Erythrit: Ist der Zuckerersatz gesundheitsschädlich?
Die Zuckeralternative Erythrit könnte einer internationalen Studie zufolge das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Bislang handelt es sich dabei aber nur um Hinweise.
Doch keine gesunde Alternative? Eine aktuelle Untersuchung stellt einen Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Zuckeralternative Erythrit her.
Bislang keine gesundheitliche Bedenken
Zu viel Zucker macht krank. Er erhöht das Risiko für Krankheiten wie Karies, Fettleibigkeit oder Diabetes. In einigen Ländern gibt es deshalb eine Zuckersteuer. Der Bundesminister für Ernährung, Cem Özdemir, hat zudem jüngst angekündigt, in Deutschland ein Werbeverbot für Lebensmittel mit viel Zucker durchsetzen zu wollen.
Auch deshalb beschäftigt sich die Nahrungsmittelindustrie mit Alternativen, sie setzt etwa seit Jahren vermehrt süße Ersatzstoffe wie Xylit oder Sorbit ein. Die sind kalorienarm, können in größeren Mengen aber zu Verdauungsbeschwerden führen. Als besonders verträglich gilt hingegen der Zuckeralkohol Erythrit. Er ist weniger süß als Zucker und wird in geringen Mengen vom Körper selbst produziert. Auch kommt er in Pilzen und Früchten vor. Dennoch gilt Erythrit in Europa als Zusatzstoff und bedarf einer Zulassung – die wurde 2015 ohne gesundheitliche Bedenken beim Verzehr erteilt.
Eine aktuelle Untersuchung rüttelt nun an dieser Bewertung. Denn die stellt einen Zusammenhang zwischen eben diesem „Zuckeraustauschstoff“ und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie einer gesteigerten Blutgerinnung her. Die Ergebnisse wurden diese Woche im Journal Nature Medicine veröffentlicht. Die Studie war dabei mehrteilig angelegt.
Drei große Kohortenstudien
Zunächst wurden über 1.000 Proband*innen, die aufgrund von beispielsweise Diabetes oder Fettleibigkeit ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten, drei Jahre lang begleitet. Erlitten sie in dieser Zeit schwerwiegende Komplikationen, wie einen Schlaganfall, wurde ihr Blut untersucht. Darin fand sich in der Regel eine erhöhte Konzentration von Zuckeralkoholen. Insbesondere Erythrit.
A study in @NatureMedicine suggests that a commonly used artificial sweetener—erythritol—may be linked to cardiovascular disease events. https://t.co/QrbtvCFDJ4 pic.twitter.com/WpM9cLnXh7
— Nature Portfolio (@NaturePortfolio) February 27, 2023
Die Funde wurden mit zwei weiteren Gruppen bestätigt. Insgesamt nahmen daran rund 3.000 Proband*innen teil, 833 davon aus Deutschland. Auch hier handelte es sich um Personen mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Erhöhte Blutgerinnung
In einem zweiten Teil untersuchten die Forschenden dann, wie Blut und Blutplättchen auf die Zugabe von Erythrit reagierten. Das testeten sie im Reagenzglas und im Tierversuch an Mäusen, nicht jedoch an Menschen. Hier konnte eine erhöhte Gerinnungsbildung gezeigt werden. Gerinnt Blut zu stark, kann das unter anderem zu Thrombusbildung und Gefäßverschluss führen.
Gesund ernähren ohne Chaos auf dem Teller
Für ein drittes Teilexperiment tranken acht gesunde Personen ein mit 30 Gramm Erythrit gesüßtes Getränk. Das soll laut Studie der Gehalt eines handelsüblich künstlich gesüßten Getränks sein. Danach wurde das Blut untersucht. Hier zeigte sich, dass der Erythritspiegel über einen Zeitraum von zwei Tagen weit über der Schwelle lag, bei der in anderen Untersuchungen signifikante Hinweise auf veränderte Aktivität von Blutplättchen beobachtet worden waren.
Ergebnisse mit Vorsicht genießen
Ist der Verzehr von Erythrit also gefährlich? Das wollte auch das Science Media Center von unabhängigen Expert*innen wissen. Es hat sie gebeten, die Ergebnisse der Studie einzuordnen. Darunter ist auch Professor Harald Schulze von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Er hält das Thema zunächst für sehr wichtig, weil die Datenlage bislang sehr gering sei. Allerdings meldet er Bedenken bei den Schlussfolgerungen der Untersuchung an: „Aus der Studie kann aus meiner Sicht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum von Zuckerersatzstoffen wie Erythrit und einem erhöhten Risiko für schwere kardiale Komplikationen gezogen werden.“ Was daran liege, dass es keine Kontrollgruppen gegeben habe und die untersuchten Personen „bereits ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko“ aufwiesen. Schulze: „Entsprechende Vergleichskohorten ohne erhöhtes Risiko gibt es nicht. Das ist vielleicht die größte Schwäche der Studie.“
Mehr Forschung notwendig
Die Ergebnisse aus den weiteren Teilen der Untersuchungen sind laut Schulze zudem „rein deskriptiv und korrelativ“. Das bedeutet, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang gibt. Man kann also nicht schließen, dass der Konsum Erythrit-haltiger Produkte zu einer erhöhten Blutgerinnung führt.
Insgesamt sieht Schulze die Untersuchung dennoch als Chance. Sie zeige, was in Zukunft besser untersucht werden müsse: „Die Stärke liegt darin, eine Tür aufzustoßen, dass solche Studien mit großer Fallzahl notwendig sind, um die kurz- und langfristige Rolle von Zuckerersatzstoffen besser zu verstehen.“
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