Furcht vor neuer Gewalt in Nahost nach Razzia von israelischer Armee
Erneute Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern hat die Furcht vor einer weiteren Eskalation in der Region geschürt. Wie das palästinensische Gesundheitsministerium am Montag mitteilte, wurden bei einer nächtlichen Razzia der israelischen Armee im besetzten Westjordanland drei Palästinenser getötet. Die USA äußerten sich zudem besorgt über den "provokativen Besuch" des rechtsextremen israelischen Sicherheitsministers Itamar Ben Gvir auf dem Tempelberg in Jerusalem.
Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden die drei Männer im Alter zwischen 24 und 32 Jahren im palästinensischen Flüchtlingslager Balata in Nablus getötet.
Die israelische Armee erklärte, sie habe bei dem "Anti-Terror"-Einsatz mehrere bewaffnete Männer während eines Feuergefechts erschossen. Demnach hatten die Männer während der Durchsuchungen auf die Soldaten geschossen. Diese hätten ihrerseits das Feuer erwidert.
Zudem nahm die Armee eigenen Angaben zufolge drei Verdächtige "wegen Beteiligung an terroristischen Aktivitäten" fest. Außerdem seien Waffen und Munition beschlagnahmt sowie ein Sprengstofflabor "in einem der Wohnhäuser" zerstört worden.
Augenzeugen berichteten, israelische Streitkräfte hätten in der Nacht mehrere Häuser nach Verdächtigen durchsucht. Dabei seien Schüsse sowie laute Explosionen zu hören gewesen. Ein Haus wurde demnach zerstört.
Die Al-Aksa-Brigaden, der bewaffnete Arm der im Westjordanland regierenden Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, erklärten, dass es sich bei den Männern um "Kämpfer" ihrer Gruppierung gehandelt habe. Deren Erkennungssymbol war um die Stirn der in der Leichenhalle aufgebahrten Getöteten gewickelt, ihre Leichen waren mit der palästinensischen Fahne umhüllt.
Die radikalislamische Hamas bezeichnete die Getöteten als "Freiheitskämpfer". Die den Gazastreifen kontrollierende militante Palästinenserorganisation bekräftigte in einer Erklärung "Widerstand" als "legitimes Recht des palästinensischen Volkes in seinem Streben nach Freiheit".
Das Büro von Mahmud Abbas sprach von "einem regelrechten Massaker". Dessen Sprecher Nabil Abu Rudeina bezeichnete die wiederholten Einsätze der israelischen Armee in Nablus sowie Angriffe radikaler Siedler als "Kriegsverbrechen" und "Kollektivstrafe", die sofort beendet werden müsse. Er warf zudem den USA vor, ihr "Schweigen" habe Israel ermutigt, seine "Angriffe" fortzusetzen. Er forderte Washington auf, "umgehend einzugreifen", um eine weitere Eskalation in der Region zu verhindern.
Unterdessen zeigten sich die USA "besorgt" über den "provokativen Besuch" des rechtsextremen israelischen Sicherheitsministers Ben Gvir auf dem Tempelberg in Jerusalem. "Dieser heilige Ort sollte nicht für politische Zwecke genutzt werden", erklärte US-Außenamtssprecher Matthew Miller am Sonntag. "Wir rufen alle Parteien auf, seine Heiligkeit zu respektieren."
Ben Gvir hatte inmitten der seit Monaten äußerst angespannten Lage am Sonntag erneut den von Juden und Muslimen gleichermaßen als heilig verehrten Ort in Jerusalem besucht. Die palästinensische Autonomiebehörde verurteilte den Schritt als "Spiel mit dem Feuer", die Hamas kündigte Vergeltung an.
Derweil meldete die israelische Armee am Montag weitere Zusammenstöße mit Palästinensern während eines Einsatzes in Dschenin nördlich von Nablus. Dort warfen Verdächtige ihren Angaben zufolge Sprengsätze und schossen auf die Soldaten, die ihrerseits zurückschossen. Dabei seien zwei Verdächtige "getroffen" worden, hieß es in einer Armee-Erklärung. Wie die Armee weiter mitteilte, wurden in Dschenin drei und in anderen Teilen des Westjordanlandes sieben weitere Verdächtige festgenommen.
Erst vor neun Tagen war nach tagelanger tödlicher Gewalt zwischen Israel und der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen eine Waffenruhe zustande gekommen. Zuvor waren binnen weniger Tage bei den Auseinandersetzungen 35 Menschen getötet worden - 34 Palästinenser, darunter sechs Anführer des Islamischen Dschihad, und eine Israelin.
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hat sich seit Anfang des Jahres zusehends verschärft. Insgesamt sind nach offiziellen Angaben beider Seiten seit Jahresbeginn mindestens 153 Palästinenser und 20 Israelis sowie eine Ukrainerin und ein Italiener getötet worden.
kas/cp