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„Es kann Leben retten“: Frau, die mit geflochtenem Haar aus Narkose erwacht, fordert mehr Schwarze Ärzte und Ärztinnen

Als India Marshall letzten Monat nach einer Schädel-OP aus der Narkose erwachte, fiel ihr etwas auf, als sie den Verband abnahm: Ihr Haar war anders geflochten als vor dem Eingriff. Sie nahm an, dass das das Werk einer netten schwarzen Krankenschwester war, fand zu ihrer Überraschung allerdings später heraus, dass tatsächlich der Chirurg selbst dafür verantwortlich war – ein schwarzer Mann, der Vater von drei Töchtern ist.

Ihr Twitter-Beitrag, in dem sie von ihrer Entdeckung berichtet – sie schreibt, sie hätte „fast geweint“ – ging viral. Der Post erhielt mehr als 586.000 Likes und löste eine wichtige Diskussion darüber aus, dass dringend mehr schwarze Ärzte benötigt werden.

Erinnert ihr euch, dass ich geschrieben habe, dass ich nach der OP mit mehr Zöpfen auf dem Kopf aufgewacht bin und dachte, das waren die schwarzen Krankenschwestern? Ich habe heute bei meinem Termin herausgefunden, dass es der Chirurg (er ist schwarz) war. Er sagte, er hat drei kleine Töchter & sie hatten Waschtag... ich habe fast geweint

Yahoo Life hat mit Marshall und ihrem Chirurgen Dr. Jewel Greywoode (beide aus Charlotte in North Carolina) gesprochen, um mehr darüber zu erfahren, warum es so wichtig für sie beide ist.

Marshall (29) fand zu ihm, nachdem sie nach einem Chirurgen suchte, der gutartige Knochenwucherungen an ihrem Schädel, sogenannte Osteome, entfernen konnte. Diese waren auf ihrer Stirn und zwischen ihren Augen gewachsen und erschwerten es ihr, eine Brille zu tragen. Ihre Suche stellte sich als schwierig heraus, denn viele Chirurgen mit denen sie sprach, behaupteten, der einzige Weg, die Wucherung zu entfernen, sei durch Einschnitte an den Ohren. Dies sei, so Marshall gegenüber Yahoo Life „ziemlich umfangreich“, und sei mit einer langen Heilungsphase und deutlich sichtbaren Narben verbunden.

Sie gab allerdings nicht auf und fand schließlich Greywoode, einen Hals-, Nasen-, Ohren-Arzt, der sich auf kosmetische und funktionale plastische Gesichtschirurgie spezialisiert hat. Er war der einzige Arzt, der vorschlug, den Tumor durch Marshalls Nase zu entfernen, um zu verhindern, dass Narben im Gesicht zurückbleiben, erzählt sie. Das gab ihr wieder Mut.

Wenn ich jemals eine Gehirn-OP brauche, werde ich um Schwarze Ärzte bitten. Deshalb müssen wir in diesen Krankenhäusern repräsentiert sein und deshalb ziehe ich farbige Ärzte vor.

Greywoode erklärt Yahoo Life, dass er sein Wissen dazu anwende, um “den besten Weg zu finden, um möglichst wenig Narben zu erzeugen, und um Haarverlust und Taubheitsgefühle zu vermeiden.” Sie fügt hinzu: „Er ist Dinge angegangen, die mich davon getrennt haben, nur eine Patientin zu sein und das hat mich zu einem Menschen gemacht.“

Wenn du Schwarz bist und Mediziner werden willst, gib bitte nicht auf, denn wir brauchen dich dringend.

Marshall hatte aber noch einen anderen Grund zur Sorge, obwohl sie sich vor neun Jahren schon einmal desselben Eingriffs unterzogen hatte: Sie war besorgt, dass ihr “volles“, lockiges Haar „im Weg sein“ würde. Früher hatte sie ihre Haare geglättet, trägt sie aber nun natürlich. In Vorbereitung auf die OP mit Greywoode wusch, kämmte und flocht sie etwas von ihrem voluminösen Haar, um „bestmöglich zu helfen“. Sie erklärt: „Ich hätte mich nicht so fühlen brauchen, aber ich hatte das Gefühl, es würde Umstände bereiten. Ich wollte einfach keine Last sein, wenn er versucht, zu operieren.“

Sie ist nicht die einzige Schwarze Frau, die sich so fühlt: Im Laufe der Geschichte wurde Schwarzes Haar in seinem natürlichen Zustand weitgehend als Last, als problematisch und als unprofessionell angesehen – größtenteils, weil es mit europäischen Schönheitsnormen verglichen wurde. Die Vorurteile halten noch bis heute an und es werden ständig neue Geschichten aus Schulen bekannt, die Frisuren wie Afros, Bantu-Knoten, Dreadlocks oder Zöpfe verbieten. Erst seit kurzem zeigen Fernsehreporter ihre natürliche Haarpracht vor der Kamera. Zum Glück war in diesem Monat der Jahrestag des CROWN-Gesetzes. Dieses wurde von der kalifornischen Senatorin Holly J. Mitchell erlassen und verbietet „die Diskriminierung von Haaren aufgrund von Rasse, z. B. das Verweigern einer Anstellung oder von Bildungsmöglichkeiten.“

Das CROWN-Gesetz schützt viele Menschen vor Haardiskriminierung aufgrund von Rasse. Nur VIER Staaten haben es erlassen. Bitte verbreitet Bewusstsein hierfür

Viele von uns haben solches Haar. Der Style wird „Locs“ genannt. Schwarze Menschen in Amerika tragen normalerweise keine Locs, denn so stellt uns niemand an, oder es verstößt gegen die Kleiderordnung an Schulen usw... Seit Januar 2020 verbietet es das Crown-Gesetz Arbeitergebern, aufgrund von Frisuren zu diskriminieren.

Es war also eine sehr angenehme Überraschung, als Marshall aus der Narkose aufwachte und ihr Haar nicht nur vom Rasierer verschont geblieben waren, sondern dazu auch noch hübsche Zöpfe vorfand. Das erleichterte das Reinigen ihrer Wunden, wodurch die Heilung wiederum sehr viel unkomplizierter verlief. Dazu kommt, dass er Klammern anstelle von Nähten nutzte, so dass sie auch beim Entfernen keine Haare verlieren musste. Anfangs hatte sie angenommen, dass ihr die Krankenschwestern einen Gefallen getan hatten. Sie sagt: „Ich hätte nie gedacht, dass es Dr. Greywoode war.“ Allerdings erfuhr sie bei einem Nachsorgetermin ein paar Wochen später, dass der Chirurg selbst hinter der schützenden Frisur steckte. Sie sagte, dass sie verblüfft war. Seine Aussage, dass er seinen Töchtern beim Frisieren helfe, hallte bei ihr sehr nach.

Greywood sagt gegenüber Yahoo Life, dass sein Talent beim Flechten selbst die Krankenschwestern verblüfft hatte. Er erklärt, dass seine Schwester ihm zwar als Kind beigebracht hatte, Zöpfe zu flechten, sich seine Fähigkeiten aber verbessert haben, seit er Vater ist. Sie haben regelmäßige „Haar-Abende“, an denen er und seine Frau sich dem Waschen, Kämmen und dann dem anschließenden Flechten der Haare ihrer Töchter widmen.

Das Bild der „Haarabende“ mit der ganzen Familie erinnert an den Oscar-prämierten Animations-Kurzfilm „Hair Love“ von Matthew Cherry. In dieser liebevollen Darstellung sieht man einen Schwarzen Vater, der sich Zeit dazu nimmt, zu lernen, die vollen Haare seiner Töchter zu frisieren. „Viele Menschen erwarten nicht, dass viele Väter die Haare ihrer Töchter frisieren“, sagt Greywood. „Ich glaube, es hilft wirklich zu zeigen, dass Väter tatsächlich daran beteiligt sind. Deshalb mache ich es. Ich kann Zeit mit meinen Mädchen verbringen. Ich kümmere mich gern um sie.“

#HairLove ist da! Es ist ein animierter Kurzfilm über einen afroamerikanischen Vater, der zum ersten Mal lernt, wie er die Haare seiner Töchter frisiert. Drehbuch&Regie von mir, Co-Regisseure: @BruceAlmighteee@Mr_Scribbles& stars @IssaRae.

Das berührte Marshall zutiefst. Sie sagt gegenüber Yahoo Life: „Ich bin die älteste von vier Mädchen. Und dass ein Vater sich wirklich am Frisieren der Töchter beteiligt? Das hat mich berührt... Es ist eine einfache Geste, aber mein Haar ist... wichtig und es macht auch sehr viel Arbeit. Wir wissen, was für eine Arbeit es ist, Zöpfe zu machen. Diese einfach Geste von ihm hat mir also gezeigt, dass mein Haar wichtig ist und dass er es auf eine Art bewahren wollte, die mir hilft... das war etwas ganz Besonderes.“

Marshall spricht außerdem über die Verbindung der Sterblichkeitsrate bei Schwarzen Müttern und dass weiße Ärzte oftmals nicht den Symptomen der Patientinnen oder ihren Berichten über Schmerzen glauben. Sie sagt, dass bei ihr so andere ernsthafte gesundheitliche Probleme mehrfach einfach abgetan wurden. Gerade erst in diesem Monat verstarb Sha-Asia Washington, eine 26-jährige Schwarze Frau aus New York während eines Not-Kaiserschnitts. Ihre kleine Tochter Khloe überlebte und wird nun von ihrem Vater Juwan Lopez großgezogen.

Deshalb werde ich Gynäkologin!!! Wir brauchen mehr Schwarze Ärzte, Anwälte und Therapeuten.

Deshalb brauchen wir mehr Schwarze Ärzte, Krankenpfleger- und Schwestern usw. Ich kann es kaum erwarten, Krankenschwester zu sein und ALLES ZU GEBEN für Minderheiten!

Solche Tragödien sind Schwarzen Müttern nicht unbekannt, denn sie haben ein “mindestens drei- bis viermal höheres Risiko als weiße Mütter, bei einer Geburt oder an den Folgen von Komplikationen während der Schwangerschaft zu sterben“, so das Zentrum für Krankheitsbekämpfung und Vorsorge. Die Ursachen wie zum Beispiel Herzkomplikationen, Blutungen, Infektionen und Embolien sind „in der Regel vermeidbar“, werden aber durch „Armut, Mangel an Zugang zu ärztlicher Versorgung und dem Einfluss von institutionellem Rassismus auf die Gesundheitsversorgung noch verschlimmert – von all dem sind Schwarze Frauen überdurchschnittlich häufig betroffen.“

Berichte über die Folgen rassistischer Einstellungen im Gesundheitsweisen reichen bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück, als J. Marion Sims „10 Sklavinnen ohne Betäubung operierte.“ Vanessa Northington Gamble, Professorin an der George Washington Universität, erklärte gegenüber USA Today, dass eine der Frauen – ihr Name war Anarcha – „mindestens 30 extrem schmerzhafte Operationen über sich ergehen lassen musste.“ Nachdem er die Tests zu seinen Methoden an Schwarzen Frauen abgeschlossen hatte, zog Sims nach New York City und eröffnete ein Krankenhaus für Frauen – wo er „weiße Frauen behandelte, aber unter Narkose.“

Ich denke zurück an den weißen männlichen Kinderorthopäden, der das gebrochene Handgelenk meines damals 4-jährigen Sohnes ohne Schmerzmittel behandelte.

"Schwarze Kinder mit starken Schmerzen aufgrund einer akuten Blinddarmentzündung hatten im Vergleich zu weißen Kindern nur ein Fünftel der Chancen, opiumhaltige Schmerzmittel zu erhalten.

Deshalb brauchen wir mehr Schwarze Ärzte, Krankenpfleger, und Führungskräfte im Gesundheitswesen. Dr. Kyle Beasley sollte nicht für die Gesundheit von IRGENDWEM verantwortlich sein.

Das ist inakzeptabel, bitte teilt den Tweet und zeigt ihn an. #SickleCell#KyleBeasley#BlackLivesMatter#BlackHealthMatters

Das ist wirklich ekelhaft und deshalb brauchen wir mehr Schwarzes Pflegepersonal, Hebammen etc. die uns verstehen.

In einer Studie von 2016 kam heraus, dass diese Ansichten leider immer noch vorherrschten. Fast die Hälfte aller Medizinstudenten in den ersten Semestern glaubten, dass „die Haut Schwarzer Menschen dicker sei als die Haut von Weißen.“ Dieselbe Studie ergab auch, dass „Ärzte in der Ausbildung glaubten, dass Schwarze Menschen nicht so schmerzempfindlich seien wie weiße Menschen, und das weiße Menschen häufig Schmerzen von Schwarzen Patienten nicht angemessen behandelten.“ Viele sagen, dass das auch der Grund war, warum Sims seine Schwarzen Patientinnen nicht betäubte.

2018 sprach Serena Williams über ihre eigenen Erfahrungen bei der Geburt ihrer Tochter Olympia, die sehr ähnlich waren. Sie erklärte, dass ihre Herzfrequenz plötzlich abfiel, als sie in den Wehen war. Am nächsten Tag hatten sich Blutgerinnsel in ihrer Lunge gebildet. Aufgrund einer Erkrankung in der Vergangenheit war sie bereits „sehr aufmerksam“ und wusste, dass sie auf diese Symptome achten musste. Allerdings „starb sie fast dabei, als sie versuchte ihre Ärzte davon zu überzeugen, die richtigen Tests durchzuführen.“

Greywood betont, dass das Misstrauen Schwarzer Menschen gegenüber dem Gesundheitswesen absolut verständlich sei. Er erinnert sich an Fälle wie den Von Henrietta Lacks und den Tuskegee-Experimenten und sagt gegenüber Yahoo Life, dass es „allerhöchste Zeit dafür ist“ mehr Schwarze Ärzte auszubilden und ein Bewusstsein dafür zu schaffen „was in dem Land immer wieder passiert“. Laut Verbund für Amerikanische Medizin-Colleges hat eine Umfrage aus dem Jahr 2018 ergeben, dass nur 5 Prozent der praktizierenden Ärzte in den Vereinigten Staaten sich als Schwarz oder Afroamerikanisch identifizierten, während sich 56 Prozent als weiß identifizierten. Im selben Jahr ergab eine Studie an der Universität Stanford, dass der Krankheitsverlauf bei Schwarzen Männern sehr viel positiver war, wenn man ihnen „zufällig“ einen Schwarzen Arzt zuteilte.

Und deshalb brauchen wir mehr Schwarze Ärzte, Krankenpfleger- und Schwestern und Apotheker. Mit dieser Generation muss sich etwas ändern.

Neben vielen weiteren ähnlichen traurigen Beispielen, die von einigen “Apartheid in der Medizin” genannt werden, haben Studien gezeigt, dass „Einzelpersonen, die Rassismus erfahren müssen, höhere Krankheitsraten haben“. Dazu kommt, dass Ungleichheit zwischen den Rassen häufig auf das Verhalten der Einzelnen geschoben wird. Die Forschung schreibt sie jedoch Faktoren wie „sozialer Trennung, Einwanderungspolitik und Wirkungen zwischen den Generationen“ zu. Sie fordern weitere Studien, um „ein umfassendes Bild der vielen Dimensionen des strukturellen Rassismus als fundamentalen Grund für gesundheitliche Ungleichheit zu gewinnen.“

Marshall sagt gegenüber Yahoo Life, dass es „wichtig ist, Menschen zu haben, die sich mit uns identifizieren, und die nicht voreingenommen sind, wenn sie uns sehen. Menschen, die uns glauben, denn das kann Leben retten. Dass einem geglaubt wird und dass man gesehen wird kann tatsächlich den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.“

Greywood stimmt zu und sagt: „Ich denke, das wichtigste ist, dass man – egal ob man Chirurg ist oder Internist oder Lehrer oder welchen Beruf auch immer man hat – nicht vergisst, dass die Person, mit der man zu tun hat, ein echter Mensch ist, ein Familienmitglied anderer. Wenn man Dinge tut, die ganz normal und vernünftig sind, muss man nicht unbedingt mit einer viralen Reaktion rechnen, aber es ist definitiv wichtig, dass man dem Menschen, mit dem man gerade spricht, das Gefühl gibt, gesehen zu werden.

Kamilah Newton