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Krankhaft gestörte Selbstwahrnehmung: Wenn Fotofilter die Realität verzerren

Nach dem Selfie kommt die Bildbearbeitung – und verfälscht die Realität. (Bild. Getty Images)
Nach dem Selfie kommt die Bildbearbeitung – und verfälscht die Realität. (Bild. Getty Images)

Wir leben in einer Zeit, in der es jedem Menschen möglich ist, Fotos zu bearbeiten – und zu verfälschen. Mittels Filtern werden Gesichter auf Selfies derart verändert, dass ein völlig anderes und vor allem falsches (Selbst-)Bild entsteht. So werden die Schönheitsstandards radikal verändert. In manchen Fällen kann das Streben nach dieser falschen Realität zu einer psychischen Störung führen.

Mit ein paar Swipes auf Snapchat, Instagram oder dem Bildbearbeitungsprogramm fürs Smartphone kann man sich schnell und einfach einen Blumenkranz aufsetzen und süße Katzenöhrchen verpassen. Oder man geht noch weiter und verfeinert mit Hilfe von Fotofiltern sein Hautbild, hellt die Zähne auf und vergrößert Augen und Lippen. Ab damit ins soziale Netzwerk und schon trudeln Likes ein. Diese Filter und Bildbearbeitungen sind mittlerweile zur Norm geworden. War es früher nur für Models und Schauspieler möglich, in Magazinen perfekt auszusehen, kann das nun jeder – mit nur ein paar wenigen Handgriffen.

Schon Jugendliche nehmen sich selbst oft völlig falsch wahr. (Bild: Getty Images)
Schon Jugendliche nehmen sich selbst oft völlig falsch wahr. (Bild: Getty Images)

Doch der steigende Selbstoptimierungsdruck kann in einen Zwang oder eine psychische Störung umschlagen – wie die „körperdysmorphe Störung“ (KDS), eine krankhaft gestörte Selbstwahrnehmung, die nicht selten den Wunsch nach einer Schönheitsoperation nach sich zieht. Sowohl Jugendliche als auch Erwachsene, Männer und Frauen, sie alle laufen Gefahr, zu erkranken. Medizinerin Neelam Vashi von der Boston University School of Medicine beschrieb in einem Gastbeitrag für das Fachmagazin „JAMA Facial Plastic Surgery“ den Zusammenhang von sogenannter „Snapchat-Dysmorphie“ und der Entwicklung in der Plastischen Chirurgie.

Betroffene würden sich oft stundenlang damit beschäftigen, minimalste Makel an ihrem Körper optisch zu korrigieren, sei es mit Make-up, Frisur oder Kleidung. Eine Umfrage unter amerikanischen Schönheitschirurgen aus dem Jahr 2017 ergab, dass 55 Prozent der befragten Chirurgen Menschen unter ihren Patienten haben, die durch eine Operation ihr Aussehen auf Selfies verbessern wollen. Noch zwei Jahre zuvor bejahten nur 42 Prozent der Chirurgen diese Frage.

Diplom-Psychologin Dr. phil. Marion Sonnenmoser erklärt, dass sich die Wahrnehmung des eigenen Körpers der betroffenen Personen rapide verändere, sodass die Grenze zwischen Realität und Fantasie verwische. Das digital veränderte Selbst ist für den Patienten nicht mehr vom echten Leben zu unterscheiden. „Es wird angestrebt, die Selfie-Projektion in die Tat umzusetzen“, so die Psychologin.

Doch auch nach der Beauty-OP stelle sich oft kein Erfolg ein: „Bei den meisten Patienten bleibt die Symptomatik nach dem Eingriff gleich oder verschlechtert sich sogar deutlich, wodurch Suizidgedanken und -versuche ausgelöst werden können.“

Mit der Ausbreitung der digitalen Medien gewinnt diese Art der Erkrankungen immer mehr an Aktualität. Der gesellschaftliche Druck wächst und lässt Menschen mit körperdysmorphen Störungen zum Teil auf zweifelhafte Ärzte und Schönheitschirurgen zurückgreifen, die die Krankheit nicht erkennen. Statt einer Therapie würden die Betroffenen Gefahr laufen, sich den falschen Personen anzuvertrauen und dennoch keine Linderung ihrer psychischen Problematik zu finden.

Anmerkung der Redaktion
Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie etwa bei der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym und kostenlos.