Fitness-Influencer: Wie schädlich sind ihre Fitnessprogramme für die Gesundheit?
Viele Fitness-Influencer bieten ihren Followern auf ihren YouTube-Channels und sozialen Netzwerken eigens entwickelte Sportprogramme an. Nur selten sind diese selbst ernannten Trainer aber ausgebildete Experten in den Bereichen Sport und Ernährung.
Ein aktueller Bericht der Fitness-Zeitschrift „FIT FOR FUN“ geht mit den Fitness-Influencern hart ins Gericht. „Von zehn Beiträgen lässt sich bestenfalls einer finden, der verantwortungsbewusst, mühevoll und nicht grob fahrlässig ist“, erklärt der Trainerausbilder Marco Santoro als einer der vielen Experten, die Tests für das „FIT FOR FUN“-Magazin gemacht haben. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass viele vorgeführte Übungen nicht gut für den Körper seien. Fehler werden besonders häufig bei Kniebeugen und Ausfallschritten gemacht, indem oft der Rücken bei den Übungen mit einknickt, erklärt Santoro dort.
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Wie kommen Fitness-Influencer zu ihrem „Fachwissen“?
Sophia Thiel, die mit 1,3 Millionen Followern die erfolgreichste Fitness-Instagrammerin in Deutschland ist, bietet als eine von vielen ein umfangreiches und kostenpflichtiges Fitnessprogramm an. Auf ihrer Webseite schreibt sie, wie sie als Teenager erst Gewicht zugenommen hatte und dann selbstständig wieder abnahm. „Über Monate beschäftigte ich mich intensiv mit Trainingsprinzipien und Ernährung. In dieser Zeit habe ich mir ein enormes Wissen angeeignet und mein eigenes, optimales Konzept zusammengestellt.“
Im Alleingang erstellte sie für sich damals ihr persönliches Fitnessprogramm– ob heute aber ein richtiger Experte bei dem Sportprodukt, für das sie wirbt, involviert war, wird dabei nicht genannt. Thiel wirbt damit, dass man mit wenigen Sporteinheiten und gesunder Ernährung einfach Gewicht verlieren könne. Auf der Webseite steht aber auch im Kleingedruckten: „Die Ergebnisse unterscheiden sich von Person zu Person, deshalb können wir die auf der Seite angegebenen Ergebnisse nicht für jeden garantieren.“
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Der Diplom-Sportwissenschaftler und Personal Trainer Andreas Heumann sieht bei den Videos der Influencer und selbst ernannten Sport-Profis vor allem ein Problem: „Wenn Menschen eine Übung korrekt vormachen, bedeutet das nicht, dass man sie automatisch korrekt nachmacht. Das funktioniert gut, sofern umfangreiche Bewegungserfahrung vorhanden ist und man ein ausgeprägter visueller Lerntyp ist. Das trifft aber nur auf einen Teil der Menschen zu. Bei den Fitness-Videos gibt es keinen, der einen bei Fehlern korrigiert und Feedback gibt“, erklärt der Fitness-Experte aus Berlin gegenüber Yahoo.
Die vielen Sport-Videos, die im Internet kursieren, sind eher nichts für blutige Anfänger. „Wenn man technisch sicher ist, können solche Videos schon sinnvoll sein“, betont Heumann und schlägt vor: „Man kann auch einen Mix machen– aus den Videos und sich dann einen Personal Trainer holen, der alles Gesehene korrigiert.
Gerade derartige Video-Sportprogramme erfordern eine extrem hohe Selbsteinschätzung, erklärt Heumann weiter. „Die Übungen können noch so gut vorgeführt werden, wenn es kein Feedback gibt, macht man schnell Fehler. Das ist kein Vorwurf an die Fitness-YouTuber, die sich die Infos für ihre Übungen einholen und dann meinen, sie wären fit genug, um es vorzuführen. Es muss korrigierendes Feedback geben, damit das Training erfolgreich sein kann.“
Auch die Verletzungsgefahr ist bei unerfahrenen Sportlern hoch. „Wenn man Fehler beim Training macht, dauert es ja oft eine Weile, bis sich der Körper meldet und dann kann man das auch oft gar nicht mehr nachvollziehen, wer jetzt daran schuld ist.“ Neben der richtigen Selbsteinschätzung des Konsumenten ist beim Video-Training auch der gesunde Menschenverstand gefragt. Heumann unterstreicht dabei: „Manche Hobbysportler überschätzen sich oder sind zu ehrgeizig und verletzen sich dann im schlimmsten Fall und machen diejenigen, die die Sportprogramme anbieten, verantwortlich, wenn was falsch läuft.“
Er rät stattdessen: „Man muss sich bei jedem Sportangebot online fragen: ‚Ist dies das richtige Programm für meine Ziele?‘ Wenn ich das nicht beantworten kann, muss ich einen Experten fragen“, so Heumann. Das kann im besten Fall ein Personal Trainer, Sportwissenschaftler oder Fitnesstrainer sein, oder auch ein Freund mit langjähriger Trainingserfahrung und Sachverstand.
Fitness-Influencer motivieren zum gesunden Lifestyle
Generell ist es nie verkehrt, wenn Influencer in den sozialen Netzwerken ihre Erfolge teilen. Es kann andere Menschen anspornen, selbst aktiv zu werden. Sie beweisen Durchhaltevermögen, einen starken Willen und demonstrieren Disziplin bei Sport und der richtigen Ernährung. Und ein Trainingsplan, wie viele Fitness-Influencer ihn mit ihren kostenpflichtigen Programmen anbieten, ist nur dafür da, um Struktur ins Training zu bringen. „Da ist an sich nichts verkehrt dran“, erklärt Heumann.
Der ausführliche Experten-Test von „FIT FOR FUN“ fällt am Ende aber nicht besonders gut aus. Bei vielen Modellen, die unter die Lupe genommen wurden, sei die richtige Vermarktung oft wichtiger als das fachliche Wissen, heißt es dort.
Der Selbsttest zeigt außerdem: Wer sich die Instagram-Profile seiner sportlichen Vorbilder ansieht, kann die viele Werbung von Powerriegel oder Fitness-Drinks gar nicht übersehen.
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Viele Sport-Fans wollen auf der Welle mitschwimmen
Das Leben als Fitness-Influencer ist ein lukratives Geschäft. Viele Sportfans versuchen – neben „Superstar“ Sophia Thiel oder Pamela Reif – beim ganzen Fitness-Trend auf der Welle mitzuschwimmen. Sie teilen nach eigenen Erfolgserlebnissen auf ihren Profilen fleißig ihr Wissen und persönliche Erfahrungsberichte über Sport und Diäten. Wer Glück hat, kann einen guten Werbedeal an Land ziehen und schon allein mit einem Werbepost in den sozialen Netzwerken viel Geld verdienen. Aber ob diese Personen auch die nötige Kompetenz mit sich bringen, ist fraglich.
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Andere Menschen in sozialen Netzwerken zum Sport zu motivieren, ist generell eine gute Sache, jedoch sollte jeder, der sich für einen gesunden und sportlichen Lifestyle entscheidet, auch den für ihn passenden Sport und bestenfalls einen richtigen Trainer finden.