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Chipkrise erreicht Luxusklasse: Warum Rolls-Royce seine ausgeklügelten "Selbstmördertüren" technisch abspecken muss

Nach hinten öffnende Tür an Rolls-Royce-Luxuslimousine Phantom. Copyright: Rolls-Royce
Nach hinten öffnende Tür an Rolls-Royce-Luxuslimousine Phantom. Copyright: Rolls-Royce

Die britische Luxusmarke Rolls-Royce muss wegen des anhaltenden Mangels an Spezial-Chips einige unter wohlhabenden Interessenten besonders geschätzte Funktionen ihrer Prunkkarossen einstweilen stilllegen. Man bedaure, heißt es in englischsprachigen Briefen an die Käufer, „Ihnen mitteilen zu müssen, dass aufgrund eines Problems mit der Halbleiter-Versorgung unser Komfort-Einstiegssystem bei allen Modellen vorübergehend deaktiviert wurde“. Das Kundenschreiben von Rolls-Royce Motor Cars liegt Business Insider vor.

Die Vorzüge seines „Comfort Entry System“ erklärt der Hersteller am Beispiel des 632 PS starken und über 300.000 Euro teuren Nobelcoupés Rolls-Royce Wraith auf seiner Homepage so: Es biete „Komfort auf Knopfdruck, da Sie Ihr Fahrzeug einfach durch Berühren des Türgriffs ver- und entriegeln können. Der Schlüssel speichert auch individuelle Präferenzen wie Sitzeinstellungen, Lenkradposition und Head-Up-Display-Einstellungen.“

Zum Einsatz kommt die Technologie auch an jenen panzerschrankdicken Rolls-Royce-Portalen, die den makabren Spitznamen „Selbstmördertüren“ tragen: Ihre Scharniere sind anders als beim Gros „normaler“ Autos hinten angeschlagen. Diese Besonderheit soll allen Passagieren den Einstieg erleichtern, steigert die von betuchten Besitzern oft gewünschte Aufmerksamkeit unter Passanten – und führt in der Theorie dazu, dass lebensmüde Automobilisten auch bei hohem Tempo mit entsprechend starkem Fahrtwind die Seitentür öffnen und sich aus dem Fahrzeug stürzen können.

„Es ist wichtig zu betonen, dass dies kein sicherheitsrelevantes Problem ist und völlig außerhalb der Kontrolle Ihres Rolls-Royce-Handelsbetriebs liegt“, lässt der seit 2000 zu BMW gehörende Autobauer per Brief etwa den Eigner eines fabrikneuen Cullinan wissen. Bei diesem schweren SUV sind die Fond-Türen hinten angeschlagen, die vorderen Türen öffnen „normal“.

Um keine „unnötigen Verzögerungen bei der Auslieferung zu verursachen“, so die Mitteilung weiter, sei es erforderlich, die Funktionalitäten des Comfort Entry Systems abzuschalten, bis den Händlern eine technische Lösung zur Verfügung gestellt werden kann. Dies solle „spätestens Ende Juni 2022“ erfolgen. Die Partnerbetriebe von Rolls-Royce würden dann von sich aus mit der Kundschaft in Kontakt treten, um das Komfort-Einstiegssystem vollumfänglich in Betrieb zu nehmen.

Auf Anfrage bestätigte Rolls-Royce die Schwierigkeiten, lehnte eine weitergehende Kommentierung aber ab.

Malaise für das Münchner Mutterhaus

Auch für BMW, den deutschen Mutterkonzern des urenglischen Edellabels Rolls-Royce, ist die vorübergehende Stilllegung kein Ruhmesblatt. Zum einen gingen viele Branchenbeobachter bisher davon aus, dass der Konzern mit Hauptsitz in München aufgrund seiner vorausschauenden Beschaffung vergleichsweise glimpflich durch die weltweite Semiconductor-Krise kommt. Dass das so ist und bleibt, darf nun bezweifelt werden.

Zum anderen versorgen Mehrmarken-Multis wie Mercedes-Benz und VW gerade ihre gewinnträchtigen Töchter bevorzugt mit den allgemein knappen Elektronikbauteilen: „Bei den Chips hilft uns, dass wir Teil eines großen Konzerns sind – und eine kleine Marke, mit geringem Volumen, aber hohen Margen pro Fahrzeug“, sagte Lamborghini-Chef Stephan Ernst Winkelmann jüngst im Interview mit Business Insider. „VW hat uns mit Vorrang behandelt. Insofern hatten und haben wir kaum Probleme bei der Versorgung mit Halbleiterbauteilen.“

Kein Wunder also, dass sich Amanda Gunning-Sabini, Head of Client Relations bei Rolls-Royce Motor Cars Limited, in ihrem Schreiben an die betroffenen Kunden ziemlich zerknirscht gibt: „Wir bedauern sehr, dass diese Maßnahme notwendig ist, und versichern Ihnen, dass wir unermüdlich daran arbeiten, etwaige Unannehmlichkeiten für Sie auf ein absolutes Minimum zu beschränken.“