(Don't) Believe the Hype: Die Rückkehr von Jean-Luc Picard

Auch mit 94 Jahren noch gut in Form: Jean-Luc Picard ist zurück. (Bild: 2019 CBS Interactive, Inc. All Rights Reserved)
Auch mit 94 Jahren noch gut in Form: Jean-Luc Picard ist zurück. (Bild: 2019 CBS Interactive, Inc. All Rights Reserved)

Wenn alle nur noch über ein Thema reden, beantwortet die Yahoo-Style-Kolumne "(Don’t) Believe the Hype" die unvermeidbare Frage: Ist der Hype gerechtfertigt oder nicht? Diesmal im Fokus: Die Rückkehr des legendären "Star Trek"-Captains Jean-Luc Picard.

Eine Kolumne von Carlos Corbelle

Jean-Luc Picard ist nicht irgendeine Figur des "Star Trek"-Franchise. Der einstige Raumschiff-Captain des Sternenflotten-Flaggschiffs USS Enterprise ist wie kein anderer Charakter aus dem reichhaltigen Sci-Fi-Kosmos die Verkörperung all dessen, was die in "Star Trek" erdachte Zukunft ausmacht. Eine Zukunft, in der die Menschheit Krieg, Ausbeutung und Kapitalismus überwunden hat und Geld nicht mehr existiert, so dass "der Erwerb von Reichtum nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben ist", wie Picard im Film "Star Trek: Der erste Kontakt" einst die Vorzüge des 24. Jahrhunderts erklärte. Sprich: Eine Zukunft, in der die Menschheit endlich erwachsen geworden ist und gemeinsam im Sinne vernunftbegabter Wesen agiert, um in friedlicher Co-Existenz mit anderen Spezies einer Planeten-Föderation den Weltraum zu erkunden und den eigenen, geistigen Horizont zu erweitern.

War Picards beherzter Vorgänger James T. Kirk in der ursprünglichen "Star Trek"-TV-Serie aus den 1960ern noch ein junger Draufgänger mit gelegentlichem Testosteronüberschuss, war der von Patrick Stewart verkörperte Enterprise-Captain der 80er/90er-Serie "The Next Generation" ein etwas älterer, besonnener Diplomat, der dem Typus des adrenalingeladenen Hollywood-Actionhelden ein progressiveres Männlichkeitsbild entgegenstellte. Ein leidenschaftlicher Humanist, dessen bevorzugte Waffe ganz im Sinne der "Star Trek"-Philosophie das Argument ist. Im Grunde spiegelte sich damit das Erwachsenwerden der Menschheit auch im Erwachsenwerden des Franchise, zumal der Reifeprozess nicht nur in der Entwicklung von der Original-Serie hin zur "Next Generation" erkennbar wird, sondern auch in der persönlichen Vita Picards eingeschrieben ist - war dieser doch einst auch ein impulsiver junger Mann, der von sich selbst so angetan war, dass er bloß lachen konnte, als ihm bei einer Kneipenschlägerei von einem Nausicaaner ein Messer ins Herz gebohrt wurde.

Picard steht scheinbar alleine da

Und nun, fast 20 Jahre nach dem letzten Auftritt der "Next Generation"-Crew in Form des Kino-Abenteuers "Nemesis", ist Jean-Luc als titelgebender Held einer neuen Serie zurück. In "Star Trek: Picard" sind ebenfalls 20 Jahre vergangen: Der einstige Enterprise-Captain, der anschließend Admiral wurde, hat sich mittlerweile auf sein Weingut in Frankreich zurückgezogen, nachdem es zum Bruch zwischen ihm und der Föderation kam. Dort fristet der 94-jährige Picard ein ereignisloses Dasein, dessen Ruhe nur durch wiederkehrende Alpträume über seinen verstorbenen Lieutenant Commander und Freund Data unterbrochen wird. Bis eine junge Frau bei ihm auftaucht, die sich auf der Flucht vor einem brutalen Killer-Kommando befindet und auf mysteriöse Weise mit Picard verbunden ist - obwohl sich die beiden nie zuvor begegnet sind.

Diese junge Frau spielt eine wichtige Rolle in "Star Trek: Picard". (Bild: James Dimmock/CBS ©2019 CBS Interactive, Inc. All Rights Reserved.)
Diese junge Frau spielt eine wichtige Rolle in "Star Trek: Picard". (Bild: James Dimmock/CBS ©2019 CBS Interactive, Inc. All Rights Reserved.)

Schon die Prämisse der ersten Staffel, die zehn Episoden umfasst und auf Amazon Prime läuft, ist überaus vielversprechend. Mindestens ebenso spannend wie die Reise, die nun vor Picard liegt, sind die Ereignisse, die dazu führten, dass er der Föderation im Streit den Rücken kehrte. Das romulanische Volk, eigentlich Feind der Föderation, bat eben diese um Hilfe, als die Romulaner durch die Zerstörung ihres Heimatplaneten zu Flüchtlingen wurden. Nicht zuletzt auf Drängen Picards sicherte die Föderation Hilfe zu, machte dann jedoch einen Rückzieher, als ein unerwarteter Anschlag vor der eigenen Haustür tausende Todesopfer forderte und eine Verlagerung der Ressourcen zur Folge hatte. Für Picard trotz der Umstände unvereinbar mit den Idealen der Föderation, die er daraufhin im Zorn verließ.

Angesichts der weltpolitischen Lage ist der 94-jährige Picard heute besonders wichtig

Es ist diese Art von komplexer, politisch-moralischer Dimension, die "Star Trek" at its best seit jeher auszeichnet und seit dem Ende des ersten "Next Generation"-Spin-offs "Deep Space Nine" kurz vor der Jahrtausendwende nicht mehr so zwingend aufleuchtete wie nun hier. Der Zündstoff dieses spekulativen Konflikts zwischen humanitärer Verantwortung und protektionistischem Eigeninteresse ist nicht nur in Picards Zukunft greifbar, sondern auch in einer Gegenwart, die von ertrinkenden Flüchtlingen im Mittelmeer und der Abschottung europäischer Außengrenzen, von Brexit und America First bestimmt ist.

"Die Föderation entscheidet nicht darüber, ob eine Spezies lebt oder stirbt", mahnt Picard. Worauf eine Admirälin der Föderation erwidert: "Doch, das tun wir. Das müssen wir sogar tun. Tausende andere Spezies sind darauf angewiesen, dass wir für Einheit sorgen, für Zusammenhalt." Spätestens hier wird deutlich: Die Zeiten sind verdammt düster - sogar im zuversichtlichen "Star Trek"-Universum. Eine Entwicklung zur dystopischen Science-Fiction ist indes nicht zu befürchten. Im Gegenteil: Der gefeierte Schriftsteller und Pulitzer-Preisträger Michael Chabon, der bei "Star Trek: Picard" als Showrunner fungiert, bezeichnet Picard als "den Helden, den wir jetzt brauchen" und hat seine Serie als "positive, durch Prinzipien der Toleranz und Gleichberechtigung bestimmte Vision der Zukunft" konzipiert, wie er im Interview mit der Website CNET betont. Auch wenn wir diese Vision zunächst nur in den Augen eines alternden Weltraumhelden aufleuchten sehen, der sich nicht nur mit der Föderation, sondern auch mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen muss.

Noch aber ist Picard quicklebendig - und von wohltuender Klarheit, wenn es um moralische Fragen geht, die längst nicht so selbstverständlich beantwortet werden wie sie es eigentlich sollten. Als er einer Reporterin zu verdeutlichen versucht, dass bei der Zerstörung der romulanischen Heimatwelt Millionen von Leben auf dem Spiel standen, betont diese: "Romulanische Leben." Darauf er: "Nein. Leben." Kein Zweifel: Der Picard, den wir kennen und lieben, ist zurück - und der "Star Trek"-Kosmos wirkt wieder so relevant wie lange nicht mehr.

Fazit: Believe the Hype!

Was die "Star Trek"-Serie "Discovery" zu bieten hat, könnt ihr hier lesen

Und hier gibt’s den Trailer zu "Star Trek: Picard":

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