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Geschlechterunterschiede bei Corona-Infektionen: Ein Versäumnis der Forschung

Forscher kritisieren, dass klinische Studien zum Coronavirus nur selten eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern machen. Dabei variieren die Auswirkungen des Virus je nach Geschlecht enorm.

Young team during coronavirus lab tests. Wearing protective masks and caps
Am Coronavirus wird fleißig geforscht - ein Aspekt wird dabei allerdings zu oft außer Acht gelassen (Symbolbild: Getty Images)

Zwar halten sich die Infektionszahlen bei Männern und Frauen etwa die Waage, doch die Schwere des Verlaufs schwankt extrem. Weltweit kommen auf jede Frau, die wegen Covid-19 auf der Intensivstation behandelt werden muss, 18 Männer, bei denen dies der Fall ist. Und auf zehn Todesfälle von Frauen kommen 15 von Männern.

Dies sollten auch die zahlreichen Studien und Untersuchungen zum Thema Corona reflektieren, doch wie eine im Magazin "Nature Communications" veröffentlichte Auswertung zeigte, ist das nur selten der Fall. Von 45 klinischen Studien, die bis Dezember 2020 fertiggestellt wurden, berichteten nur acht über Geschlechterunterschiede.

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Selbst bei großangelegten Studien wurde dies häufig versäumt. Die Tests zu den Impfstoffen von Pfizer/BionTech und Moderna prüften zwar, ob die Stoffe bei Männern und Frauen gleichermaßen wirkungsvoll seien. Allerdings wurden bei keinem von beiden bei den Nebenwirkungen nach Geschlechtern unterschieden.

Wissenschaftler nennen Versäumnis "potentiell gefährlich"

Prof. Dr. Sabine Oertelt-Prigione, die die Untersuchung leitete, zeigte sich enttäuscht von dem Ergebnis. "Ich hätte gedacht, dass Geschlecht bei Studien berücksichtigt würde, einfach weil es so ein offensichtliches Puzzleteil ist", wird sie vom "Science Magazine" zitiert. Dies zu übergehen, sei potentiell sogar gefährlich, da Medikamente Frauen und Männer ebenfalls unterschiedlich beeinflussen würden. Außerdem würden so wichtige Erkenntnisse über das Virus und die Krankheit, die es auslöst, übersehen.

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Aktuell ist es Studienleitern selbst überlassen, ob sie Geschlecht in ihren Analysen berücksichtigen, wie Epidemiologin Emily Smith dem "Science Magazine" sagte. Doch "vielleicht könnte ein Eingreifen auf System-Ebene helfen". Würden beispielsweise die Agenturen, die jene Studien finanzieren Geschlechterunterscheidungen vorschreiben, wäre dies für Forscher ein großer Anreiz.

Die Corona-Pandemie hat die markante Abwesenheit von Geschlechterunterschieden in medizinischer Forschung jedenfalls wieder auf den Tisch gebracht. Womöglich ziehen Wissenschaftler auch ohne finanziellen Druck ihre Konsequenzen.

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