Gendermedizin: Frauen haben ein stärkeres Immunsystem als Männer

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Die Immunsysteme von Frauen und Männern funktionieren unterschiedlich. Welche Folgen hat das und warum sollte es die Medizin mehr berücksichtigen?

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Kalt duschen, viel Ingwer-Tee trinken, in die Sauna gehen – was versuchen wir nicht alles, um unser Immunsystem zu stärken, wenn es draußen kälter wird. Was aber viele nicht wissen: Die Immunsysteme von Frauen und Männern funktionieren unterschiedlich.

Männer – das schwächere Geschlecht

Bakterien, Viren, Pilze, Umweltgifte und unzählige Krankheitserreger – all das hält unser Immunsystem von uns fern. Dabei ist diese Körperabwehr ein echter High-Performer: An jedem Tag werden 100 Milliarden Immunzellen produziert, im Darm, der Leber, in der Milz, im Blut und in den Lymphknoten. Eine 60 Kilogramm schwere Frau hat circa 1,5 Billionen Immunzellen, insgesamt wiegen diese Zellen ein ganzes Kilo. Fünf Prozent unserer Zellen wendet unser Körper also nur für die Verteidigung auf.

Die Arbeit unseres Immunsystems ist sehr komplex. Bei einer Sache ist sich die Wissenschaft aber mittlerweile sicher: Männer haben ein schwächeres Immunsystem als Frauen. Der Grund: Weil viele wichtige Gene für die Immunabwehr nur auf dem X-Chrom liegen, sind Menschen mit zwei X-Chromosomen im Vorteil – Frauen also. Frauen infizieren sich nicht so schnell wie Männer und sind resistenter gegen Krankheiten.

Auch Hormone mischen mit

Doch nicht nur wegen ihrer Gene sind Männer in puncto Immunabwehr im Nachteil: Das Hormon Testosteron, von dem Männer deutlich mehr im Blut haben als Frauen, kann das Immunsystem ausbremsen und manchmal sogar die Abwehr komplett unterdrücken. Die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron unterstützen hingegen die Bildung von bestimmten Antikörpern.

Denkt man das weiter, müsste sich das weibliche Immunsystem auch mit dem Menstruationszyklus verändern – schließlich schwanken die Hormone in jeder Phase unseres Zyklus. Dieser Bereich ist aber noch wenig erforscht. Forschende sind sich aber sicher, dass Frauen nach der Menopause durch die hormonelle Umstellung ein schwächeres Immunsystem haben.

Ist Männerschnupfen real?

Wenn wir also das nächste Mal unseren Partner wegen seines Männerschnupfens belächeln, sollten wir das im Kopf haben: Oft ist zum Beispiel eine Grippe für Männer tatsächlich gefährlicher, weil ihr schwächeres Immunsystem nicht so hart dagegen vorgehen kann. Männer sind außerdem anfälliger für eine ganze Reihe von chronischen Infektionen wie Hepatitis B.

Die doppelte Dosis an Immun-Genen bringt aber auch Frauen nicht nur Vorteile: Laut Forscher*innen haben sie öfter Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto, Lupus oder Multiple Sklerose. In solchen Fällen ist das Immunsystem falsch „programmiert“ und richtet sich gegen den eigenen Körper. Außerdem tauchen bei Frauen häufiger Nebenwirkungen auf – zum Beispiel bei Impfstoffen. Während der Pandemie litten Frauen mehr als doppelt so häufig unter Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung wie Männer. Gleichzeitig hatten sie aber auch einen besseren Impfschutz, wie die Kontrolle der Antikörper-Titer zeigte.

Obwohl es also wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Immunsysteme von Männern und Frauen unterschiedlich funktionieren, wird das bei der Behandlung von Krankheiten kaum berücksichtigt. Müsste man Männern zum Beispiel bei Medikamenten nicht eine höhere Dosis verschreiben als Frauen? Oder würde bei Frauen eine geringere Impfdosis schon ausreichen? Hier muss im Bereich Gendermedizin noch einiges passieren …