Bloggen – eine Art digitale Pubertät

Ich weiß noch, dass ich meinen Blog aus Jux und Tollerei angefangen habe und ich weiß auch, dass es den meisten so geht. Wenn man früh genug dabei war, dann wusste man noch nicht, wo die Reise damit hingehen kann. Dass man irgendwann damit Geld verdienen kann und vor allem: wie viel!
Dass es etwas bringt, wenn man seine Gedanken festhält oder das, was man sich gerade vom letzten Taschengeld gegönnt hat.


Wenn man heute keinen eigenen Blog hat, dann ist das in der Medienbranche ungefähr so, als ob man beim Jobinterview sagen würde, dass zu den eigenen Interessen Kinder essen gehört. Wenn man jemand sein will, muss man erst einmal beweisen, dass man es auch wert ist. Und wie wird der Wert der Menschen momentan, immer mehr, gemessen? Anhand der Followerzahlen in den sozialen Netzwerken. Du bist Make Up Artist? Super, wie viele Follower hast du? Du bist Koch, toll, wie viele Leute liken deine Bilder? Und überhaupt, kannst du überhaupt was, zeig doch mal her, wie heißt du bei Instagram.

Und da ich so oft über die Nachteile dieses Verhaltens und der generellen Branche rede, ist es heute mal an der Zeit, über das Gute zu reden: Dein Blog ist wie die Kugelschreiberstriche am Türrahmen deiner Eltern. Wie deine verschlossenen Tagebücher unter deinem Bett, überzogen mit einer dünnen Schicht aus Staub und Geheimnis. Alles, was du warst und was du bist, hast du in diesen Blog geschrieben und das, auch wenn du vielleicht nur über eine neue Frisur geredet hast. Die Art, dich auszudrücken, wie du früher ausgesehen hast, Farben, von denen du dachtest, sie stünden dir.

Du hast dich verändert und das ist schön. Das muss so sein. Und du hast deine eigene Zeitreise gebaut.

Ich wollte damals, nachdem ich meinen Blog gerelaunched habe, alles ändern und alle Bilder rauswerfen. All die verpixelten, schlechten, unerfahrenen Bilder, als ich noch nicht wusste, was meine Schokoladenseite war und dass Schokolade kein Grundnahrungsmittel ist. Aber mir wurde von mehreren davon abgeraten: “Die Leser lieben all die alten Sachen” - und ja, es stimmt. Eine Reise live zu verfolgen, zurückzulesen, nach vorne, all das ist interessant, vor allem für einen selbst.

Man kann seinen Blog auch privat stellen. Sodass ihn nur Menschen mit Passwort schützen können. Aber du kannst es lesen, immer wieder. Wenn du Liebeskummer hattest kannst du dich daran erinnern, was du alles schon überlebt hast. Wieso du ihn auf keinen Fall zurückwollen solltest. Wenn du dir einen Pony schneiden lassen willst, weil Rihanna auch gerade einen hat, kannst du dir alte Bilder davon angucken und dir wird wieder klar, wieso du dir damals kurz danach geschworen hast, es nie wieder zu tun - weil du dann eben nicht so aussiehst wie Rihanna, sondern wie ein Mops mit Pony.

Eines ist aber sicher: Du hast etwas, was du vorzeigen kannst. Nicht unbedingt, um zu beweisen, dass du viele Follower hast, sondern dass du kontinuierlich an etwas arbeitest, was dir gehört und du dir selbst aufgebaut hast. Dass du über die Jahre besser geworden bist und von den Dingen etwas verstehst. Das ist wichtig.

Bloggen ist nicht nur Bashing und Druck und Leistung. Bloggen ist irgendwie du, deine Geschichte, dein eigener Roman. Und du kannst entscheiden, ob er in den Druck geht, oder weiterhin unter deinem Bett liegt, mit ein wenig Staub und viel, viel Geheimnis.