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Deutsche beurteilen Strahlungsrisiken falsch

Eine Frau telefoniert mit einem Smartphone.
Eine Frau telefoniert mit einem Smartphone.

Beim Telefonieren mit dem Handy, beim Röntgen, unter Stromleitungen und in der Sonne - Menschen sind ständig Strahlung ausgesetzt. Das zuständige Bundesamt sagt: Manchmal machen sich die Menschen unnötig Sorgen - aber manchmal auch zu wenig.

Berlin (dpa) - Dauernd das Handy am Ohr, aber Angst vor dem Sendemast? Und was ist eigentlich Radon? Viele Deutsche wissen nicht, was die wichtigsten Quellen für Strahlung im Alltag sind - und was für sie gefährlich werden könnte.

Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Bundesamt für Strahlenschutz in Berlin veröffentlicht hat. Anlass ist der 30. Geburtstag der Behörde, die kurz vor dem Mauerfall gegründet wurde. Das Wissen über die Strahlungsarten und ihre Wirkungen sei «nicht sehr ausgeprägt», sagte die Präsidentin der Behörde, Inge Paulini. Das könne Ängste verstärken.

Fast drei von vier Befragten (73,9 Prozent) gaben demnach an, dass sie das Thema radioaktive Strahlung durch Kernkraftwerke «sehr» oder «eher» beunruhige. Mehr als jeder zweite (51,4 Prozent) macht sich Sorgen um Strahlung von Mobilfunk-Masten, fast ebenso viele (51 Prozent) über Handys und Tablets.

Dagegen machen sich nur knapp 23 Prozent Sorgen über Radon in der Umwelt - obwohl es die größte Quelle für die durchschnittliche jährliche Strahlenbelastung ist und nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Radon entsteht im Erdreich und kann von dort in Innenräume gelangen. Es ist nicht zu sehen, zu riechen oder zu schmecken. Bürgern in Regionen mit hoher Belastung wird empfohlen, regelmäßig zu lüften und undichte Stellen in Keller und Erdgeschoss abdichten zu lassen.

«Die Studie zeigt, dass die Risiken der Kernkraft in der Bevölkerung überschätzt und die Gefahr von beispielsweise Radon unterschätzt werden», sagte Paulini - bezog sich dabei allerdings nur auf die Strahlung, die im Normalbetrieb der Atomkraftwerke nach außen gelangt. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth ergänzte, wenn es einen Störfall gebe, sei das «alles auf den Kopf gestellt». Die Entscheidung, wegen der Risiken aus der Atomkraft auszusteigen, werde damit nicht relativiert. Beim Radon sieht auch er Nachholbedarf: Das sei auch im politischen Prozess nicht präsent genug.

Bei der Digitalisierung klafft aus Sicht des Strahlenschutzamts eine Lücke: «Einerseits gibt es den selbstverständlichen Umgang mit neuen Technologien und andererseits eine gefühlte Bedrohung durch die damit einhergehende Strahlenbelastung.» Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten (56,9 Prozent) wisse, dass sie als durchschnittliche Nutzer Handystrahlung stärker ausgesetzt seien als der Strahlung von Sendemasten, gegen die Anwohner oft protestieren oder gar klagen.

Jeder zweite (49,2 Prozent) glaubt, dass Handy-Strahlung das Erbgut schädigen kann - «fälschlicherweise», wie das Bundesamt betont. Insgesamt sind Sorgen um 4G- und neue 5G-Sendemasten aus Paulinis Sicht unbegründet. Der einzige Effekt sei, dass Gewebe sich erwärme, wenn es zu stark Strahlungsfeldern ausgesetzt sei. Die Grenzwerte in Deutschland seien darauf abgestimmt - und selbst diese Grenzwerte würden nicht erreicht. «Wir sind sehr sicher, dass wir in Deutschland bei den gegebenen Lage jetzt und in den nächsten Jahren sicher geschützt sind.»

Die Bundesregierung will im Rahmen ihrer Mobilfunkstrategie durch mehr Aufklärung und Dialog Ängste vor der neuen Technologie abbauen - auch, um Klagen gegen Sendemasten zu verhindern. Dazu passt, dass im kommenden Jahr ein neues Kompetenzzentrum Strahlenschutz für Mobilfunk und Strom in Cottbus aufgebaut werden soll. Zu der Wirkung von Stromleitungen läuft zudem ein großes Forschungsprogramm.

Die Politik will also stärker aufklären - und Forschungslücken schließen. Aber wie nah das Handy bei Tag und Nacht am Körper ist, wie oft jemand durchlüftet, das bleibt natürlich Privatsache. Fast die Hälfte der Deutschen (48,7 Prozent) fühlt sich durch staatliche Einrichtungen vor Mobilfunk-Anlagen «überhaupt nicht» und «eher nicht» gut geschützt. Dazu betonte Paulini: Ein großer Teil des Strahlenschutzes müsse «Selbstschutz» bleiben.