Filz-Affäre wie beim RBB? Gutachten empfiehlt die sofortige Freistellung des Berliner Messe-Chefs

Die Elektronikmesse IFA gehört zu den bekanntesten Events in den Hallen der Berliner Messe. Deren Chef steht nun vor dem Aus. - Copyright: 	picture alliance / Kontributor
Die Elektronikmesse IFA gehört zu den bekanntesten Events in den Hallen der Berliner Messe. Deren Chef steht nun vor dem Aus. - Copyright: picture alliance / Kontributor

Gerade erst konnte die Berliner Messe eine Erfolgsmeldung verbreiten: Die internationale Elektronikmesse IFA bleibt weitere zehn Jahre in Berlin. "Als eine der führenden Veranstaltungen in der Stadt liefert die IFA einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls", sagte Messe-Chef Martin Ecknig. Vorangegangen war ein monatelanges Kräftemessen zwischen ihm und den Veranstaltern. Für einen Moment sah also alles nach einem Happy End für den Top-Manager aus.

Doch Ecknig hat bei dem landeseigenen Unternehmen keine Zukunft mehr. Nach Informationen von Business Insider hat eine Kanzlei seine sofortige Freistellung empfohlen. Hintergrund: In einem arbeitsrechtlichen Gutachten im Auftrag des Messe-Aufsichtsrats attestieren ihm die Juristen zahlreiche Verfehlungen und Richtlinienverstöße. Dabei beanstanden die Anwälte unter anderem einen kostspieligen Beratervertrag.

In einer Sondersitzung am vergangenen Montag sollen die Mitglieder des Personal- und Präsidialausschusses die brisante Top-Personalie bereits intensiv besprochen haben. Am Dienstag tauchte der Ex-Siemens-Manager laut Aussage mehrerer Mitarbeiter nicht mehr im Büro auf. In der heutigen Aufsichtsratssitzung wird mit einem offiziellen Schlusspunkt gerechnet. Auf Anfrage war der Pressesprecher der Messe Berlin für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Ausgangspunkt für Ecknigs Demission ist eine Enthüllung von Business Insider im vergangenen Juni. Damals berichteten wir über einen Beratervertrag zwischen der Messe Berlin und dem ehemaligen Spiegel-Journalisten Gerhard Spörl, dem Ehemann der damaligen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger. Den Job vermittelte ausgerechnet Messe-Aufsichtsratschef Wolf-Dieter Wolf, der gleichzeitig den Verwaltungsrat des öffentlich-rechtlichen Senders leitete und damit der Chefaufseher von Schlesinger war.

Ex-RBB-Chefin Patricia Schlesinger mit ihrem Ehemann Gerhard Spörl. - Copyright: picture alliance / Eva Oertwig/SCHROEWIG
Ex-RBB-Chefin Patricia Schlesinger mit ihrem Ehemann Gerhard Spörl. - Copyright: picture alliance / Eva Oertwig/SCHROEWIG

Das brisante Beziehungsdreieck steht nicht nur im Zentrum der RBB-Affäre, die Schlesinger zum Rücktritt zwang und Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin auslöste – es führte damals auch zu einer internen Compliance-Untersuchung bei der Messe Berlin. Dabei kamen fragwürdige Details des Spörl-Vertrags ans Licht. Laut internen Unterlagen sollte Schlesingers Ehemann Ecknig als Mediencoach zur Seite stehen und dafür zunächst 72.000 Euro erhalten. Die Beauftragung erfolgte ohne vorherigen Wettbewerb. Intern begründete man das damit, dass Spörl eine Expertise mitbringe, die "so am Markt nicht verfügbar" sei. Es handele sich um die "wirtschaftlichste Alternative", heißt es in den Vergabedokumenten.

Kurios: Noch im August gab die Messe hinsichtlich der Compliance-Ermittlungen Entwarnung. Die Beauftragung von Spörl sei vergaberechtlich sauber gewesen. Dies beteuerte auch der zuständige Wirtschaftssenator von Berlin, Stephan Schwarz (parteilos), der das Land
Berlin im Aufsichtsrat vertritt. Mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen sagen nun aber, diese Darstellung sei unvollständig gewesen. Im Zuge der Compliance-Ermittlungen wurde demnach beanstandet, dass die Messe den Auftragsgegenstand während der Zusammenarbeit mit Spörl abändert hat. Statt um das Medientraining von Ecknig sollte sich der Berater plötzlich um das 200-jährige Jubiläum der Messe kümmern.

Schlesingers Ehemann erhielt für ein "Mediencoaching" einen Auftrag über 72.000 Euro von der Berliner Messe.  - Copyright: Business Insider
Schlesingers Ehemann erhielt für ein "Mediencoaching" einen Auftrag über 72.000 Euro von der Berliner Messe. - Copyright: Business Insider

Von Anfang an war Ecknig als Messe-Chef umstritten. Für Kritik sorgte bereits seine Bestellung zum Geschäftsführer Ende 2020. Wie in der RBB-Affäre spielte Wolf auch bei der Messe eine dubiose Rolle. Demnach war es Wolf, der Ecknig erst zu dem Spitzenjob bei der Berliner Messe verhalf. Dass der in der Messebranche unerfahrene Immobilienexperte das Rennen machte, hatte schon 2020 kritische Fragen aufgeworfen. Nach Informationen von Business Insider hatte die Personalberatung Odgers Berndtson im Auswahlverfahren für den Führungsposten eine Shortlist mit Kandidaten erstellt. Ecknig soll sich damals nicht in der engeren Wahl befunden haben. Daraufhin schaltete sich angeblich der Aufsichtsratschef der Messe und Vorsitzende des Personal- und Präsidialausschusses ein: Wolf-Dieter Wolf. Auf sein Betreiben sollen die Anforderungen an einen künftigen Vorsitzenden der Geschäftsführung angepasst worden sein. Doch die Headhunter betrachteten Ecknig noch immer nicht als passenden Kandidaten. Anders als Wolf, der Ecknig nach einem Bericht des "Tagesspiegels" seit Jahrzehnten kennt.

Schließlich soll der Aufsichtsratsvorsitzende seinen Favoriten selbst auf die Auswahlliste gesetzt haben. Am 11. September 2020 entschied sich der von Wolf geleitete Personal- und Präsidialausschuss für Ecknig als neuen Mann an der Spitze des Unternehmens. Dagegen sollen sich die von der Messe bezahlten Personalberater in einer Protokollnotiz von der Personalentscheidung ausdrücklich distanziert haben. Wolf bekam das Mandat, mit Ecknig die Eckpunkte für einen Anstellungsvertrag auszuhandeln. Danach beschloss der Aufsichtsrat der Messe einstimmig, dem gelernten Industriekaufmann und Immobilienexperten ein Vertragsangebot zu machen.

Ecknig hatte 2020 mit der Berliner Messe ein Jahresgehalt von 330.000 Euro vereinbart, zuzüglich Tantiemen von maximal 160.000 Euro. Diese Beträge sollten sich ab dem zweiten Jahr um jeweils 20.000 Euro erhöhen. Das geht aus einem Aufsichtsratsprotokoll hervor. Damals hatte Wolf hier noch das Sagen, genauso wie beim RBB. Doch Wolf ist mittlerweile als Strippenzieher Geschichte. Während beim RBB die Filz-Affäre ihren Höhepunkt überschritten hat, geht es bei der Messe nun womöglich erst richtig los.