Werbung

Bei der Fußball-WM gibt es ein großes Problem mit sexueller Belästigung

Mehrere Reporterinnen wurden bei Liveschaltungen sexuell belästigt. (Bild: Instagram/juliethgonzaleztheran)
Mehrere Reporterinnen wurden bei Liveschaltungen sexuell belästigt. (Bild: Instagram/juliethgonzaleztheran)

Die Vereinten Nationen verurteilen die sexuelle Belästigung von Frauen während der WM als „inakzeptabel“, nachdem mehrere Reporterinnen während Liveschaltungen vom Fußballturnier in Russland belästigt worden waren.

„Es ist inakzeptabel, dass manche brasilianische Fans Frauen während der WM gezielt sexuell belästigen, indem sie sie demütigen und täuschen und so die Menschenrechte von Frauen verletzen“, stand in der Erklärung des brasilianischen Frauenbüros der Vereinten Nationen vom Freitag. „Mit beleidigender Umgangssprache reduzieren sie Frauen zu sexuellen Objekten und verdeutlichen, welche Formen Frauenfeindlichkeit, die wiederum der Vergewaltigungskultur zugrunde liegt, annehmen kann und keine Grenzen kennt – sie ist präsent bei einer Veranstaltung, die die Integration von Menschen und das Zusammengehörigkeitsgefühl über Sport fördern soll. Das brasilianische Frauenbüro der Vereinten Nationen drückt allen russischen Frauen und Frauen aller Nationen sein Mitgefühl aus.“

Ein weiterer Fall von inakzeptablem Sexismus und Belästigung bei der WM, jetzt gegen eine Reporterin.

Als die „Sport TV“-Journalistin Julia Guimarães vom Spiel Senegal gegen Japan berichtete, versuchte ein Mann, sie auf die Wange zu küssen, aber sie konnte sich ducken. Dann wandte sie sich wütend an ihren Angreifer, während ihr Mikrofon ausgeschaltet wurde. „Es ist schwer in Worte zu fassen. … Zum Glück habe ich nie in Brasilien gelebt! Das ist schon zwei Mal passiert. Traurig! Beschämend!”, twitterte Guimarães auf Portugiesisch per Twitter-Übersetzung.

Vergangene Woche berichtete die kolumbianische Journalistin Julieth Gonzalez Theran von Moskaus „DW Espanol“ vor dem Spiel Russland gegen Saudi Arabien live über die Stadt Saransk, als ein Mann sich ihr näherte, ihre Brust packte und sie auf die Wange küsste.

Theran behielt die Fassung und machte mit ihrer Berichterstattung weiter. Aber auf Instagram schrieb sie später (frei übersetzt): „Respekt! Das haben wir nicht verdient… Wir sind genauso wertvoll und professionell. Ich teile die Freude für Fußball, aber wir müssen die Grenzen von Zuneigung und Belästigung festlegen.“

Sie sagte über „DW” auch: „Ich war zwei Stunden vor Ort, um mich auf die Sendung vorzubereiten und es gab keinerlei Zwischenfälle. Als wir live gingen, nutzte dieser Fan die Situation aus. Aber als ich danach nachsah, ob er noch da sei, war er weg.“

Theran fügte hinzu: „Für mich ist dies ein Einzelfall. Es gibt immer Fans, die einem Komplimente machen und sich respektvoll verhalten. Dieser ging zu weit. Wir müssen dieses Problem beheben.“

Laut eines Senders aus New Delhi entschuldigte sich der Fan bei Theran und sagte: „Ich habe unüberlegt gehandelt und nicht darüber nachgedacht, dass ich Sie verwirren und schockieren würde.“ Er sagte, er wollte sie bei den Schultern packen, „griff aber ein wenig daneben“. Die Webseite berichtete, dass Theran die Entschuldigung annahm.

Letzte Woche näherte sich ein Mann auch der schwedischen WM-Reporterin Malin Wahlberg und küsste sie. Ein anderer legte seinen Arm um ihre Schultern und zerzauste ihre Haare.

Twitter-User reagierten auf die Flut von Fällen mit einer Mischung aus Empörung und Zurückweisung. Die BBC berichtete, dass einige Leute die Reaktion auf Therans Fall „feministische Hysterie“ nannten und nahelegten, dass der Übergriff ein „Kompliment“ sei.

„Das ist kein Kuss, dies ist ein Übergriff ohne Zustimmung.“

#WATCH: diese Journalistin wurde während ihrer Live-Berichterstattung von einem Mann begrapscht und geküsst.

Vorfälle wie diese sind:

-NICHT süß
-NICHT witzig
-NICHT akzeptabel

Es ist bereits ein schwieriger Job. Wir brauchen keine Idioten, die versuchen, ihn noch schwieriger zu machen.

Warum jemand denken würde, dass ein Kuss ohne Zustimmung eine gute/witzige Idee ist, ist mir unverständlich.

Gut, dass du ihn zurechtgewiesen hast, Júlia Guimarães.

Die Fußballindustrie kämpft schon immer mit Sexismus und Diskriminierung. US-amerikanische Fußballerinnen verdienen 40 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen und die FIFA, die Dachorganisation des Sports, zeichnet ihre Gewinnerinnen mit weit weniger Geld aus. 2015 gewann das Frauenteam laut CNN 1,7 Mio. Euro im Verglcih zu 30 Mio Euro für die Männermannschaft im Jahr zuvor.

Und die Ungleichheit bezieht sich nicht nur auf die Spielerinnen und Teilnehmerinnen, sondern auch darauf, wie Zuschauerinnen behandelt werden. Letzte Woche veröffentliche Burger King eine Entschuldigung, nachdem sie russischen Frauen lebenslang kostenlose Whopper versprochen hatten, wenn sie von Spielern schwanger würden.

„Dies ist nicht neu – es gibt eine lange Geschichte von Sportreporterinnen, die Widerstand erleben, egal ob es darum geht, die männliche Umkleide zu betreten oder ob sie in ihrem Job als inkompetent angesehen werden. „Kristen Dieffenbach, Vorstandsmitglied der Association for Applied Sport Psychology erklärt Yahoo Lifestyle: „Anders als Football oder die Little League war Fußball einer der ersten Sportarten in den USA, die es Frauen ermöglichte, auf gleicher Ebene zu spielen, aber weltweit dominieren aufgrund unterschiedlicher Kulturen und Weltansichten noch immer Macho-Ansichten.“

Immerhin verkündete Saudi Arabien 2017, dass Frauen erstmals Fußballspiele gemeinsam mit Männern im Stadion verfolgen dürfen und im Mai verkündete das neuseeländische nationale Fußballprogramm die gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Und wie Theran „DW“ erklärte: „Viele Leute glauben, dass die Reporter nur da sind, um für etwas Abwechslung zu sorgen. Aber wir wollen über Systeme und Strategien sprechen.“

Sexuelle Belästigung von Reporterinnen könnte heruntergespielt werden, weil sie vor dem Hintergrund ausgelassener Stimmung oft als Umkleide-Frotzeleien oder mit einer „Jungs sind nun mal Jungs“-Mentalität abgetan wird, sagt Dieffenbach. „Natürlich ist es irrelevant, wo die sexuelle Belästigung passiert. Das ist nie ,nur ein Spaß’“.

Elise Solé