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EZB sollte im Juli mit kleinem Zinsschritt beginnen, sagt Müller

(Bloomberg) -- Die Europäische Zentralbank sollte laut Ratsmitglied Madis Müller an ihrer Absicht festhalten, die Geldpolitik erst einmal nur mit einem Zinsschritt um einen Viertelprozentpunkt zu straffen. Der Chef der estnischen Zentralbank sieht sich daheim der stärksten Inflation in der gesamten Eurozone gegenüber.

Während sich Kollegen aus anderen Ländern des Baltikums dafür ausgesprochen haben, für die erste Zinsanhebung einen Schritt um 50 Basispunkte wenigstens in Erwägung zu ziehen, favorisiert Müller, damit bis September zu warten.

“Angesichts der Inflationsaussichten ist es angemessen, im Juli mit der Anhebung der Zinsen zu beginnen”, sagte Müller am Sonntag im kroatischen Dubrovnik im Interview mit Bloomberg. “Im September sollten wir mit einer weiteren Anhebung um 50 Basispunkte fortfahren.”

Müllers Einschätzung stimmt mit der Sicht der meisten EZB-Entscheider überein. Seine beiden baltische Kollegen hatten sich vergangene Woche dafür ausgesprochen, schon bei der geldpolitischen Entscheidung am 21. Juli einen größeren Zinsschritt zumindest in Erwägung zu ziehen.

Estland hat die höchste Inflation aller Länder der Eurozone: Im vergangenen Monat lag die Teuerungsrate dort bei 22%, gefolgt von Litauen mit 20,5% und Lettland mit 19%. Im Euroraum insgesamt lag das Preisniveau 8,6% über dem Vorjahresstand. Die EZB peilt als Ziel ihrer Geldpolitik Preissteigerungen von lediglich 2% an.

Im Gesamtjahr dürfte die mittlere Inflation in Estland oberhalb von 15% liegen, erklärte Müller, der im EZB-Rat zu den Falken gehört. “Schub kommt besonders von den Energiepreisen, deren Anstiege an den globalen Märkten in unserem Fall sehr schnell an die Verbraucher weitergegeben werden”, erklärte Müller. “Hohe Inflation sehen wir aber auch bei den Lebensmittelpreisen, und die Binnennachfrage ist stark.”

Die Kombination schwachen Wachstums und hoher Inflation nährt im Euroraum die Sorge vor einer Stagflation. Müller teilt diese jedoch nicht. “Für die Wirtschaft des Euroraums ist Stagflation nicht das wahrscheinlichste Szenario”, erklärte er. “Der Wachstumsausblick hat sich in den vergangenen Monaten abgeschwächt. In den kommenden Monaten können wir im Euroraum jedoch weiterhin noch ein gewisses Wirtschaftswachstum erwarten, wobei die Frage der Gasverfügbarkeit ein erhebliches Risiko darstellt.”

Die jüngsten Wirtschaftsprognosen der EZB gehen für 2022 von einem Wachstum von 2,8% und von 2,1% in den beiden folgenden Jahren aus. Die Inflation indessen dürfte in diesem Jahr mehr als das Dreifache des Ziels der Zentralbank betragen, 2023 noch fast das Doppelte und sich erst 2024 dem EZB-Ziel annähern. Diese Ansicht wird teilte Müller.

Estlands Wirtschaftsausblick ähnele laut Müller der übrigen Region, in der das Wachstum unter den Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine leidet.

“Wie in anderen europäischen Ländern werden die Wirtschaftsaussichten durch die große Unsicherheit beeinträchtigt, mit der die Unternehmen aufgrund von Problemen in den Lieferketten und der hohen Inflation konfrontiert sind”, sagte er. “Die Notwendigkeit, die Lieferketten für Energie und andere Rohstoffe neu zu gestalten, übt zusätzlichen Druck auf die europäischen Volkswirtschaften aus. Dies ist mit zusätzlichen Investitionen verbunden und wirkt sich direkt auf die Preise aus.”

Überschrift des Artikels im Original:

ECB Should Start With Quarter-Point Hike in July, Muller Says

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