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Geballte Enthemmung: Mit Charlotte Roche auf erotischer Weltreise

ARTE schickt Charlotte Roche für eine sechsteilige Dokureihe auf die Suche nach den skurrilsten Liebesritualen. In Japan war selbst die ausgebuffte "Feuchtgebiete"-Autorin sprachlos.

Als Charlotte Roche 2008 ihren Debütroman "Feuchtgebiete" veröffentlichte, ging ein kollektives Stöhnen durch die deutschen Feuilletons. Einerseits ergötzten sich Kritiker an der nonchalanten Offenheit, mit der die Autorin die sexuellen Praktiken und Vorlieben ihrer Hauptfigur sezierte. Andererseits warf die Explizität von Roches Ausführungen die Frage nach den Grenzen zwischen unbedarftem Erzählen und geschmackloser Groteske auf. Dem Erfolg des Buches tat die Kontroverse keinen Abbruch, landete es doch sogar auf dem ersten Platz der Spiegel-Bestsellerlisten. Roche gilt seither als "Sexpertin". Diesem Ruf wird sie nun auch in "Love Rituals", einem sechsteiligen Dokuformat von ARTE, gerecht, in dessen Rahmen die gebürtige Engländerin die skurrilsten Liebesrituale auf der ganzen Welt erkundet.

Den ersten Halt auf ihrer amourösen Weltreise (Mittwoch, 28. August, 21.35 Uhr) macht Charlotte Roche in Japan. Zur Zeit der Kirschblüte und im Umfeld des Kanamara-Matsuri, eines Festivals für Fruchtbarkeit, erlebt sie die Gegensätze des asiatischen Landes. Einerseits trifft die 41-Jährige auf eine junge Generation, die Liebe ausschließlich im Privaten auslebt. Auf die Frage hin, ob sie denn einen Freund hätten, erntet Roche bei sechs jungen Japanerinnen nur verlegenes Kichern und große Augen. Ein junger Mann klärt sie wenig später auf: "Japaner küssen sich nicht gerne in der Öffentlichkeit und fassen sich nicht vor anderen an."

Die sexuell verklemmte Jugend lutscht Penislollis

Glaubt man Studien, haben junge Japaner immer weniger Sex. Kyoichi Tsuzuki, der Roche auf ihrem Erkundungstrip durch das Land der aufgehenden Sonne begleitet, kann das bestätigen: "Japanische Männer verhalten sich momentan sehr seltsam. Ihre Libido schrumpft." Gemüsejungs werden junge Männer mittlerweile im Volksmund genannt. Sex, insofern er überhaupt stattfindet, wird in den aufwendig dekorierten Fantasiewelten von sogenannten Love-Hotels oder im virtuellen Raum ausgelebt. Besonders obskur wirkt ein neuer Homespeaker, der eine weibliche Figur in Mangaoptik als Hologramm projiziert. Diese umschmeichelt den Nutzer mit Komplimenten und Liebkosungen.

Im Zuge dieser Darstellung einer sexuell seltsam gehemmten Generation sind die Eindrücke des Kanamara-Matsuri-Festes in Kawasaki umso kontrastierender. Auf den Feierlichekteiten, die übersetzt so viel bedeuten wie "Das Festival des eisernen Schwanzes", dominieren Phallussymbole in jegliche Form, Farbe und Größe das Bild. Plötzlich redet ein Priester, den Roche nach der traditionellen Eröffnungszeremonie trifft, über Sex, als wäre es das Natürlichste der Welt. Und inmitten der Parade mit mannsgroßen Holzphalli und vieler junger Menschen, die der geballten Enthemmung frönen, sieht man eine Gruppe von Frauen, die ein Selfie von sich schießen, allesamt mit Penislolli im Mund.

Es sind Erfahrungen, die selbst die vermeintlich ausgebuffte Charlotte Roche aus der Bahn bringen. Am Ende einer aufregenden Reise kommt sie zu dem Fazit: "Mir kommt es so vor, als habe in Japan eine irre Entfremdung stattgefunden." Und doch habe sie, insbesondere in der Person des Priesters eine Progessivität in Richtung eines natürlichen Umgangs mit Sexualität erlebt: "Die Realität ist wild und ungekämmt und voller Schamhaare." Da kommt sie dann doch noch einmal durch, die "Feuchtgebiete"-Autorin.

In den weiteren fünf Ausgaben von "Love Rituals" verschlägt es Charlotte Roche nach Israel (Mittwoch, 28. August, 22.20 Uhr), in die USA (Freitag, 30. August, 23.55 Uhr), nach Kenia (Freitag, 30. August, 00.15 Uhr), Indien (Samstag, 31. August, 22.55 Uhr) und auf die schottischen Orkney-Inseln (Samstag, 31. August, 23.40 Uhr).