Heil appelliert im Kampf gegen Arbeitskräftemangel auch an Eltern
Im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel appelliert Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auch an die Eltern potenzieller Azubis. Inzwischen mache die Hälfte eines Jahrgangs Abitur und oft drängten Eltern die Kinder danach zum Studieren, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) vom Wochenende. "Etliche brechen ab. Das muss nicht sein." Gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will Heil zudem demnächst in Brasilien Pflegekräfte anwerben.
Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, hatte kürzlich Jugendliche zu einer Ausbildung im Handwerk ermutigt - dort seien derzeit noch knapp 40.000 Ausbildungsstellen unbesetzt. Besonders groß ist der Bedarf bei den Klimaberufen, also etwa bei Heizung-Sanitär-Klima, bei Elektroinstallateuren und generell am Bau.
Heil warnte vor diesem Hintergrund in der "Bild am Sonntag" vor Problemen ohne das Handwerk. "Handwerkermangel ist eine Wachstumsbremse. Ohne Handwerk schaffen wir die Energiewende nicht", sagte er. Für eine Stärkung des Handwerks sei es nötig, "dass die Länder konsequent ab der fünften Klasse Berufsorientierung anbieten, am besten mit einem jährlichen Praktikum".
Der Chef der IG Metall, Jörg Hofmann, forderte in der Zeitung ein "Recht auf eine zweite Berufsausbildung". Der Quereinstieg müsse flexibler werden und der Staat müsse eine zweite Ausbildung "mit einem vernünftigen Qualifizierungsgeld" fördern, damit sich das auch Menschen mit Familie leisten könnten.
Hofmann nannte als Beispiel für einen Wechsel die Autoindustrie. Dort fielen künftig wegen des Umstiegs auf Elektromobilität viele Jobs weg, vor allem von gelernten Industriemechanikern. "Deren Kompetenzen sind relativ nah an einem Installateur für Heizungs- und Sanitäranlagen", sagte er der "BamS". Bei der Ausbildung dieser Leute "reichen ein bis zwei Jahre".
Arbeitsminister Heil kündigte unterdessen gemeinsam mit der Wirtschaft eine Strategie zur Anwerbung von Arbeitskräften in Ländern an, "in denen es mehr junge und gut ausgebildete Menschen gibt, als der dortige Arbeitsmarkt aufnehmen kann". Dazu werde er im Juni gemeinsam mit Baerbock nach Brasilien reisen, sagte er der "NOZ", denn dort sei das Arbeitskräftepotenzial im Pflegebereich sehr groß. Darüber hinaus gebe es Absprachen mit Indonesien und Mexiko.
Heil sagte, die Regierung werde dabei "sehr sensibel vorgehen, damit wir keinem Land die Arbeitskräfte nehmen, die es selber braucht". Außerdem profitiere auch das Herkunftsland, etwa vom Engagement in der Ausbildung vor Ort.
Patientenschützer Eugen Brysch äußerte sich hingegen kritisch zu den Plänen, im Ausland anzuwerben und erklärte, der Mangel an Pflegekräften sei "zu allererst ein innerdeutsches Problem". Die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und 60 Prozent der Ausgestiegenen "könnten sich eine Rückkehr in den Beruf beziehungsweise ein Aufstocken der Stunden vorstellen, falls sich die Arbeitsbedingungen bessern". Jedoch sei die Planbarkeit der Arbeitszeiten ein großes Problem. "Das werden auch die wenigen zusätzlichen hundert brasilianischen Pflegerinnen und Pfleger nicht lösen."
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