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Die Städter-Uniform: Müssen Pelzkragen an Kapuzen wirklich sein?

Ob Dienstagmittag im angesagten Business-Lokal oder Sonntagabend im Konzerthaus: In so ziemlich jeder öffentlichen Garderobe hängen Dutzende von Parkas und Steppmänteln mit kuschelig flauschigen Fellkragen. Schön sehen sie aus, weich und warm sind sie definitiv – aber brauchen wir die Fellkapuzen außerhalb frostiger Arktiswinde wirklich?

Nicht nur Influencer, sondern gefühlt jeder zweite Großstädter setzt derzeit auf die Pelz-Kapuze. Warum nur? (Bild: Getty Images)
Nicht nur Influencer, sondern gefühlt jeder zweite Großstädter setzt derzeit auf die Pelz-Kapuze. Warum nur? (Bild: Getty Images)

Wer sich schon mal durch zig gleich aussehende Jacken einer Sammelgarderobe probieren musste, weiß: In den angesagten Wintermänteln und -parkas mit den buschigen Fellkapuzen steht man definitiv nicht mehr alleine da. Unterscheidbar sind die Modelle vielleicht gerade so durch die Farbe (die Palette reicht von seidigem Petrol bis Wachsschwarz) und von Kennern durch den angehängten Pelz – einige wählen den günstigeren Fake Fur, andere Kaninchen, Fuchs, Nerz oder Koyote.

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Wie jetzt, Pelz, das ist doch politisch unkorrekt und eigentlich ein No-No, wegen der katastrophalen Bedingungen in Pelzfarmen, Tierquälerei bei der Schlachtung und dergleichen? Eigentlich schon – und doch will der Trend um die tierischen Kuschelkapuzen seit nunmehr über zehn Jahren einfach nicht abreißen. Die Umsatzzahlen der europäischen Pelzbranche haben sich zwischen 2005 und 2015 verdoppelt. Warum also Pelz, wenn es auch tierfreundlicher (und günstiger!) mit Fake Fur gehen könnte? Und noch konkreter gefragt: Muss sich der durchschnittsdeutsche Großstädter, der das Thermometer nur an wenigen Tagen im Jahr in niedrige zweistellige Minusgrade rutschen sieht, die Ohren wirklich durch sibirienerprobte Fellbegleiter wärmen lassen?

In Sibirien vertrauen die Menschen auf moderne Funktionskleidung

Jeder Kürschner wird aus dem Stegreif zahlreiche Vorzüge von echtem Fell aufzählen können: Es hält kuschelig warm. Winterfell hält wärmer als Sommerfell und langhaariges Fell ist noch eine Stufe kälteresistenter als Kurzhaarfell. Besonders dicht und strapazierfähig ist das Fell von Tieren, die ganz oder zumindest zeitweilig im Wasser leben.

Je kälter der Lebensraum des Tieres, umso wärmer das Fell. Und da der menschliche Kopf mit am sensibelsten auf Kälte reagiert, macht ein sibirienerprobter Fellkragen, der Gesicht und Ohren gegen Seitenwind und Kälte schützt, doch tatsächlich Sinn. Oder? Interessant ist dabei allerdings, dass in Sibirien, wo sich die Menschen Gerüchten zufolge ja mit Pelz und Wodka wärmen sollen, auch bei minus 30 Grad nur noch erstaunlich wenige Fellkrägen zu sehen sind: Moderne Funktionskleidung hat dort zumindest bei jungen Leuten schon lange die Pelze ersetzt. Haben wir in der mitteleuropäischen Großstadt also einfach nur den Schuss noch nicht gehört?

Die ewige Suche nach Individualität, der in der Mode doch immer so hochgehalten wird, stoppt augenscheinlich bei Parkas. (Bild: Getty Images)
Die ewige Suche nach Individualität, der in der Mode doch immer so hochgehalten wird, stoppt augenscheinlich bei Parkas. (Bild: Getty Images)

Was so vielen Menschen gefällt, kann ja nur erlaubt sein – oder?

Die ewige Suche nach Individualität, der in der Mode doch immer so hochgehalten wird, stoppt augenscheinlich bei Parkas mit Fellkapuzen. Und der Wille zu einem kollektiven sozialen Gewissen offenbar ebenso: Denn was so vielen Menschen gefällt, kann ja nur erlaubt sein. Erlaubt vielleicht – aber auch vertretbar?

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Eine Umfrage der Uni Ravensburg aus dem Jahr 2017 zeigte, dass etwa ein Drittel der Echtpelzkäufer die Berichte über die Tierhaltung in Pelztierfarmen durchaus kennen. Einige davon kaufen zumindest beim Kürschner, dessen handgemachtes Produkt ihnen nachhaltiger erscheint als ein günstiger Parka, der alle paar Jahre nachgekauft werden muss. Für den Rest der Käufer ist die Herkunft des Fells offenbar nicht relevant – denn nur ein minimaler Teil der verkauften Krägen wird von deutschen Handwerksbetrieben gefertigt, stammt also aus zertifizierten Fellen von gesicherter Herkunft.

Ein neuer Wintertrend muss her

“Drei sind ein Trend”, sagt man scherzhaft in der Mode, um das zufällige Auftreten eines beliebigen Fashion-Phänomens von einem tatsächlichen Trend zu unterscheiden. Wenn dem so ist, müssten die tausenden Fellkrägen, die durch die Großstädte in unseren Breitengraden getragen werden, längst ein deutliches Signal dafür sein, dass es Zeit für eine Ablösung ist und ein neuer Trend her muss. Einer, der sozial verträglicher und tierfreundlicher ist. Der wärmt, aber nicht so, als ob hinter der nächsten Ecke der sibirische Kältetiger wartet. Und der einen nicht so aussehen lässt wie jeden anderen in der Garderobenschlange vom Business-Lunch-Restaurant oder Konzerthaus. Ein bisschen Individualität kann ja nicht schaden – auch nicht in der Mode.

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