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Frauen, die uns inspirieren: Der Blog von Wheelymum

Ju versucht, so viel wie möglich mit ihren Kindern zu unternehmen. (Bild: Wheelymum)
Ju versucht, so viel wie möglich mit ihren Kindern zu unternehmen. (Bild: Wheelymum)


Ein Leben mit Kind und Behinderung – das stellen sich noch immer viele Menschen als beschwerlich, wenn nicht gar unmöglich vor. Mit ihrem Blog „Wheelymum” möchte Ju das Gegenteil beweisen: Wie sie mit ihren Texten Mut machen und verstaubte Vorurteile ein für allemal aus den Köpfen bekommen möchte, hat sie Yahoo Deutschland exklusiv erzählt.

Mami-Blogs im Netz gibt es wie Sand am Meer. Auf ihnen erzählen Mütter vom Alltag mit dem Nachwuchs – über die Schwierigkeiten, sich mit Kinderwagen in den Bus drängeln zu müssen, über die verurteilenden Blicke der anderen, wenn das Kind im Supermarkt mal unkontrollierbar schreit, aber auch über die wundervollen Momente, wenn die Kleinen am Ende des Tages friedlich kuscheln möchten.

Ju ist da keine Ausnahme. Nur eine Besonderheit gibt es: Sie sitzt während all dieser Momente im Rollstuhl. Wie sie ihr Leben als Mutter mit einer chronischen Krankheit gestaltet und die kleinen Hürden des Alltags meistert, schreibt sie für ihren Blog auf – hier unter dem Namen „Wheelymum“. „Das Herzthema ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass es auch uns Eltern mit Behinderung gibt. Meistens werden wir nicht wahrgenommen, belächelt oder bevormundet. Das darf nicht sein. Wir sind Eltern wie alle anderen auch.“

Ju ist Anfang 30 und leidet unter einer seltenen neurologischen Erkrankung. Die ersten Symptome traten 2008 auf, seit 2010 ist sie auf einen Rolli angewiesen. Für die junge Frau war die Diagnose jedoch kein Grund, sich selbst, ihre Träume und Vorstellungen vom eigenen Leben aufzugeben. 2013 wurden sie und ihr Mann schwanger – ein unvorstellbares Glück und eine Herausforderung, zu der beide gern bereit waren.

Während ihrer Schwangerschaft musste Ju sich jedoch einige in ihren Augen unerhörte Kommentare von Ärzten anhören – viele warfen ihr vor, sich zu viel zuzumuten und konnten sich partout nicht vorstellen, wie sie als Mutter aufgrund ihrer Krankheit „normal funktionieren“ könne. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass bis heute nur wenige Ärzte Erfahrung mit werdenden Müttern mit körperlichen Einschränkungen haben.

Anderen Frauen in dieser Situation rät Wheelymum daher: „Lasst euch nicht beirren. Vertraut auf euch und euer Gefühl. Niemand weiß, was richtig oder falsch ist. Der Weg ist nicht einfach, aber es geht. Originelle Lösungen, Kreativität, Planung und Einfallsreichtum sind gefragt.“

“Lasst euch nicht berirren”, rät Ju anderen Müttern. (Bild: Wheelymum)
“Lasst euch nicht berirren”, rät Ju anderen Müttern. (Bild: Wheelymum)

Gerade in ihrem näheren Umfeld hat Ju durch diese Einstellung Vorurteile abbauen können. Heute verhalten sich viele Menschen in ihrem Ort offener und sind sensibilisiert für die kleinen Hürden des Alltags, die sie zu meistern hat. Trotzdem ist sie noch immer schockiert darüber, wenn sie von Fremden bevormundet wird, zum Beispiel an einem Tag auf dem Spielplatz: Ihr Sohn spielte im Gebüsch, Ju hatte ihn dabei aus kurzer Entfernung im Blick, als plötzlich eine andere Mutter zu ihm ging und ihn auf den Arm nahm. „Ich war so perplex, ich konnte in diesem Moment gar nichts sagen. Sie nahm ihn und brachte ihn zu mir. Dort stellt sie meinen mittlerweile schreienden Sohn ab und sagte zu ihm: ‚Das ist doch viel zu gefährlich. Du musst schon bei deiner Mama bleiben, sonst kann die nicht mehr alleine mit dir weg.’“

Mit Kindern hat Ju dagegen großartige Erfahrungen gemacht: Bei einem Besuch im Kindergarten ihres heute dreijährigen Sohns interessierten sich die Kleinen für den Rollstuhl, warum sie ihn brauchte, stand hingegen nicht zur Debatte. „Ab und an kam die Erklärung, dass ich ihn habe, weil ich nicht mehr so gut laufen kann. Aber das ‚Nicht-Können’ war kein Thema. Dieser Blickwinkel gefällt mir sehr gut. Wieder etwas, das wir von den Kindern lernen können.“

Wheelymum betont mit ihren Blog-Einträgen, dass sie sich nicht über ihre Krankheit definieren lassen möchte: „Ich bin Mama, Freundin, Frau, Tochter, Schwester, Enkelin, Tante, Erzieherin, Rentnerin, Behinderte, Rollstuhlfahrerin, Hilfesuchende, Hilfeannehmende, Patientin, Kundin, Chaotin, strukturiert und chaotisch, willensstark, anstrengend, naturliebend und noch vieles, vieles mehr.“

Dass sie 90 Prozent ihres Tages im Rollstuhl verbringt, ist nicht die Motivation für ihren Blog. Es geht ihr um die Tatsache, dass Eltern mit Behinderungen auch heutzutage kaum wahrgenommen werden. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, dass es Unterschiede gibt, gilt es zu erkennen, dass es unzählige Gemeinsamkeiten mit anderen Familien gibt. Die Krankheit ist präsent, aber soll nicht ihr Leben bestimmen – dafür kämpft Ju jeden Tag.

In ihrem Leben überwiegen, betont sie, die Liebe und das Miteinander. „Hätten wir Rahmenbedingungen, wie geeignete Hilfsmittel, Assistenz ohne Kampf, viel mehr Barrierefreiheit und weniger Angst und Befangenheit, wäre unser Leben ganz normal. So ist es weitestgehend normal – nur eben mit ein paar Besonderheiten.“