Vor Haushaltsdebatte Kritik an Einschnitten im Sozialbereich
Vor der Haushaltsberatung ab Dienstag im Bundestag gibt es Kritik an geplanten Einschnitten im Sozialbereich. Der Etatentwurf müsse im parlamentarischen Verfahren grundlegend verändert werden, verlangte der Sozialverband Arbeiterwohlfahrt (AWO). Grundsätzliche Bereitschaft zu Korrekturen signalisierten die Grünen und die SPD - anders als die FDP: Deren Fraktionschef Christian Dürr beharrte am Montag auf einem "Ausweitungsstopp für weitere Sozialleistungen".
Wenn die Haushaltspläne nicht geändert würden, werde es im Sozialstaat wortwörtlich "zappenduster", warnte AWO-Präsident Michael Groß. Konkret kritisiert die Arbeiterwohlfahrt Kürzungen bei Freiwilligendiensten, wodurch 35.000 Plätze dort gefährdet seien. Zudem stehe wegen der Einschnitte "jede dritte Migrationsberatungsstelle vor dem Aus".
"Auch bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, der psychosozialen Betreuung von Geflüchteten und der Demokratieförderung an Schulen bedrohen die Kürzungen zahlreiche Angebote und Einrichtungen", kritisierte der Sozialverband. Groß warnte davor, verschiedene gesellschaftliche Ziele gegeneinander auszuspielen.
Von einem "Kürzungshammer" sprach mit Blick auf den Etatentwurf Linken-Parteichef Martin Schirdewan. Er sagte in Berlin, die Ampel-Koalition lege durch ihre "grauenhafte Kürzungspolitik" die "Axt an sozialen Zusammenhalt und die Demokratie im Land". Der Linken-Parteichef forderte eine "Investitionswende" und eine Abkehr von der Schuldenbremse.
In die Krise hineinzusparen sei "in dieser Situation völlig falsch", sagte auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Lindners Haushaltsentwurf werde "die Schieflage im Land erhöhen" und gehe "zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger".
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann deutete mögliche Änderungen des Entwurfs an. In den Haushaltsberatungen im Parlament werde neben der ökologischen Modernisierung "auch das Soziale ganz zentral sein", sagte sie in Berlin. Es sei den Grünen "ein großes Anliegen, auch hier Akzente zu setzen als Koalition".
Auf die bevorstehenden parlamentarischen Beratungen verwies auch SPD-Chefin Saskia Esken. Es werde in den Verhandlungen darum gehen "Innovationsbereitschaft zu stärken", aber auch "was wir uns gesellschaftlich vorgenommen haben, weiter voranzubringen", sagte sie, ohne auf Details der Etatplanung einzugehen. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: Er sehe im Etatentwurf "nicht nur Spielräume, sondern auch Änderungsbedarf".
FDP-Fraktionschef Dürr bekräftigte, dass eine Ausweitung von Sozialleistungen mit seiner Partei nicht zu machen seien. "Höhere Sozialtransfers führen nicht zu weniger Armut", sagte er, sie seien deshalb "nicht das Gebot der Stunde". Vielmehr müsse sich die Finanzpolitik nun auf die Stärkung der Wirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit kobnzentrieren.
Aus Ländern und Kommunen kamen Forderungen nach einer "fairen Lastenverteilung" bei dem von der Regierung geplanten Wachstumschancengesetz. Dieses sieht steuerliche Entlastungen für die Wirtschaft von gut sieben Milliarden Euro jährlich vor, von denen der Bund aber nur den kleineren Teil übernehmen würde.
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) drohte deswegen in der "Welt" mit einem Nein im Bundesrat. Gegen Belastungen für die Kommunen wandte sich in der Mediengruppe Bayern der Deutsche Städtetag.
Der Etatentwurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht harte Einschnitte vor, um die Schuldenbremse trotz steigender Kosten in unterschiedlichen Bereichen einhalten zu können. Deutliche Kürzungen sind bei den staatlichen Zuschüssen für die gesetzlichen Sozialversicherungen vorgesehen. Auch dagegen gibt es Proteste von Seiten mehrerer Sozialverbände. Gewarnt wird vor steigenden Beiträgen und einer Verlagerung von Lasten in die Zukunft.
Die Haushaltsberatung im Bundestag beginnt am Dienstag mit der Einbringung des Entwurfs durch Lindner. Danach stehen bis Freitag die Einzelpläne der Ministerien zur Debatte. Am Mittwoch findet in Verbindung mit der Beratung des Etats des Kanzleramts die traditionelle Generaldebatte statt.
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