Box-Hammer: Es droht der Super-GAU

Box-Hammer: Es droht der Super-GAU
Box-Hammer: Es droht der Super-GAU

Muhammad Ali holte 1960 Gold in Rom, auch Joe Frazier, George Foreman, Henry Maske und Wladimir Klitschko legten mit Olympiasiegen den Grundstein für ihre großen Karrieren.

Wird den Erben dieser Legenden diese Chance nun verwehrt? Das Boxen ist in Aufruhr wegen einer brisanten Posse, die der Sportart den K.o. als olympische Sportart zu verpassen droht.

Im Zentrum des Dramas: ein mächtiger russischer Funktionär, der auf fragwürdige Weise sportliche und politische Interessen vermischt - auch und gerade vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs.

Beim außerordentlichen Kongress des Weltverbandes IBA in Armenien kam es nun zu einer folgenschweren Zuspitzung.

Boxen vor Olympia-Aus? IOC „extrem besorgt“

Eigentlich hatte sich der russische IBA-Präsident Umar Kremlew bei diesem Kongress einer Abstimmung stellen wollen, der Niederländer Boris van der Vorst hatte Kremlew herausfordern wollen.

Das Problem: Es kam zu keiner Wahl. Die IBA ließ über Neuwahlen abstimmen, fast 75 Prozent der Delegierten votierten dagegen.

Was die Lage zusätzlich verschärft: Kurz vor dem IBA-Kongress suspendierte der Weltverband den nationalen Verband der Ukraine, wegen angeblicher „Einmischung der Regierung“ - der Eindruck, dass der Heimatverband der Klitschkos und Schwergewichts-Weltmeister Oleksandr Usyk zum politischen Spielball russischer Strippenzieher geworden ist, drängt sich auf. (Vitali und Wladimir Klitschko: Wie der Ukraine-Krieg ihr Märchen verfinsterte)

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) zeigte sich am Sonntag „extrem besorgt“ über die Entwicklung. Die vom deutschen Präsidenten Thomas Bach geführte Organisation kündigte über das Portal insidethegames eine „volle Überprüfung“ der Situation an.

Umar Kremlew trieb IBA in Abhängigkeit von Russland

Der Box-Weltverband steht nicht erst seit kurzem wegen fragwürdiger Machenschaften unter Beobachtung: Die IBA (früher AIBA) ist seit 2019 vom IOC suspendiert, seinerzeit musste der von massiven Korruptions-Vorwürfen belastete Verbandschef Gafur Rachimow unter Druck gehen.

Dem seit 2020 amtierenden Kremlew wurden gute Beziehungen zu Rachimow nachgesagt. Als IBA-Chef gab sich der frühere Box-Promoter dennoch als Reformer, zum Beispiel, indem er Richard McLaren - profiliert als Aufklärer in der russischen Staatsdoping-Affäre - als Ermittler im Schiedsrichter-Skandal um die Spiele in Rio 2016 ins Boot holte.

Kremlew behob mit Hilfe von Hauptsponsor Gazprom auch die wirtschaftliche Not des Verbands - zum Preis völliger Abhängigkeit vom russischen Staatskonzern, die nun umso mehr in den Blick gerät. Wie jeder, der im autoritären Russland etwas werden will, ist jedenfalls auch Kremlew von Staatspräsident Wladimir Putin abhängig. Erst in diesem Monat gab es ein öffentliches Treffen der beiden bei der Eröffnung eines Kampfsport-Zentrums in Moskau.

Die politisch-wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Russland und dem Box-Weltverband ähneln denen in der ebenfalls aktuell schwer erschütterten Schach-Förderation FIDE.

Deutscher Verbands-Chef in Sorge

Die Sorgen, bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles endgültig aus dem Programm gestrichen zu werden, sind nun „schon groß“, sagt Erich Dreke, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV), der Nachrichtenagentur SID.

Dreke kritisierte die „chaotische Geschichte“, die „nicht im Sinne einer demokratischen Wahl“ abgelaufen sei. Über Kremlew sagt Dreke: „Wir wissen nicht, wie er sich jetzt verhält und welche Ziele er überhaupt verfolgt. Man kann ihn zurzeit nicht einschätzen.“

Auch international ist die Aufregung groß: Drekes schwedischer Kollege Per-Axel Sjöholm spricht von einem „kompletten Desaster“, der Neuseeländer Steve Hartley von „olympischem Selbstmord“.

Olympia ohne Boxen - kommt es wirklich so weit?

Ob es wirklich zu dieser Eskalation kommt, muss sich zeigen, gerade auch mit Blick auf die wechselhaft-widersprüchliche Geschichte im Umgang des IOC mit autokratischen Verbands-Umtrieben, nicht zuletzt auch mit Putins Russland.

Was der deutsche Verbandsboss Dreke auch noch im Blick hat: „Ich weiß, dass die USA das IOC dazu drängen, Boxen auf alle Fälle weiterhin im olympischen Programm zu belassen.“

Los Angeles ist 2028 Gastgeber der Spiele - und Boxen eine Attraktion, auf die man dort ungern verzichten würde.

------

Mit Sportinformationsdienst (SID)