Heiliges Haar und ayurvedische Pflege: Die Schönheitstricks der Inderinnen

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Eine ayurvdische Öl-Behandlung verwöhnt Körper und Geist. Die Philosophie dahinter: „Verwende nichts für deine Haare und Haut, was du nicht essen würdest.“ Foto: Claudio Beduschi/AGF/UIG via Getty Images

Wenn es Frauen gibt, die den Titel für die schönste Haarpracht verdient hätten, dann stünden an erster Stelle die Inderinnen. Sie sind mit seidig-dichtem, ebenholzfarbenem, oft hüftlangem Haar gesegnet, das noch dazu erst sehr spät ergraut. Haben sie das allein der Genetik zu verdanken? Keinesfalls. Inderinnen integrieren seit Jahrtausenden einfache Beautytricks in ihren Alltag.

Von Ljuba Namoniva

Fast jeden Tag benutzen wir ein Wort, das eigentlich aus Indien stammt. „Shampoo“ ist Hindi und die Bezeichnung für eine Kopfmassage mit Pflanzenölen und -pulvern, wie sie seit Jahrhunderten in Indien praktiziert wird. Dabei wird ein bis zwei Mal in der Woche erhitztes Kokosöl in die Kopfhaut einmassiert und bis in die Spitzen eingearbeitet. Die Massage soll die Haare stärken, Haarausfall vorbeugen, das Wachstum ankurbeln und die Haare vor dem Ergrauen schützen.

Priyanka Copra, die 2000 zur Miss World gekürt wurde, erinnert sich: „Meine Oma machte diese Prozedur bei mir und ich habe es gehasst, weil mein Haar sich so fettig anfühlte und ich das Öl in den Zöpfen für eine Stunde, manchmal sogar nachts, einwirken lassen musste. Aber heute bin ich ihr dankbar dafür. Es ist ganz sicher eines meiner Geheimnisse.“ Die „fetten“ Zeiten sind für sie auch heute noch nicht vorbei: Chopra ist das erste nicht-europäische Werbegesicht einer beliebten Shampoo-Marke. Auch Shah Rukh Khan, Bollywoods berühmtester männlicher Schauspieler, liebt es natürlich. „Ich benutze nur Wasser. Ich nehme kein Shampoo und nichts Künstliches“, verriet er einer indischen Zeitung. „Ich öffne nur den Wasserhahn und dusche kalt.“

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Khan und die indische Schauspielerin Kajol bei einer Filmpremiere. Foto: www.bollywoodhungama.com

Handel mit Haaren

Das seidige Haar indischer Frauen ist aber nicht nur bei Männern heiß begehrt. Frauen lieben es umso mehr. In den letzten Jahrzehnten ist die Nachfrage nach Extensions und Perücken rasant gestiegen. Heute ist Indien der größte Echthaar-Exporteur der Welt. Viele Inderinnen lassen sich in Tempeln den Kopf scheren um den Göttern Dankbarkeit und Demut zu zeigen, zum Beispiel für eine überstandene Krankheit. Nicht alle wissen, dass ihr Haar später verkauft, verarbeitet und die Köpfe europäischer und afrikanischer Frauen zieren wird. Der größte Tempel dieser Art, in Andrha Pradesh, erzielt damit einen Jahresumsatz von stolzen 250 Millionen Euro.

Kräuter statt Shampoo

Besonders gefragt ist „Virgin Hair“. Das ist Kopfhaar, welches nie gefärbt oder chemisch behandelt wurde und nur mit Seife und natürlichen Ölen in Berührung kam. In ländlichen Gebieten benutzen tatsächlich wenige Inder Shampoo in der Form, wie wir es kennen. Stattdessen werden aus getrockneten Kräutern und Blumen Pasten angerührt, die als Haarwaschmittel dienen. Die bekanntesten sind Shikakai, das aus den Früchten einer Pflanze der Akaziengattung gewonnen wird und Thali, aus Hibiskusblättern und -blüten. In den Städten aber sind Kurzhaarschnitte, Shampoo und Haarefärben so verbreitet wie in unseren Gefilden.

Natürlich schön mit Ayurveda – von innen und außen

Schönheit ist in Indien eng mit der ayurvedischen Medizin verbunden. Ayurveda bedeutet übersetzt „Wissen vom Leben“ und wird seit rund 5000 Jahren auf dem indischen Subkontinent praktiziert. Wer gesund ist, gilt auch als schön. Im Ayurveda heißt es: „Verwende nichts für deine Haare und Haut, was du nicht essen würdest.“ Die indischen Frauen ziehen natürliche Zutaten chemischen vor: Neemöl bei trockener Haut, Sandelholz und Fuller-Erde, Multaani Mitti, gegen unreine Haut, Amlaöl zur Kräftigung der Haare, Aloe Vera bei Hautirritationen und Henna für Glanz im Haar. Alles Zutaten, die für wenige Euro zu haben sind.

Detox mit Zitronenwasser

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Aishwarya Rai, ehemalige Miss World, wäscht ihre Haare höchstens zwei Mal die Woche und mischt ihre Gesichtsmasken selbst. Foto: Bollywood Hungama

Die Bollywood-Schauspielerin Aishwarya Rai, die 1994 zur Miss World gekürt worden ist, wäscht ihr Haar - wie die meisten Inderinnen - höchstens zwei Mal die Woche. Aus Kichererbsenmehl, Kurkuma und Milch mischt sie sich ein Peeling. Aus Joghurt und frisch gemixten Gurken zaubert sie im Handumdrehen Gesichtsmasken. Eine Gewohnheit, auf die sie morgens nie verzichten würde? Warmes Wasser mit einem Spritzer Zitronensaft auf nüchternen Magen. Es entschlackt, hilft beim Abnehmen und hält fit. Auch amerikanische Promis wie Beyoncé, Jennifer Aniston und Gwyneth Paltrow haben sich dieses ayurvedische Geheimnis zu eigen gemacht.

Vegetarisch zur Traumfigur

Betrachtet man die Figuren an alten hinduistischen Tempeln, erkennt man, dass die Inderinnen schon damals mit wunderschönen Kurven gesegnet waren. Das ist heute nicht anders. Der größte Teil der indischen Bevölkerung ernährt sich streng vegetarisch, was sich vorteilhaft auf die Linie auswirkt. Und bevor Yoga im Westen entdeckt wurde, war es in Indien bereits seit Jahrtausenden fester Bestandteil des Alltags.

Helle Haut als Schönheitsideal

Wie in den meisten asiatischen und afrikanischen Ländern, gilt ein heller Teint auch in Indien als besonders begehrenswert. Bollywood macht es vor: manche Schauspieler haben eine so helle Haut, dass sie teilweise als Europäer durchgehen könnten. Viele Zutaten, die Inderinnen für ihre Beautyroutine verwenden, haben eine bleichende Wirkung. So zum Beispiel Safran oder rohe Kartoffeln, mit denen das Gesicht abgerieben wird. Alia Bhatt, eine aufstrebende junge Schauspielerin in Bollywood, findet eher, man sollte sich so nehmen, wie man ist: „Schönheit ist, wie du früh morgens bist: roh und frisch. Das ist es, wer man wirklich ist.“