Endometriose: Labor brüstet sich mit revolutionärem Test – deutsche Ärzte warnen

Jede zehnte Frau leidet an Endometriose. Im Schnitt dauert es zehn Jahre, bis die Diagnose steht und Betroffene die Gewissheit haben, welche Auslöser für ihre Schmerzen verantwortlich sind. Ein Bluttest aus Großbritannien soll das nun ändern und damit die gesamte Diagnostik revolutionieren. Doch im Interview mit Yahoo Style warnen zwei deutsche Ärzte vor zu viel Euphorie.

Eine von zehn Frauen leidet an der chronischen Krankheit Endometriose. (Bild: Getty Images)
Eine von zehn Frauen leidet an der chronischen Krankheit Endometriose. (Bild: Getty Images)

„Das fiese an Endometriose ist, dass sie wie ein Chamäleon viele Beschwerden mit sich bringen kann“, so PD Dr. med. Sebastian Berlit im Interview mit Yahoo Style. Endometriose ist eine chronische Krankheit, die bis heute leider nicht vollständig geheilt werden kann.

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„Endometriose ist Schleimhaut der Gebärmutter, also Endometrium, die sich außerhalb der Gebärmutter befindet“, erklärt der Mediziner. „Normalerweise ist es so: Zum Beginn des Menstruationszyklus baut sich die Schleimhaut, die die Gebärmutterhöhle ausfüllt, auf und wird gegen Ende hin mit der Menstruation wieder abgestoßen und nach außen hin abgeblutet.“ Die Schleimhaut außerhalb der Gebärmutter durchläuft denselben Prozess, allerdings kann der Körper sie nicht einfach loswerden. „Das verursacht dann, je nachdem wo die Schleimhaut sitzt, Beschwerden“, erklärt der Fachmann. Je nach Lage kann dies mehr oder weniger starke Schmerzen verursachen, die oft kontinuierlich stärker werden.

Es gibt nur einen Weg, Endometriose zu diagnostizieren

Dafür, dass die eindeutige Diagnose der Endometriose im Schnitt erst nach 10 Jahren gestellt wird, gibt es einen Grund: Frauen müssen sich bei starken Verdachtsmomenten einer Bauchspiegelung unterziehen – einem operativen Eingriff also, der unter Vollnarkose ausgeführt wird. Die endgültige Diagnose steht fest, wenn der Pathologe entnommenes Gewebe als Endometrium identifiziert.

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Kein Wunder also, dass die Nachricht der britischen Privatfirma MDNA Life Sciences für eine regelrechte Euphorie in den Medien und bei betroffenen Frauen gesorgt hat. Behauptet das Unternehmen doch, Endometriose anhand eines einfachen Bluttests diagnostizieren zu können. Die Erfolgsquote hierfür beziffert MDNA Life Sciences auf beeindruckende 90 Prozent.

Bei der Laparoskopie wird ein Endoskop in die Bauch- oder Beckenhöhle eingeführt. Die Operation findet unter Vollnarkose statt. (Bild: Getty Images)
Bei der Laparoskopie wird ein Endoskop in die Bauch- oder Beckenhöhle eingeführt. Die Operation findet unter Vollnarkose statt. (Bild: Getty Images)

“Die Laparoskopie bleibt weiterhin Goldstandard”

Vor großen Hoffnungen warnt Dr. med. Thomas Füger, Leitender Arzt des Klinischen Endometriosezentrums in der Frauenklinik Dr. Geisenhofer, im Gespräch mit Yahoo Style: “Die zu Grunde liegende Studie beruht auf lediglich 128 symptomatischen Frauen. Eine Bestätigung durch größere Studien steht bislang noch aus. Bis dahin muss man als Goldstandard für die Diagnose und Therapie der Endometriose weiterhin die Laparoskopie (Bauchspiegelung) annehmen.”

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Auch Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss, stellv. Leiterin des Interdisziplinären Endometriosezentrums (IEZ) und Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde im Münchner Klinikum rechts der Isar, steht den Ergebnissen äußerst kritisch gegenüber. “Die Frauen, die an der Studie teilgenommen haben, hatten schon vor dem Test erwiesenermaßen Endometriose. Nun wurde nachträglich geguckt, ob es Unterschiede in den Werten im Vergleich zu gesunden Frauen gibt. Das ist nicht das, was wir wissenschaftlich überprüft nennen. Es ist lediglich ein Hinweis, dass es sich lohnen könnte, sich das genauer anzusehen”, so Dr. Seifert-Klauss zu Yahoo Style.

“Die Ergebnisse sind von einer Früherkennung noch weit entfernt”

Nach Angaben von MDNA Life Sciences konnten Biomarker ausfindig gemacht werden, die mit Endometriose assoziiert werden – dadurch soll das Labor schon bei den ersten Symptomen die Gebärmuttererkrankung erkennen können.

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Was für den Laien schlüssig klingt, hält der genaueren Betrachtung von Experten nicht stand. Dr. Seifert-Klauss erklärt: “Als Biomarker untersucht wurde mitochondriale DNA – also die DNA der Kraftwerke der Zelle. Hier ist bekannt, dass sie eine Bedeutung haben und beispielsweise manche Erkrankungen über die mütterliche mitochondriale DNA übertragen werden und nicht etwa durch die Zellkern-DNA. Es liegen aber nachträgliche Untersuchungen vor, die an Frauen vorgenommen wurden, die bekanntermaßen an Endometriose erkrankt waren.”

Von einer Früherkennung sei dies noch sehr weit entfernt. Fraglich sei zudem, ob die Veränderung der mitochondriale DNA tatsächlich die Ursache der Erkrankung oder lediglich eine Folge sei. “Es ist ein interessanter Befund, aber nun braucht es wissenschaftliche Überprüfungen.”

“Es ist schlimm, dass ein Hype um die angeblichen Ergebnisse gemacht wird”

MDNA Life Sciences behauptet, dass der Bluttest schon in neun bis zehn Monaten verfügbar sein soll. Das Labor hat zudem angekündigt, weitere Methoden zu entwickeln, die nach dem gleichen Prinzip Prostatakrebs, Eierstockkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs erkennen sollen.

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Dr. Seifert-Klauss kann nicht nachvollziehen, dass solche Informationen ohne wissenschaftlich anerkannten Studien nach außen getragen werden. “Wir sollten vorsichtig sein mit Hypes um angebliche Ergebnisse.” Am Ende hätten sonst Frauen das Nachsehen, bei denen Endometriose vermutet würde. “Frauen, die sich von selchen Tests Klarheit erhoffen, kommen dann in Endometriose-Zentren und sind fürchterlich enttäuscht, wenn sie feststellen, dass ein Bluttest eben doch nicht ausreicht.”