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Das Problem mit dem 50 Shades-Abklatsch "365 Days" auf Netflix

Wie sehr erotische Stoffe dazu geeignet sein können, ein breites Publikum zu erreichen, hat zuletzt der Erfolg der ”Fifty Shades of Grey“-Reihe in Buch- und Kinofilmform gezeigt. Jetzt hat es in wenigen Tagen nach der Veröffentlichung ein Erotik-Drama auf Platz zwei der Charts des Streamingdienstes Netflix geschafft. Der Plot von ”365 Days“ ist aber durchaus fragwürdig.

Bei Netflix gibt es den Erotik-Film “365 Days“, der kontrovers diskutiert wird. (Bild: Getty Images)
Bei Netflix gibt es den Erotik-Film “365 Days“, der kontrovers diskutiert wird. (Bild: Getty Images)

Die Handlung des Erotik-Dramas ”365 Days“ basiert auf der Romanvorlage ”365 dni“ der polnischen Autorin Blanka Lipińska, die die Dreharbeiten selbst begleitet hat und auch in einer kleinen Rolle in der Verfilmung auftaucht. Veröffentlicht am 7. Juni hat es der Film in kurzer Zeit auf Platz zwei in den Charts der Streamingplattform Netflix gebracht. Dass der Film auch Kritiker auf den Plan ruft, liegt aber weniger an den Sexszenen an sich, sondern vielmehr an den Umständen, unter denen diese stattfinden.

Entführung statt erstem Date

In ”365 Days“ geht es um den Mafioso Massimo (Michele Morrone), der just in dem Moment, als er gerade eine schöne Frau beobachtet, miterleben muss, wie sein Vater von verfeindeten Gangstern umgebracht wird. Jahre später sieht Massimo die Frau, die für ihn mit dem Trauma verbunden ist, wieder. Immer noch zutiefst von Laura (Anna-Maria Sieklucka) fasziniert, flirtet er sie aber nicht etwa an, sondern entführt sie kurzerhand, pumpt sie mit Beruhigungsmitteln voll und verschleppt sie in seine Villa.

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Irgendwann verliebt sich Laura – wirklich?

Die Entführung endet in einer Art schrägem Deal: Ihres Handys beraubt und völlig isoliert von ihren Freunden und ihrer Familie soll Laura während der kommenden 365 Tage versuchen, sich in ihren Entführer zu verlieben. Der wiederum verspricht ihr, sich ihr körperlich nur zu nähern, wenn sie es will. Natürlich erreicht Massimo sein Ziel: Relativ schnell gibt sich ihm Laura nicht nur oft und scheinbar freudig hin, sondern verliebt sich auch in ihn und will den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen. Herum kriegt er sie unter anderem, indem er ausgiebig mit ihr shoppen geht.

Der Plot von "365 Days" stößt auch auf Kritik. (Bild: Netflix)
Der Plot von "365 Days" stößt auch auf Kritik. (Bild: Netflix)

Keine Liebe, sondern ein psychologischer Notmechanismus?

Einen besonderen Tiefsinn erwarten ja die wenigsten Zuschauer von erotischen Filmen. Aber die Grundvoraussetzung für den vielen Sex zwischen den beiden überaus attraktiven Hauptfiguren finden viele Zuschauer dann doch reichlich daneben. Im Gegensatz zu ”Fifty Shades of Grey“ sind Unterwerfung und Dominanz hier nicht vor allem lustvolles Spiel. Obwohl der Sex zwischen Massimo und Laura als einvernehmlich dargestellt wird, befindet sich die gekidnappte Laura doch in der Gewalt des Mafioso. Und die Gefühle, die sie schließlich für ihn entwickelt, könnte man durchaus mit dem Stockholm-Syndrom erklären. Eine psychologische Reaktion von Geiseln, die sich in ihre Geiselnehmer verlieben oder zumindest mit ihnen sympathisieren, um die Extremsituation emotional durchstehen zu können.

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Unter Zwang entstehen keine echten Gefühle

Eine Zuschauerin lobte auf Twitter die Sex-Szenen, schrieb aber auch, die Story an sich romantisiere Kidnapping und eine erzwungene Beziehung. ”Du siehst quasi einer Frau dabei zu, wie sie ein Stockholm-Syndrom entwickelt.“

Eine Meinung, die auch andere Zuschauer und User teilen, für die nur schwer nachvollziehbar ist, wie ein solcher Plot in Zeiten von MeToo einen derartigen Anklang finden kann.

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