Kuleba wirft Deutschland in Frage der Taurus-Lieferung Zeitverschwendung vor
Bei einem Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Kiew hat ihr ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba Deutschland Zeitverschwendung in der Frage der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern vorgeworfen. "Ich verstehe nicht, warum wir Zeit verschwenden", beklagte Kuleba am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Die Außenministerin kündigte ihrerseits für das kommende Jahr eine Wiederaufbaukonferenz in Berlin an und sicherte der Ukraine Deutschlands fortgesetzte Unterstützung zu.
Die Ukraine hätte "bereits mehr erreichen können und mehr Leben von ukrainischen Soldaten und Zivilisten retten können, wenn wir Taurus bereits hätten", sagte Kuleba weiter. "Wir respektieren Ihre Debatten, wir respektieren Ihre Verfahren", fuhr er fort. Es gebe aber kein objektives Gegenargument. "Je schneller es geschieht, desto mehr wird es geschätzt. Es ist sehr einfach", fuhr Kuleba fort.
Die Ukraine drängt Deutschland seit längerem dazu, die Marschflugkörper mit großer Reichweite und Zerstörungskraft zu liefern. Großbritannien und Frankreich stellten der Ukraine bereits Marschflugkörper mit einer geringeren Reichweite als Taurus zur Verfügung.
"Uns ist die Situation mehr als bewusst", sagte Baerbock. Sie verwies jedoch auf offene Fragen: "Wie bei den anderen Lieferungen, die wir geleistet haben, müssen alle Fragen geklärt werden."
Die Außenministerin war am Morgen zu ihrem vierten Besuch in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar vergangenen Jahres eingetroffen. "Wir stehen an Eurer Seite, solange Ihr uns braucht an jedem einzelnen Tag, no matter how long it takes", sagte die Außenministerin. "Wir in Europa wissen: Ihr verteidigt hier auch unsere europäische Freiheit. Dafür sind wir den Ukrainerinnen und Ukrainern auf ewig dankbar."
Mit 22 Milliarden Euro sei Deutschland mittlerweile der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine weltweit, im kommenden Jahr werde in Berlin eine Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine stattfinden. Deutschland unterstütze die Ukraine zudem bei den Vorbereitungen für den Winter. "Wir stocken unsere humanitäre Soforthilfe noch einmal um 20 Millionen Euro auf", sagte die Ministerin. Damit belaufe sich die deutsche humanitäre Hilfe für die Ukraine allein in diesem Jahr bereits auf 380 Millionen Euro.
Baerbock traf in Kiew auch mit Familien zusammen, deren Kinder nach Russland verschleppt wurden. Die Schicksale der Kinder zeigten einmal mehr: Der russische Präsident Wladimir "Putin macht vor nichts Halt, er hat keinen moralischen Kompass", sagte die Außenministerin.
Baerbock sagte weiter, es werde "mit Hochdruck" daran gearbeitet, das europäische Energienetz enger mit der Ukraine zu verbinden und dabei die "grüne Transformation auf den Weg" zu bringen. Als ein Beispiel verwies sie auf Pläne für einen neuen Windpark im Sperrgebiet von Tschernobyl.
Zugleich würdigte die Ministerin die "enormen Reformanstrengungen" der Ukraine für ihr Ziel, Mitglied in der Europäischen Union zu werden. Ein "besonders dickes Brett" sei der Kampf gegen die Korruption - "auch hier ist bereits Einiges geschehen", sagte Baerbock.
Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall teilte derweil mit, er werde im Auftrag der Bundesregierung gebrauchte Marder-Panzer aus früheren Beständen der Bundeswehr instandsetzen. Die Auslieferung von insgesamt 40 Panzern solle noch in diesem Jahr anlaufen. Damit verdopple sich die Zahl der von Deutschland an die Ukraine gelieferten Marder-Panzer auf 80.
Der ukrainische Militärgeheimdienst gab bekannt, die ukrainischen Streitkräfte hätten eine Öl- und Gasbohrinsel im Schwarzen Meer zurückerobert, die seit 2015 unter russischer Kontrolle gestanden habe. Die Bohrinsel befindet sich etwa auf halbem Weg zwischen der von Russland annektierten Krim-Halbinsel und der südwestlichen ukrainischen Küstenregion Odessa.
oer/ju