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Abendessen auf RBB-Kosten: Staatsanwaltschaft interessiert sich für belastende Aussagen der Gäste von Patricia Schlesinger

Die als RBB-Intendantin zurückgetretene Patricia Schlesinger lud prominente Gäste zum Dinner bei sich zu Hause ein - die Rechnungen zahlte ihr Arbeitgeber. Jetzt sagen Gäste, sie seien von privaten Treffen ausgegangen. - Copyright: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen
Die als RBB-Intendantin zurückgetretene Patricia Schlesinger lud prominente Gäste zum Dinner bei sich zu Hause ein - die Rechnungen zahlte ihr Arbeitgeber. Jetzt sagen Gäste, sie seien von privaten Treffen ausgegangen. - Copyright: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Die Abendessen in ihrer Privatwohnung könnten Ex-ARD-Chefin Patricia Schlesinger teuer zu stehen kommen. Business Insider hatte Anfang Juli enthüllt, dass die damalige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RRB) regelmäßig Gäste in ihrer Privatwohnung bewirtete. Die Kosten trugen die Beitragszahler des öffentlich-rechtlichen Senders. Das geht aus Rechnungen des Caterers hervor. Dabei gab es früh Hinweise darauf, dass die Dinner bei Schlesinger einen eher privaten Charakter gehabt haben könnten. Gereicht wurden "kleine raffinierte Gabel- und Löffelhäppchen" und mehrgängig Menüs. Dazu Weine und Champagner.

Nun bringen mehrere ihrer prominenten Gäste die als RBB-Intendantin zurückgetretene Medienmanagerin öffentlich in Bedrängnis. Liefern die fragwürdigen Spesenrechnungen dem RBB einen Kündigungsgrund auf dem Servierteller? Für Schlesinger könnte es auch um mögliche Regressforderungen und ihre Altersversorgung als Senderchefin gehen, erklären mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen. Am 16. August will der Rundfunkrat in einer Sondersitzung über eine Vertragsauflösung beraten. Wie Business Insider erfuhr, blickt aber auch die Staatsanwaltschaft Berlin interessiert auf die brisanten Spesenvorgänge im RBB.

Schlesinger hatte vergangene Woche den Brandenburger Landtag wissen lassen, dass sie zwischen 2018 und 2022 „insgesamt neun Essen mit Multiplikatoren in meinen privaten Räumen zu geschäftlichen Zwecken veranstaltet“ habe. Ihre Gäste nannte sie nicht - doch die melden sich jetzt selbst zu Wort. Als eine mögliche Zeugin trat am Dienstag die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik in Erscheinung.

Berliner Polizeichefin berichtet von Treffen "rein privater Natur"

Sie war nach einem Bericht des Tagesspiegels am 12. Februar 2022 zur Einweihung von Schlesingers Wohnung am Berliner Schlachtensee eingeladen gewesen. Serviert wurde ein Vier-Gänge-Menü mit französischen Weinen sowie zwei Flaschen Champagner der Marke „Veuve Clicquot“. Gesamtkosten des Abends laut Bild 1154,87 Euro, umgerechnet 128 Euro pro Person. Slowik sagte dem RBB, für sie habe es „keinerlei Anhaltspunkte“ für ein Treffen mit beruflichem Hintergrund gegeben. Die Polizeichefin erklärte, sie sei „überrascht, irritiert und menschlich enttäuscht“ gewesen, als sie erfahren habe, dass das gemeinsame Essen von Schlesinger über die Rundfunkanstalt abgerechnet worden sein soll. Das Treffen sei für sie "rein privater Natur" gewesen. So zitiert der Tagesspiegel die hochrangige Beamtin. Aus Teilnehmerkreisen ließ sich die Zeitung diesen Eindruck bestätigen.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Heyo K. Kroemer, wähnte sich im Hause Schlesinger offenbar nicht bei einem Geschäftsessen. „Bei dem Termin handelte es sich, basierend auf Art und Inhalt der Einladung sowie dem Verlauf des Abends, um einen privaten Termin“, erklärte Kroemer auf Anfrage des "Tagesspiegel". Der "Focus" hakte außerdem bei Bettina Reitz nach, der Präsidentin der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Reitz verwies auf ihr „kollegial-freundschaftliches Verhältnis“ zu Schlesinger. „Aufgrund unserer ähnlichen beruflichen Ausrichtung und dem Ursprung unserer Freundschaft sind unsere Gespräche immer eine Mischung aus beruflichen wie privaten Themen“, sagte Reitz.

E-Mail deutet auf manipulierte Rechnungen hin

Zweifel gibt es nicht nur am dienstlichen Anlass der Dinner bei Schlesinger. Dokumente legen nahe, dass die beim RBB vorgelegten Rechnungen manipuliert worden sein könnten. Das zeigt in mindestens einem Fall eine E-Mail, über die Business Insider exklusiv berichtete. Im Vorfeld eines Essens am 19. Februar 2021 wandte sich Schlesingers persönliche Assistentin an einer Mitarbeiterin des Berliner Catering-Services, der das Menü für den Abend lieferte. Die Firma hatte ein Angebot für vier Personen vorgelegt. Die RBB-Angestellte wies den Lieferanten an, später nur eine Rechnung für drei Personen auszustellen.

Dabei befeuern die Details zu Schlesingers Abendessen auch die Debatte rund um eine mögliche Abfindung. „Angesichts der inzwischen durch Zeugenaussagen belegten Abrechnungen offenbar privater Essen über den RBB und unbestrittener Verstöße gegen elementare Compliance-Regeln sollte der Verwaltungsrat eine fristlose Kündigung von Frau Schlesinger ins Auge fassen“, sagte der Chef der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, Jan Redmann. Ein goldener Handschlag zulasten der Beitragszahler erscheine in dieser Situation nicht vermittelbar.

Spekulationen zu einer möglichen Abfindung kamen auf, weil Schlesinger in ihrem Rücktrittsschreiben an die RBB-Aufsichtsgremien auf Vertragsparagrafen pochte und ihren Anwalt ins Spiel brachte. Das Dienstverhältnis würde demnach Ende Februar 2023 enden, Schlesinger zeigte sich bereit, das zu verkürzen - wenn sichergestellt sei, dass es sich um einen „vertragsgemäßen Verzicht“ handele. Am Dienstag will der Rundfunkrat in einer Sondersitzung über die Vertragsauflösung beraten.

Staatsanwaltschaft nimmt auch Abendessen der Ex-RBB-Chefin in Ermittlungen auf

Unabhängig von einer möglichen Abfindung Schlesingers beschäftigen die Abendessen mittlerweile auch die Berliner Staatsanwaltschaft. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner auf Nachfrage. Seine Behörde ermittelt in dem Komplex um die Ex-RBB-Chefin wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsnahme. Das Verfahren konzentriert sich jedoch auf Vorwürfe der Vetternwirtschaft bei Vergabeverfahren. Wie Business Insider enthüllte, engagierte der RBB zwischen 2019 und 2022 Berater, die der Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf empfohlen hatte und mit denen er eine geschäftliche Beziehung pflegt. Auf der anderen Seite initiierte Wolf als Aufsichtsratschef der Messe Berlin eine Beauftragung des Ehemanns von Schlesinger als Mediencoach. Die Ermittlungen richten sich neben Schlesinger auch gegen ihren Ehemann, den früheren Spiegel-Journalisten Gerhard Spörl, und den im Zuge der Affäre zurückgetretenen RBB-Verwaltungsratschef Wolf.

mit Material der dpa