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Hamburger schmeißt 300.000-Euro-Job, um sein Feierabend-Startup groß zu machen

Verdiente als Entwickler beim Payment-Dienst Stripe viel Geld, baut jetzt sein eigenes Fintech auf: Parqet-Gründer Sumit Kumar. - Copyright: Parqet
Verdiente als Entwickler beim Payment-Dienst Stripe viel Geld, baut jetzt sein eigenes Fintech auf: Parqet-Gründer Sumit Kumar. - Copyright: Parqet

Als Sumit Kumar (34) die ersten Codezeilen für sein Finanz-Tool Parqet schrieb, ahnte er noch nicht, dass er dafür bald seinen Traumjob kündigen würde. Im Januar 2020 war das, Corona war noch keine Pandemie, der Handel mit Aktien und ETFs für viele Menschen jenseits ihrer Vorstellung.

Nicht so für Kumar: Der Programmierer aus Hamburg legte bereits jeden Monat mehrere tausend Euro von seinem Gehalt an der Börse an. Auf 31 Aktien, 15 Fonds und drei Bankdepots hatte sich sein Vermögen über die Jahre verteilt. „Das wurde irgendwann zum Problem“, erzählt Kumar im Gespräch mit Gründerszene. Ständig habe er sich in verschiedene Konten einloggen müssen, um einen Überblick über seine Depotbestände zu bekommen. Etwa: Was waren seine Tesla-Aktien aktuell wert? Wie entwickelten sich die Sparpläne auf ETFs wie dem MSCI World? Wo bestand Optimierungsbedarf?

Fragen, die ihm auch die rudimentären Oberflächen der Banken nicht zufriedenstellend beantworten konnten. Anschauliche Diagramme und Tabellen? Gab es nicht. Alternativen wie Excel? Waren für den Familienvater keine Option. „Ich wollte etwas digitales, hochautomatisiert, abrufbar im Web und auf dem Handy“, sagt Kumar. Also setzte er sich nach Feierabend hin – und baute das Tool einfach selbst.

Viel Resonanz dank Aktien-Boom

Heute ist Sumit Kumar einer von rund 145.000 Nutzern, die Parqet nach seinen Angaben für ihre Vermögensverwaltung verwenden. Durch den Run auf Aktien mit Beginn der Corona-Pandemie stieß das Finanz-Tool in den zurückliegenden zwei Jahren auf viel Resonanz. Für Kumar hat das noch weitere Gründe: Viele junge Menschen hätten sich erstmals mit dem Thema Altersvorsorge beschäftigt. Gleichzeitig habe es einen hohen Wettbewerb unter Neobrokern wie Trade Republic oder Scalable Capital gegeben, wodurch viele Anleger Depots bei mehreren Anbietern eröffnet hätten.

Für sie war Parqet als „All-in-one“-Tool sozusagen die ideale Ergänzung. Anleger können ihre Depots zusammenführen, herausfinden, wie sich ihr Portfolio im Vergleich zum Dax schlägt, wo Klumpenrisiken lauern oder wann die nächste Dividende auf dem Konto eingeht. Auch über Marktbewegungen, etwa welche Aktien bei anderen Nutzern gerade hoch im Kurs stehen, informiert das Programm.

Um ihr Depot analysieren zu lassen, müssen Nutzer lediglich die Orderbelege aus dem Postfach ihrer Bank einmalig und gesammelt hochladen. Ein Algorithmus liest die Belege anschließend aus – und erstellt daraus eine Portfolioübersicht bestehend aus Tortendiagrammen, Charts und Tabellen. Für Nutzer von Parqet ist eine Basisversion mit beschränktem Funktionsumfang kostenlos. Wer mehr Depots und tiefere Analysen abbilden möchte, zahlt zwischen 7,99 und 29,99 Euro im Monat.

Drei Millionen Pageviews, 38.000 Euro Monatsumsatz

Ein Feierabend-Projekt ist Parqet für Gründer Sumit Kumar nicht mehr. „Anfangs habe ich noch jeden Abend bis zirka ein Uhr nachts allein an dem Tool gearbeitet, jetzt arbeiten zehn Leute in Voll- und Teilzeit daran“, sagt der Hamburger. Kumar hat inzwischen eine GmbH gegründet und kürzlich sogar seine Stelle als Entwickler beim Milliarden-Fintech Stripe gekündigt, um sich ganz seiner Firma widmen zu können. Dafür verzichtete er nach eigener Aussage auf ein Jahresgehalt von 300.000 Euro – Aktienoptionen mitgerechnet.

Für den Familienvater ein starker Einschnitt: „Wir verzichten nun erstmal auf Urlaube, wollen mehr Zuhause kochen und generell besser auf unsere Ausgaben achten.“ Auch seine Aktieninvestments von zuvor mehreren tausend Euro im Monat habe er deutlich zurückgefahren. Er ist dennoch überzeugt, dass seine Kündigung richtig war. Er hat große Pläne: „In fünf Jahren wird Parqet ein international agierender Softwareanbieter im Bereich der Vermögensverwaltung sein“, ist Kumar überzeugt.

Die Richtung scheint jedenfalls zu stimmen. Glaubt man den Zahlen, die Kumar regelmäßig auf seinem Twitter-Account teilt, verzeichnet Parqet gut zwei Jahre nach dem Launch bereits 3,5 Millionen Pageviews pro Monat. Auch seine Umsätze macht der Gründer öffentlich. Der sogenannte MRR, also der monatlich wiederkehrende Umsatz, liege bei rund 38.000 Euro. Bis Jahresende, so Kumars Prognose, könne dieser Wert auf bis zu 50.000 Euro steigen. Die Bezahlbereitschaft der Parqet-Nutzer sei hoch. Die Conversion Rate – also der prozentuale Anteil derer, die sich später für ein kostenpflichtiges Abo entscheiden – liege bei etwa 15 Prozent. Für eine Finanzsoftware ein ordentlicher Wert.

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Konkurrenzlos ist Parqet allerdings nicht. Der Analyse von Aktiendepots haben sich auch andere Fintechs verschrieben, die dazu mit deutlich mehr Kapital ausgestattet sind. Getquin ist beispielsweise ein solcher Anbieter: Das Berliner Unternehmen bringt es bislang auf Investitionen in Höhe von knapp 16 Millionen Euro. Zu den Investoren zählen unter anderem N26-Gründer Maximilian Tayenthal und der Finanzdienstleister Sino, der bereits den Neobroker Trade Republic groß machte.

Parqet wiederum finanziert sich ausschließlich aus eigenen Mitteln. „Wir sind Cashflow-positiv und bootstrappen bis heute“, erklärt Kumar. Anfragen von Investoren habe er bislang durchweg abgelehnt. Einen Wettbewerbsnachteil sieht er darin nicht: „Natürlich wächst das Unternehmen so deutlich langsamer, weil wir zum Beispiel keine großen Marketing-Kampagnen fahren können. Aber dadurch fällt es uns auch leichter, wirtschaftliche Krisenzeiten zu überstehen.“ Während also hochfinanzierte Fintechs wie Trade Republic zuletzt viele Beschäftigte entlassen mussten und auf Druck von Investoren auf Profitabilität getrimmt werden, kann Parqet nahezu ungestört weiter wachsen. Nur eben im Kleinen: „Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass uns übermorgen das Geld ausgeht“, so Kumar.

Und es gibt noch etwas, das sein Unternehmen anderen Fintechs voraushat: Es muss seine Software nicht zwingend bewerben. Finanzfluencer wie Thomas Kehl vom bekannten Youtube-Kanal „Finanzfluss“ (1,02 Millionen Abonnenten) nutzen Parqet beispielsweise, um Depots von Usern via Livestream zu besprechen. Auch Lisa Osada, die bei Instagram unter dem Pseudonym „Aktiengram“ (65.000 Follower) über Geldanlage und Vermögensaufbau aufklärt, nutzt das Finanztool für ihr eigenes Depot. Beide bescheren Parqet so einen kontinuierlichen Zulauf an Neukunden – und das kostenlos.

Kein Wunder, dass Social Media und Weiterempfehlungen die bislang wichtigsten Trafficquellen für das Fintech sind. Das könnte sich demnächst jedoch ändern: Erstmals in der knapp zweieinhalbjährigen Firmengeschichte plant Gründer Sumit Kumar eigenes Geld ins Marketing zu investieren. Dafür reichten die Gewinne der Firma inzwischen aus. Geplant seien unter anderem Suchanzeigen bei Google. Das könnte Parqet einer noch breiteren Gruppe von Menschen bekannt machen – was wiederum auch bei Investoren neues Interesse wecken könnte. Eine Finanzierungsrunde schließe er jedenfalls nicht mehr aus, wie Kumar betont: „Ich bin laufend in Gesprächen. Optionen gäbe es genug.“