Eine Frau erklärt, wie man andere respektvoll auf ihre Narben anspricht
Gespräche über Narben können ziemlich interessant und lehrreich sein, aber wie bei allem, gibt es eine richtige und eine falsche Herangehensweise. Molly O’Shea – eine Trainerin für Body-Positivity, Gesundheitsexpertin und Fitnesstrainerin – veröffentlichte auf ihrem Blog vor kurzem einen Beitrag über dieses Thema.
O’Shea hat nach einem schlimmen Autounfall auffallende Narben auf ihrem rechten Arm. „Ich habe mir die Nackenwirbel gebrochen und einige andere ziemlich schmerzhafte Verletzungen zugezogen, darunter auch die Narben auf meinem rechten Arm“, erklärt sie in der ‚Über mich’-Rubrik ihrer Webseite. „Um ein Verständnis dafür zu schaffen, wie ernst es war: Ich habe meine Nackenwirbel an derselben Stelle gebrochen wie [Schauspieler] Christopher Reeve [der Superman spielte]. Seine Nackenverletzung führte dazu, dass er querschnittsgelähmt wurde. Zum Glück habe ich überlebt.”
In einem Beitrag mit dem Titel „Wie man jemanden auf seine Narben anspricht“ erklärt O’Shea, wie man höflich danach fragt, ohne die Person mit den Narben zu beleidigen oder sie zu zwingen, ein Ereignis zu erzählen, das möglicherweise eine extrem traumatische Erfahrung war. „In der Regel beginnt die Frage mit: ‚Hast du etwas dagegen, wenn ich frage, was mit deinem Arm passiert ist?’ Jedes Mal, wenn jemand danach fragt, besonders am Anfang, sage ich immer: ‚Nein, ich habe überhaupt nichts dagegen, danke, dass du fragst.“
Sie schreibt weiter: „Das hilft dabei, dass die Person sich wohl fühlt. Es ist wichtig zu erkennen, dass das für beide eine seltsame Situation ist. Normalerweise ist die beste Antwort: ‚Wow, es tut mir leid zu hören, dass das geschehen ist. Bist du jetzt in Ordnung?’ Für mich ist das der Moment, in dem ich mich am wohlsten fühle. Oder manchmal fragen sie nicht, ob es mir mittlerweile gut geht und ich sage einfach: ‚Keine Sorge. Jetzt geht’s mir wieder gut!“
O’Shea erzählte Yahoo Beauty, dass sie sich „verpflichtet“ fühle, ihre Geschichte zu erzählen, „weil ich wegen meiner Narben tagtäglich eine Erfahrung habe. Narben haben einen Einfluss auf viele Menschen, besonders auf die, die mir folgen. Der Beitrag handelte einfach von meinen Erfahrungen. Jeder hat eine andere Geschichte, aber ich wollte etwas für die Leute schreiben, die mich gefragt haben, wie man die Narben anderer am besten anspricht. Ich glaube, das wird immer häufiger und es kann schwer sein, die richtige Herangehensweise an die Frage zu finden.“
AKTUALISIERT: Neulich war ich bei der Maniküre und jemand fragte, was mit meinem Arm geschehen ist. Ich war angenehm überrascht, dass sie so offen danach fragte und dankte ihr für die Frage. Ich erzählte ihr, dass ich einen Autounfall hatte und zu meiner Überraschung antwortete sie: „Ach, das ist ja gar nichts.“ Ich war etwas verblüfft und erzählte ihr, dass ich mir das Genick gebrochen hatte. Ihre Antwort war: „Naja, aber jetzt geht’s dir gut, oder?“ Nachdem ich bejahte, sagte sie: „Ja, dir geht’s gut.“ Ich verstehe völlig, dass einige Leute der Meinung sein könnten, dass sie es nicht negativ gemeint hat, aber ihr Tonfall gab mir das Gefühl, dass mein Unfall keine große Sache war. Man könnte sagen, dass ich nicht so denken nicht darauf achten sollte, wie andere Menschen denken, aber ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich in dem Augenblick nicht so gefühlt habe. Ich weiß, dass diese Frau es NICHT boshaft gemeint hat. Ich bin sicher, sie hatte ihre Gründe, so zu antworten. Ich verstehe das. Der Blog und der Beitrag sind wirklich dazu da, um über meine Erfahrungen zu schreiben. Ich weiß, es gibt Leute da draußen, die einen Arm oder ein Bein verloren haben oder sogar gestorben sind und ich habe Glück, am Leben zu sein. Dieser Blog ist nicht ohne Grund entstanden. Viele Leute haben sich wegen meiner Narben an mich gewendet, weil es etwas ist, was viele Leute berührt. Das mindert nicht die Erfahrungen, die andere durchgemacht haben, es ist einfach eine ANDERE Erfahrung. Es geht hier nicht um Vergleiche, denn Unfälle kann man nicht vergleichen und es ist kein Wettbewerb, wer den schlimmsten hatte. Jeder hat seinen eigenen Weg und seine Geschichte zu erzählen. Ich teile hier einfach nur meine. Der Blog ist auch dazu da, um die an mich gerichteten Fragen zu beantworten, wie man jemanden auf seine Narben anspricht. Es ist ein schwieriges Thema. Es kann sowohl für den Fragenden als auch für die gefragte Person unangenehm sein. Nein, es ist nicht perfekt und jeder ist anders, also wird das hier nicht für alle funktionieren. Das ist okay! Aber ich halte es für wichtig, über echte Dinge zu sprechen, mit denen die Menschen auf beiden Seiten täglich zu tun haben. Ich hätte solche Blogs gerne vor sechs Jahren gesehen. Das ist alles, was ich hier versuche. ❤ #scarredandstronger ???? @cassidyc360
O’Shea teilte ihre Botschaft einige Tage später auf Instagram, um über ein aktuelles Erlebnis zu sprechen, das in Verbindung mit ihrem Blog steht. In dem Instagram-Beitrag sehen wir ein Foto von O’Sheas Narben und einen Text, der ein Erlebnis in einem Nagelstudio erzählt, wo eine Frau sie auf ihre Narben ansprach. Das Gespräch begann gut, was sich jedoch änderte, als O’Shea erwähnte, dass die Narben von einem Autounfall stammten. „Zu meiner Überraschung antwortete sie: ‚Ach, das ist ja gar nichts.’ Ich war etwas verblüfft und erzählte ihr, dass ich mir das Genick gebrochen hatte. Ihre Antwort war: ‚Naja, aber jetzt geht’s dir gut, oder?’ Nachdem ich bejahte, sagte sie: ‚Ja, dir geht’s gut.’“
Sie schreibt, dass dieses Zusammentreffen schmerzhaft war, denn auch wenn die Frau, mit der O’Shea sprach, ihre Erfahrung vermutlich nicht absichtlich herabsetzte, wirkte es trotzdem herablassend zu sagen, dass es ihr „gut“ gehe, so als hätte der traumatische Unfall keinen großen Einfluss auf O’Sheas Leben gehabt.
„Ich weiß, dass diese Frau es NICHT boshaft gemeint hat“, schrieb sie. „Ich bin sicher, sie hatte ihre Gründe, so zu antworten… Ich weiß, es gibt Leute da draußen, die einen Arm oder ein Bein verloren haben oder sogar gestorben sind und ich habe Glück, am Leben zu sein.“
O’Shea sagte, dass ihre Erfahrung für ihren Körper oder ihre Psyche vielleicht nicht so furchtbar gewesen sein mag wie für Menschen in anderen Situationen, doch es sei wichtig anzuerkennen, dass die Menschen in Bezug auf ihre Narben unterschiedlich fühlen und auf Nachfragen unterschiedlich reagieren könnten.
O’Shea kennt die heiklen Situationen, die aus den Gesprächen über Narben entstehen, nur allzu gut. Sie sind einer der Gründe, weswegen sie den Beitrag überhaupt geschrieben hatte. Sie erkannte, dass einige Personen sich unwohl dabei fühlen, Narben anzusprechen, teils deswegen, weil wir in einer Gesellschaft leben, die so extrem besessen von Perfektion ist. „In den Medien sehen wir nicht viele Menschen mit Narben. Es geht immer um Perfektion“, erzählt sie Yahoo Beauty. „Narben sind einzigartig und ich denke, dass die Leute überrascht sind, wenn sie sie sehen.“
Sie fährt fort: „Es ist auch schwierig, weil wir nicht wissen, woher sie diese Narben haben und keine traumatischen Erlebnisse ansprechen wollen. Meiner Erfahrung nach geschieht das oft, und aus Angst, alte Wunden aufzureißen, vermeiden die Leute, das Thema überhaupt anzusprechen. Es kann für beide Seiten eine schwierige Situation sein, aber ich hoffe, dass wir mehr Narben sehen werden, wenn wir öfter darüber sprechen und sich das [dann] vielleicht ändern wird.“
Sie hofft, dass ihre Erfahrungen anderen zumindest dabei helfen, zuerst nachzudenken, bevor sie jemanden auf seine Narben ansprechen. „Die beste Zeit, in der ich auf meine Narben angesprochen wurde, war, als ich in Irland gelebt habe“, sagt sie. „Die Leute haben dauernd danach gefragt. Es war nie ein Tabuthema für sie. Wenn sie fragten, fühlten sie sich mit dem Thema wohl und waren selbstbewusst. Deshalb fühlte auch ich mich wohl, als ich antwortete und meine Geschichte erzählte.“
Jihan Forbes
Redakteur
Yahoo Beauty