Grundschullehrerin führt „Keine Hausaufgaben-Regel“ ein: Schüler brauchen mehr Zeit mit der Familie
Eltern und Kinder verbringen immer mehr Zeit mit Sport, Nachhilfestunden und außerschulischen Aktivitäten. Eine texanische Lehrerin glaubt, dass dabei nur noch wenig Zeit für die Familie bleibt. Deshalb entschied sie sich, den Schülern eine Sache abzunehmen: die Hausaufgaben.
„Leute sind so hin- und hergerissen und werden in 90 Richtungen geworfen – sie brauchen Zeit für einander und zum Entspannen“, erklärt Richelle Terry, die Lehrerin an der Evadale Grundschule ist, gegenüber Yahoo Lifestyle. „Ich möchte ihnen Zeit geben, um Kind zu sein. Kinder sollen Kinder sein. Familienzeit ist das, was sie brauchen.”
Laut dem Lokalsender 12News erlaubt eine Vorschrift des unabhängigen Evadale Schulbezirks, dass Lehrer ihre eigenen Lehrpläne aufstellen. Einzige Bedingung: Die Schüler müssen die erforderlichen Lernziele für die jeweilige Klassenstufe erreichen.
Lehrerin ist selbst Mutter
Abgesehen von ihrem Job als Mathelehrerin für die zweite und dritte Klasse ist Terry, 27, selbst Mutter von drei „aktiven“ Jungen. Sie weiß also aus erster Hand, wie stressig Hausaufgaben für alle beteiligten Parteien sein können.
„Sie wollen einfach nur zu Hause sein und Jungs sein und draußen spielen. Wir hatten in den vergangenen Jahren Hausaufgaben und die haben uns einfach nur ausgelaugt“, sagt Terry. „Wir sind frustriert, wenn wir ins Bett gehen, verärgert und erschöpft.“
Als Terry also vom Kindergarten zur zweiten und dritten Klasse wechselte, entschied sie sich, im Schuljahr 2019/20 ihre „Keine Hausaufgaben-Regel“ weiterzuführen. Ihre Schüler sollten mehr Zeit zum Spielen und Entspannen mit ihren Familien haben.
Verweis auf Studien
„Ich glaube einfach, wir sollten die Schule Schule sein lassen und daheim daheim – wenn wir die beiden trennen, dann haben sie am Ende des Tages Energie getankt und sind bereit für den nächsten Tag“, sagt Terry. Sie fügt auch hinzu, dass nur wenige Studien einen positiven Lerneffekt von Hausaufgaben belegen. Sie verweist darauf, dass Finnland bessere Testergebnisse und höheren Abiturraten vorzuweisen hat – ein Land, in dem es nur wenige bis gar keine Hausaufgaben gibt.
Terry glaubt, sie könne ihren Schülern durch gute Planung und Arbeitsblätter im Unterricht alles beibringen, was sie wissen müssen. Außerdem werden laut ihr die neu eingeführten Übungszeiten der Schule den Schülern ausreichend Zeit lassen, um nicht fertiggestellte Übungen aus dem Unterricht zu erledigen. Auch wenn Terry in diesem Schuljahr keine Hausaufgaben aufgibt, beobachtet sie nach eigener Aussage den Fortschritt ihrer Schüler im Laufe des Semesters trotzdem ganz genau.
Kollegen stehen hinter ihr
Natürlich sind Terrys Schüler von der Aussicht auf keine Hausaufgaben begeistert. Aber sie sagt, dass auch viele ihrer Kollegen ihren ungewöhnlichen Lehransatz durchaus unterstützen. Der Präsident des Evadale-ISD-Trägervereins, Jim Love, steht hinter ihrer Idee – er meint: „Hausaufgaben haben keinen Nutzen mehr.“
„Er stimmt mir voll und ganz zu und glaubt, dass dies eine tolle Möglichkeit ist, um die Kids für das Lernen zu begeistern“, erzählt Terry Yahoo Lifestyle. Yahoo Lifestyle hat den Evadale-ISD-Vorstands-Präsidenten für eine Stellungnahme kontaktiert, jedoch noch keine Antwort erhalten.
Kritik im Netz
Aber im Internet sind die Eltern über Terrys “Keine Hausaufgaben-Regel” geteilter Meinung. Manche Internet-Nutzer glauben, es könnte ihren Schülern langfristig schaden, wenn sie keine Arbeit für zuhause haben. „Die meisten Kinder haben heutzutage keine Disziplin und Zielstrebigkeit, weder zu Hause noch in der Schule“, kommentierte jemand auf Facebook. „Hören Sie auf, Ausreden für sie zu suchen und seien Sie eine echte Lehrerin. Erfolg stellt sich nicht ein, wenn man die Hände in die Taschen steckt.“
„Das ist eine tolle Idee – bis sie ans College kommen und nie in ihrem Leben gelernt haben, pünktlich ihre Hausaufgaben zu machen, sie wissen nicht, wie man lernt. Im College dreht sich mit Ausnahme von Laborstunden alles um ‚Hausaufgaben‘ und Vorlesungen“, fügte jemand anderes auf Facebook hinzu.
Andere wiederum betonten, dass das Weglassen der Hausaufgaben nicht zwingend zu mehr Familienzeit führen muss.
„Kinder sind so mit Sport, Tanzstunden und Gymnastik beschäftigt und verbringen jede freie Minute mit Videospielen und am Bildschirm“, schrieb jemand auf Facebook. „Familien sind zu beschäftigt und jeder macht etwas anderes. Keine Hausaufgaben bedeutet einfach Zeit für noch eine Tanzstunde oder noch ein Videospiel.“
“Konzept nimmt Stress”
Obwohl viele ihrer „Keine Hausaufgaben”-Regel skeptisch gegenüber standen, lobten andere User Terry dafür, dass sie den Wert von Familienzeit erkannt hatte und einen alternativen Ansatz versucht, um ihren Schülern etwas beizubringen. „Ich finde, sie verbringen sehr viel Zeit in der Schule. Wenn sie nach Hause kommen, sollten sie Zeit für die Familie haben“, kommentierte jemand auf Facebook.
Ein anderer User fügte hinzu, dass es auch das Leben von Eltern erleichtert, da diese möglicherweise nicht über das Wissen verfügen, um ihren Kindern bei den Hausaufgaben helfen zu können. „Ich mag dieses Konzept, weil es den Stress wegnimmt und sie können einen Experten fragen, anstatt sich auf ihre Eltern zu verlassen, die die Antworten vielleicht nicht kennen.“
“Lernen bedeutet mehr als nur Schule”
Aber ihre Schüler können durch das Wegfallen der Hausaufgaben nicht nur mehr Zeit mit ihren Liebsten verbringen. Terry sagt auch, dass sie dadurch mehr Möglichkeiten haben, zu Hause Dinge zu lernen, die man nicht in der Schule lernt.
„Etwas zu lernen bedeutet so viel mehr als nur Schule. Wir müssen lernen, gute Menschen zu sein und lernen, Verantwortung zu übernehmen und uns um unser Zuhause zu kümmern und andere zu lieben und gut zu behandeln“, erklärt Terry.
„Wenn sie der Schule wegen zur Schule gehen und auch zu Hause die Schule dominiert, dann haben sie keine Zeit, irgendetwas anderes zu lernen.“
Paulina Cachero
Video: Schulanfang in den USA: Eltern greifen zum schusssicheren Schulranzen