Werbung

Israels neue Modeszene: High Fashion zwischen Nahostkonflikt und Bikini-Spot-Verbot

Mode von Ariel Toledano
Mode von Designer Ariel Toledano auf der Fashion Show in Tel Aviv 2017. Foto: Ariel Toledano

Israel und Mode, das schien viele Jahre lang nicht wirklich zusammenzupassen. Doch nun machen immer mehr junge Designer und innovative Projekte von sich reden.

London, Paris, Mailand, New York – und jetzt Tel Aviv? Im März fand zum fünften Mal eine Fashion Week in Israel statt. Zugegeben, mit den „Big Four“ kann sich die israelische Modeszene nicht messen. Doch was da an Glitzer, paillettenbesetzten Klamotten und wallenden Kleidern über die Laufstege schwebte, lässt zumindest aufmerken. Israels Modeszene ist jung und innovativ. Das liegt daran, dass sie lange Zeit quasi nicht vorhanden war. Die Unternehmen ließen lieber im Ausland produzieren. Erst seit Filmproduzent Motty Reif sich der Sache annahm, scheint wieder Leben in die Szene zu kommen. Er veranstaltete 2012 die erste Fashion Week in Tel Aviv.

Zum Erfolg trägt freilich auch das Tel Aviver Shenkar College bei. An der renommierten Modeschule werden junge Designer ausgebildet. Statt direkt nach dem Abschluss ins Ausland zu gehen, entschließen sich immer mehr, ihr Glück auf dem heimischen Markt zu versuchen. Dass es nach wie vor an Mode-Infrastruktur fehlt, hat dabei nicht nur Nachteile. Die Jung-Designer müssen kreativ sein, mit Materialien experimentieren, ganz eigene Designs auf den Weg bringen. Bei der diesjährigen Fashion Week präsentierten sich fast ausschließlich Newcomer.

Model von Ariel Toledano
Ein Model präsentiert die neue Kollektion von Ariel Toledano auf der Fashion Show in Tel Aviv. Foto Ariel Toledano

Bis vor Kurzem studierte auch Designer Ariel Toledano am Shenkar College. Er startete seine Karriere im französischen Modehaus Balmain, kehrte dann aber nach Tel Aviv zurück. „Ich liebe die Fashion Week in Israel“, sagte er gegenüber Yahoo. Für ihn war es die erste Show unter seiner eigenen Marke und er war wahnsinnig aufgeregt deswegen. „Es war die richtige Bühne für mich, weil mein Unternehmen in Israel sitzt, hier ist diese Show einfach die Nummer eins für Mode.“ Seine Marke habe seit der Präsentation deutlich an Bekanntheit gewonnen, versichert er

„Es gibt hier eine große kreative Energie, die sich daraus ergibt, dass wir ein kleines Land in speziellen Umständen sind und nicht wissen, was die Zukunft bringt“, sagte die Leiterin des Shenkar Fashion Departments, Leah Perez, der Vogue. „Man will das Leben genießen, ohne Gedanken an morgen.”

Mode von Nachbarn

Kann sich vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts so etwas wie eine lebendige Modeszene etablieren? Es gibt spannende Projekte wie „Two Neighbors“, die sogar vormachen, wie Mode und Design Israel und Palästina zusammenrücken lassen. Das Label ist geprägt von einem minimalistischen Stil mit auffallenden Stickereien. Bemerkenswert daran ist aber vor allem, dass hier Frauen aus den beiden verfeindeten Gebieten zusammenarbeiten. Sie werben mit dem Slogan: „Frieden durch ein Nadelöhr.“

Israelische Frauen nähen die Kleider, Palästinenserinnen verzieren sie mit Stickereien. Zu den Gründern des Projekts gehören Adeem Amro und Segal Kirsch. Die eine managt die Arbeiten in Palästina, die anderen die in Israel. „Wir glauben, dass Kreativität und Mode eine internationale Sprache sind“, sagte Kirsch dem Independent. „Sie können eine Brücke zwischen Kulturen bilden, um eine Vision der gemeinsamen menschlichen Werte und von Frieden zu vermitteln.“

Die größte Hürde bei der Zusammenarbeit ist dann auch nicht das gegenseitige Verständnis, sondern die Logistik. Es ist nicht einfach, einen Treffpunkt zu finden, an dem beide Gruppen sich wohl fühlen. Kirsch und Amro treffen sich alle zwei Wochen, die Näher und Stickerinnen zweimal im Jahr. Die palästinensischen Frauen benötigen dafür zahlreiche Genehmigungen. Die Anreise der israelischen Frauen wird durch Straßensperrungen und Verzögerungen an den Kontrollpunkten erschwert.

Dünn aber nicht mager

Bikini-Werbung in Israel
Schluss mit falschen Schönheitsidealen. Israel hat untergewichtige Models aus der Werbung verbannt. Foto: AP Photo/Oded Balilty

In mancher Hinsicht zeigt sich Israel überaus fortschrittlich. Als weltweit erstes Land führte es 2013 ein Gesetz ein, das Magermodels in der Werbung verbietet. Wer seitdem noch auf den Laufstegen und vor den Kameras arbeiten möchte, muss mindestens einen Body-Mass-Index von 18,5 haben, wie ihn auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Er berechnet sich durch Körpergewicht geteilt durch die Größe zum Quadrat. Ein Beispiel: Eine 1,70 Meter große Frau muss demnach mindestens 54 Kilo wiegen, um weiterhin modeln zu dürfen. Um nachzuweisen, dass sie normalgewichtig sind, müssen sie sich alle drei Monate ein Attest vom Arzt ausstellen lassen. Wer Models einstellt, die untergewichtig sind, dem droht eine Geldstrafe.

Für das Gesetz hatte sich unter anderem die Abgeordnete und Ärztin Rachel Adatto eingesetzt. Sie wollte damit auch deutlich machen, dass es einen Zusammenhang gibt, zwischen den Schönheitsidealen, welche die Modeindustrie vermittelt, und Teenagern, die unter Magersucht leiden. „Das Gesetz ist ein Anfang, Kinder und Jugendliche zu schützen.“ sagte sie der Deutschen-Presse Agentur. Als das Gesetzt in Kraft trat, wurden laut Gesundheitsministerium jährlich bei etwa 1500 Kindern und Jugendlichen Essstörungen diagnostiziert. Rund 30 Prozent der Teenager fanden sich zu dick.

Zu viel nackte Haut

Bar Refaeli
Israels Supermodel Bar Refaeli. Foto: AP Photo/Dan Balilty, File

In anderer Hinsicht scheint sich in Israel in den vergangenen Jahren wenig geändert zu haben. Denn allzu freizügig dürfen sich Frauen nicht geben, das haben kleinere und größere Skandale immer wieder gezeigt.

Etwa als 2011 das Frauenmagazin „Lilac“ ein arabisches Model, Huda Naccache, ablichtete – im Bikini. Ein Tabubruch. Israelische Medien sprachen damals von einer „Arab Bikini Revolution“.

Und selbst Supermodels wie Bar Refaeli passiert es, dass sie aus dem Fernsehen der Heimat verbannt werden. Sie präsentierte sich im vergangenen Jahr für einen TV-Spot im Bikini. Doch so viele aufreizende Einblicke wollte die zuständige Rundfunk-Behörde nicht durchgehen lassen. Grund des Anstoßes: eine Großaufnahme von Refaelis Po. In einer der Szenen soll sie zudem komplett nackt gewirkt haben.Bar Refaeli dürfte das Verbot gelassen genommen haben. Es ist bereits das zweite Mal, dass ein Werbefilm von ihr, zensiert wurde.
(clu)