Die Hipster von Erbil

So stylish sind junge Kurden heute
So stylish sind junge Kurden heute

Diese Gruppe kurdischer Gentlemen hat verdammt viel Style – und die Medien sind vollkommen verrückt nach ihnen.

Aus dem Irak erreichten uns in den letzten Jahren nur wenig gute Nachrichten. Krise, Terror, und Zerstörung. Flucht vor dem IS. Aktuell die Vertreibung aus Mosul. Der Krieg ist allgegenwärtig und im Krieg, so ist es leider, bleibt für Schönheit kaum Platz.

Eine Gruppe junger kurdischer Gentlemen hat sich zum Ziel gesetzt, ein für alle Mal mit den Vorurteilen aufzuräumen und der Welt ein anderes Bild kurdischer Kultur zu präsentieren. Nach dem Vorbild des italienischen Pitti Uomo haben sie ihren eigenen Gentlemen’s Club gegründet: Mr. Erbil.

Mr. Erbil erobert die Fashion-Herzen im Sturm

Akkurate Bärte – schicke Anzüge. Das sind Erbils neue Gentlemen
Akkurate Bärte – schicke Anzüge. Das sind Erbils neue Gentlemen

Mit Ray Bans, Einstecktüchern, stylischen Mustern und schicken Uhren setzen sie sich seit Anfang 2016 auf Instagram in Szene. Ihr Account Mr. Erbil hat inzwischen 73,000 Follower – und die internationale Presse ist vollkommen verrückt nach ihnen. Ob Deutschland, Belgien oder die Niederlande: Diese Jungs erobern sowohl Frauen- auch als Männer-Fashion-Herzen im Sturm.

Sie posten Bilder von ihren Gentlemen’s Club Meetings, Straßenszenen aus Erbil, oder einfach nur ein paar hübsche Männer, die schön aufgereiht auf einer Mauer sitzen und cool mit ihren Smartphones spielen. Für ihre feschen Anzüge nutzen sie hauptsächlich lokale Schneider und Textilien. Krawatten aus Ziegenhaar zum Beispiel – und das sieht ziemlich gut aus.

Jeden Donnerstag gibt es die „Thursday’s Women’s Inspiration“ – dort huldigen sie den kurdischen Ladys, die sie in dieser Woche am meisten inspiriert haben. Dafür zollen ihre Instagram Follower ihnen Respekt. „You go guys“ steht da oft – weiter so. „Ich bin stolz und froh, dass ihr der ganzen Welt diese Seite von Kurdistan präsentiert.“ Oder: „Wo haben diese kurdischen Jungs sich so lange versteckt!“

Mr. Erbil will der Welt die junge, kurdische Kultur präsentieren

Diese jungen Männer wollen der Welt die kurdische Kultur präsentieren
Diese jungen Männer wollen der Welt die kurdische Kultur präsentieren

Warum das Ganze? Denken Sie mal eine Sekunde lang darüber nach, was Ihnen bei dem Begriff Irak in den Kopf kommt. Höchstwahrscheinlich handelt es sich nicht um hippes Dandytum, sondern um Krieg, Zerstörung, ein gescheitertes Land. Dieses Image wollen die Jungs revidieren. Sie wollen der Welt die kurdische Kultur präsentieren und den internationalen Blick öffnen, für einen anderen Irak. Eine Gesellschaft, in der nicht nur Opfer eines fortwährenden Konflikts leben – sondern junge, modebewusste Menschen, die verdammt große Träume haben. Im Interview mit vocativ verrieten sie:

„Vor zehn Jahren hatten die Menschen hier noch keine großen Erwartungen ans Leben.“ Der kurdische Teil des Irak war isoliert vom eigenen Land, vom Rest der Welt sowieso. Tausende Familien flohen als eine Folge des Golfkrieges, viele von ihnen bauten sich – unter anderem in Deutschland – neue Existenzen auf. Einer der Gentlemen verrät: „Meine früheste Kindheitserinnerung ist wie mein Dad sich mit uns im Haus versteckt, weil draußen gekämpft wurde.“

„Du selbst bist dein einziges Limit“

73,000 Instagram Follower hat Mr. Erbil inzwischen
73,000 Instagram Follower hat Mr. Erbil inzwischen

Es gab weder Telefon noch Internet. Unter Saddam Hussein war den Irakern nicht gestattet zu reisen. Doch mit dem Sturz des Regimes hielten Shoppingmeilen, Restaurants, Facebook und Co. Einzug im Land. Insbesondere die Region um Erbil ist in den letzten Jahren stark gewachsen und über soziale Medien kommt auch internationaler Style nach Erbil.

Viele der jungen Männer, die zu Mr. Erbil zählen, sprechen Englisch und studierten an guten Universitäten. Was sie dort lernten, wollen sie nun umsetzen. Angefangen mit verdammt heißem Style. Sie wollen nicht als verlorene Generation stigmatisiert werden. Mr. Erbil ist wie ein Aufruf an die Jugend des Landes, es ebenfalls nicht zu tun. Lebt eure Träume Leute – es gibt keine Grenzen, egal woher ihr kommt.

Auf Instagram posten sie Zitate wie: „Du selbst bist dein einziges Limit“ und „Lasse deinem Gestern nicht zu viel Raum in deinem Heute“. Natürlich bietet das eine Angriffsfläche für Kritiker. Manche halten sie für Snobs mit zu viel Geld. „Die sollen erst mal zusehen, dass ihr Land funktioniert, bevor sie sich so aufstylen“ sagen die einen, „absolut oberflächlich“ finden das andere, angesichts der fortwährenden Krise im Irak.

Einfach mal gut aussehen – auch angesichts der Krise. Why not?

Heiße Outfits – heiße Bikes. So präsentieren sich Erbils Dandys am liebsten
Heiße Outfits – heiße Bikes. So präsentieren sich Erbils Dandys am liebsten

Und ja – es stimmt. Die Zeiten sind wieder schlechter geworden, auch für Erbil. Die Präsenz des Islamischen Staates fordert ihren Tribut von der Region. Die Sicherheitslage, einst vergleichsweise gut, ist wieder eingebrochen. Trotz allem wollen diese jungen Männer sich nicht die Würde und den Style nehmen lassen und das ist ein Statement für sich. Einer der Gentlemen verrät außerdem im vocatic Interview: „Jetzt wo die Leute uns kennen, wollen wir uns auch für gesellschaftliche Belange in Erbil stark machen.“

Wir finden: Man muss ihre Looks nicht lieben – aber diese kurdischen Dandys ziehen ihr Ding durch. Sie mögen Mode und hippe Manbuns. Sie wollen einfach gut aussehen. Die ganz normalen Dinge des Alltags. Und ob Erbil oder Erfurt: Das hat verdammt viel Swag.

Die andere Seite des Iraks
Die andere Seite des Iraks

Fotos: Mr. Erbil