Glitzerhaar statt Dosenbier - das Coachella Festival

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Ich öffne meinen Instagram Feed und sehe: Geflochtene Taillengürtel, geflochtenes und gelocktes, “beachy-wavy-trendy” Haar mit ein paar bunten Strähnen und vor allem: Glitzer.
Glitzer auf Augenbrauen, Wimpern, Lippen, Klamotten, dem ganzen Gesicht - egal. Hauptsache, es…achtung: glitzert.

Frei nach dem Motto: “Wenn etwas scheiße ist, streu Glitzer drauf” hat sich die A- bis Z-Promi Palette - zu denen mittlerweile ja auch Blogger gehören (und mit Blogger meinen wir Instagram Sternchen, die zeigen, wie schön sie sich schminken können) wohl gedacht und es durchgezogen - passend zum Bling-Bling-Lifestyle und Festival.

Ich erinnere mich noch an mein erstes Festival - und insgesamt war ich nur auf 3: Dosenbier, zerrissene und verdreckte Schuhe, irgendwo auf Wiesen rumsitzen und zu fettige Pommes essen, während man froh sein kann, sein Tshirt zum 3. mal in Folge zu tragen, weil man es nachts raushängt. Die Gemeinschaftsduschen haben mir mehr über den weibliche Körper beigebracht als 7 Jahre Biologie in der Schule und bei jedem Schritt Staub und Zigarettenrau(s)ch einatmen war an der Tagesordnung.
Trockenshampoo war mein bester Freund und ich fand super, dass die Wimperntusche zwei Tage lang hielt, was nur daran lag, dass ich nicht meine komplette Gesichtspflege mitgeschleppt habe.

Und jetzt scrolle ich morgens in Berlin, was mir durch die Bilder grau und langweilig vorkommt, durch meinen individuell zusammengestellten Feed, der irgendwie doch nach Mainstream aussieht: Ein Riesenrad, perfekt gestylte Menschen mit den teuersten Sachen und Hyper-Detox-Kokosnuss-Matcha-alkoholfrei-Bier - und das ist jetzt das, was ein Musikfestival sein soll?

Sind Festivals eigentlich genau dafür da, um zum Ursprung zurückzukommen - und nein, damit meinen ich nicht, das Rad neu erfinden - aber es sollte um die Musik gehen. Man geht nicht nur auf ein Konzert um eine Band zu sehen, sondern man kann direkt mehrere seiner Lieblingsbands sehen. Seitdem Festivalbesuche aber Trend geworden sind, weiß ich überhaupt nicht, welches Line Up einen auf dem Coachella oder Lollapalooza erwartet: denn alles, was ich sehe, sind geöffnete Frontcameras mit zu irgendwem tanzenden Blogger und VIP’S, die die neueste Gucci Tasche ins Bild schwenken und “lipsyncen”, was das Zeug hält.

Die Musik wird nicht mehr gefühlt, indem man aus vollstem Halse mitbrüllt, die Augen geschlossen, die Hände nach oben, die Beine in den Wolken oder irgendwo, egal, tanzen, tanzen, tanzen! - Nein.
Die Musik wird gefühlt “because I’m feeling myself”, was bedeutet, dass das Make-Up sitzt und die Plastikdiademe und 200 Goldkettchen im Sunseeeet mit der tollsten View everrrrr blinken.
Wichtig ist, wer da ist - nein, nicht die Musik. Sondern welcher Promi.Festivals sind die Fashionweek 2.0, wo nicht mehr Musik zählt - oder Mode - sondern nur, wer da eigentlich sitzt, ist, isst, steht, sehen und gesehen werden, überrollt von der Selbstdarstellung der Leute, die dafür gefeiert werden, sich jeden Tag zu zeigen.

Und die Leute, die dort hinwollen, wollen nicht dort hin, weil sie hinwollen - sondern weil sie zu wollen haben, weil das Internet und dein Lieblings-Sapchatter/Youtuber/Instagrammer dir sagt, dass es total hip ist, dort zu sein, überschminkt und überstyled, in einer Reihe laufend posend für Instagram, damit alle sehen, was für einen Fun Fun Fun es dort macht, denn wenn du da bist, bist du cool - und was gibt es wichtigeres als Coolness?

Leider nein, leider gar nicht. Für weniger Glitzer und mehr Dosenbier oder gerne beides, wenn es doch bitte wieder um die geht, um die es gehen sollte: Musiker. Musik. Genuss. Einfach mal sein anstatt jemand sein wollen.