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Kann der Brexit eigentlich noch gestoppt werden?

Noch immer gibt es zwischen der EU und Großbritannien keine Einigung darüber, wie die Beziehungen nach dem Brexit aussehen könnten. Gleichzeitig werden die Stimmen nach einem zweiten Referendum immer lauter. Doch wie realistisch ist der Rückzug vom Brexit und was müsste dafür passieren?

700.000 Menschen demonstrierten am Wochenende in London gegen den Brexit. (Bild: Getty Images)
700.000 Menschen demonstrierten am Wochenende in London gegen den Brexit. (Bild: Getty Images)

Je mehr Zeit vergeht, desto größer wird die Angst derer, die einen ungeregelten Ausstieg Großbritanniens aus der EU fürchten. Kommt es nicht bald zu einer Einigung, verlässt das Vereinigte Königreich nach Artikel 50 des EU-Vertrags am 29. März 2019 die Europäische Union.

Worst Case: Das wären die Konsequenzen eines harten Brexit

Dann würden zwischen den Parteien nur noch die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gelten, was bedeutet: Für Importe aus Großbritannien würde die EU Außenzölle verlangen, Medikamente, Lebensmittel und Elektrogeräte müssten im Hinblick auf EU-Verbraucherschutzstandards geprüft werden, in Handelshäfen und auf Autobahnen droht totales Chaos und die Finanzindustrie in London hätte keinen ungehinderten Zugang mehr zu den Kunden in der EU. Auf der Insel könnten Medikamente und Lebensmittel knapp werden, zudem droht eine Wiederbelebung des Konflikts zwischen Irland und Nordirland.

Was aber müsste passieren, um ein solches Schreckensszenario zu verhindern?

Theresa May hält noch immer an ihrem „Chequers-Plan“ fest. Würde er von der EU akzeptiert, behielte Großbritannien alle Vorzüge des Güteraustauschs nach den EU-Binnenmarktregeln. Entbunden wäre es dagegen von allen Pflichten, die EU-Mitglieder im Hinblick auf die Freizügigkeit von Personen, des Kapitals und von Dienstleitungen erfüllen müssen.

Ein Brexit-Deal ist ungewisser denn je: Unternehmen schaffen knallharte Fakten

Da die EU diese vier Grundfreiheiten als unteilbar einstuft, wird aus diesem Plan mit ziemlicher Sicherheit nichts werden. Zudem weigert sich die Premierministerin, den Vorschlag der EU anzunehmen, nach dem für Nordirland mit einer Zollgrenze zwischen der britischen Provinz und dem übrigen Großbritannien ein Sonderstatus gelten soll.

Ein zweites Referendum ist durchaus denkbar

EU-Befürworter sehen einen Ausweg in einem erneuten Referendum. Nach einer Umfrage vom September würden sich mittlerweile 59 Prozent der Briten gegen einen Brexit entscheiden. Zwar hat May gerade erst bei Debatten im Unterhaus und im Kabinett bekräftigt, dass sie einer zweiten Volksabstimmung nie zustimmen würde. Unmöglich aber ist ein solches Szenario deswegen nicht. Sollten Mays Ideen in Westminster keine Mehrheit bekommen, hat das Parlament die Möglichkeit, ihr das Vertrauen zu entziehen.

“EU darf keine Kompromisse machen”: Grüne fordern von May realistischen Kurs

Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk und die britische Premierministerin Theresa May. (Bild: Getty Images)
Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk und die britische Premierministerin Theresa May. (Bild: Getty Images)

Es käme dann zu Neuwahlen, die man durchaus mit einer zweiten Abstimmung über einen Austritt aus der EU gleichsetzen könnte. Aber auch für den Fall, dass Mays „Chequers“-Plan eine Mehrheit findet, gibt es noch Hoffnung. Auf Wunsch der Abgeordneten könnten die Briten noch immer abstimmen. Der Vorteil: Anders als beim ersten Votum wüssten sie nun genau, was ein Brexit wirklich bedeutet und unter welchen Bedingungen er stattfindet. Die Vorstellung eines solchen „People’s Vote“ befürworten mittlerweile immer mehr Politiker sowohl bei den Tories wie auch bei Labour.

Immer mehr Menschen machen sich für ein zweites Votum stark

Dass die Idee auch bei den Wählern Anklang findet, dürfte spätestens seit dem vergangenen Wochenende außer Frage stehen. 700.000 Menschen waren zu einer Demonstration in London zusammengekommen, um ihre Stimme für eine erneute Volksabstimmung zu erheben. Die schiere Masse der Demonstranten widerlegt das Hauptargument, das Theresa May immer dann anführt, wenn sie auf ein zweites Referendum angesprochen wird: Die Bevölkerung hätte ihren Willen bereits 2016 zum Ausdruck gebracht, und der dürfte nicht ignoriert werden.

Im Video: May verteidigt Brexit-Kurs im Parlament – “Nerven behalten”