprodukt."

Claus Vistesen, Chefvolkswirt Eurozone bei Pantheon Macroeconomics

"Die Daten stützen unsere Erwartung, dass sich die Wirtschaftstätigkeit zwar jetzt wahrscheinlich erholt und hauptsächlich das BIP-Wachstum im zweiten Quartal unterstützt. Wir gehen aber dennoch davon aus, dass in der zweiten Jahreshälfte eine technische Rezession bevorsteht."

Ralf Umlauf, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)

"Besonders positiv zu werten ist die Tatsache, dass sowohl die Lageeinschätzungen als auch die Erwartungen zugelegt haben, letztere aber nur minimal. Die Zahlen werden die Erwartung einer Zinswende der EZB im dritten Quartal untermauern, zumal wegen der hohen Inflation gar keine Alternativen für die EZB bestehen."