Beauty-Weltweit: Kairos (an)mutige Ballerinas

Ägypten war bisher nicht als Mekka für das Tanzen im kurzen Tutu bekannt. Das Fotografie Projekt Ballerinas of Cairo ändert das gerade.

Im Tutu gegen das Patriarchat: Ägyptens Ballerinas kommen ganz groß raus
Im Tutu gegen das Patriarchat: Ägyptens Ballerinas kommen ganz groß raus

„Dance like nobody’s watching – tanze, als würde dir niemand dabei zusehen.“ Das sagte schon Mark Twain.

So schön kann Kairo sein
So schön kann Kairo sein

Überall auf der Welt träumen kleine Mädchen (und Jungen) vom Ballett-Tanzen. Sei es am Stadtrand von Düsseldorf oder in den Vororten Kairos – der Wunsch ist der gleiche: Einmal im Tutu vor großem Publikum Pirouetten drehen. Schön wie eine Königin. Tanzen, als würde niemand dabei zusehen – mit einem ganz feinen Unterschied: Alle sehen dabei zu.

Für ein paar mutige ägyptische Ballerinas geht dieser Traum gerade in Erfüllung. Mit ihrem Projekt „Ballerinas of Cairo“ haben die Fotografen Mohamed Taher und Ahmed Fathy eine Plattform geschaffen, auf der die Tänzerinnen ihr Können der ganzen Welt präsentieren.

Taher und Fathy fotografieren oft früh morgens oder spät abends. Dann ist das Licht besser – und der Verkehr
Taher und Fathy fotografieren oft früh morgens oder spät abends. Dann ist das Licht besser – und der Verkehr

Ursprünglich wollten die jungen Fotografen mit ihrem Projekt eine andere Seite der Metropole Kairo zeigen. Eine schöne, weniger hektische, weniger raue. In den frühen Morgenstunden, als die Sonne noch tief stand, fotografierten sie die talentierten Ballerinas an historischen Orten.

Doch auf einmal ging das Projekt viral. Jeder will die Ballerinas of Cairo sehen.

Frühling in Kairo
Frühling in Kairo

Selbst die arabische Vogue brachte bereits einen Artikel über die mutigen jungen Frauen, die den Zehenstand auf Kairos kaputtem Kopfsteinpflaster so perfekt beherrschen. „Kairos Frauen bekämpfen Belästigung mit Ballett“ heißt er.

In einem Artikel in der englischen Marie Claire steht: „In einer Stadt wie Kairo, wo sexuelle Übergriffe an der Tagesordnung sind und Terrorismus eine ständige Bedrohung, regt das Bild einer tanzenden Ballerina dazu an, gesellschaftliche Normen und Erwartungen zu überdenken.“ (Auf cairoscene.com gibt’s das ganze nochmal zum Nachlesen.)

Aufwärmübungen vor Kairos Skyline
Aufwärmübungen vor Kairos Skyline

Einem UN Bericht von 2013 zufolge, hat beinahe jede Frau in der ägyptischen Hauptstadt sexuelle Belästigung am eigenen Leib erfahren. Übergriffe auf offener Straße sind ein großes Problem. Das Ballerina Projekt gibt es auch in anderen Städten – New York, zum Beispiel – aber Kairo ist die erste, konservative Metropole im mittleren Osten, die sich an eine Adaption heranwagte. Mit Erfolg. Ballerinas of Cairo hat inzwischen mehr als 70,000 Facebook Fans. Tendenz: Steigend.

Die Ballerinas sind nicht nur schön anzusehen, sie brechen auch aus den strengen gesellschaftlichen Konstrukten des konservativen Kairos aus. Ballerinas of Cairo – das ist grazile Rebellion im Tutu. Mohamed Taher sagte zur Marie Claire: „Unser Projekt gibt den Frauen eine Stimme, denn durch das Tanzen erzählen sie Geschichten.“

Ägypten einmal ganz anders
Ägypten einmal ganz anders

Und was für welche! Geschichten von sehr viel Mut und dem Aufbegehren gegen eine patriarchalische Gesellschaft.

Vielleicht ist es genau der Widerspruch, der die Menschen bewegt. Der Mut der Tänzerinnen macht auch anderen jungen ägyptischen Frauen Mut. Taher und Fathy versehen ihre Facebook Posts mit kleinen Zitaten. Ein Beispiel: „Sie sind biegsam – aber sie lassen sich niemals brechen.“

Kairo bei Nacht
Kairo bei Nacht

„Was für tolle, starke Frauen! Ich unterstütze sie und ziehe meinen Hut vor ihnen“, kommentieren die Fans. Im Interview mit Yahoo Deutschland sagt Mohamed Taher: „Ich glaube, unsere Gesellschaft wird toleranter. Die Leute können langsam zulassen, dass sich hier jeder anziehen darf, wie er will.”

Wie reagieren die Passanten auf die Ballerinas? Viele wollen auf der Straße Bilder mit ihnen machen. Eines von Tahers Lieblingsbildern ist das, von Tänzerin Yasmine Shahir zwischen zwei älteren Frauen, beide verschleiert. Die beiden schauten bei der Performance zu, kamen dann näher und sagten: „Kind, du bist viel zu dünn. Du musst mehr essen.“ Mütterlich Fürsorge – aber kein Vorwurf, keine Wertung. Diese Bilder verbreiten Hoffnung – auch über Ägyptens Grenzen hinaus.

„Du bist viel zu dünn, Kind.“
„Du bist viel zu dünn, Kind.“

Und wenn die Tänzerinnen auf der Straße doch mal schräg angeguckt werden? Im Vogue Interview sagte Taher: „Sie scheren sich einfach nicht drum.“

„Tanze, als würde dir niemand dabei zusehen.“ Das haben diese mutigen Frauen bis in die Zehenspitzen perfektioniert. (ah)

Fotos: Ballerinas of Cairo/Mohamed Taher & Ahmed Fathy