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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew/Moskau (dpa) - Die Regierung in Kiew stellt sich auf noch Monate anhaltende Kämpfe gegen die russischen Streitkräfte in der Ukraine ein. Präsident Wolodymyr Selenskyj will das wegen der russischen Invasion verhängte Kriegsrecht um gleich drei Monate verlängern lassen.

Russland räumte unterdessen Schwierigkeiten und Fehler in dem vor knapp drei Monaten gestarteten Angriffskrieg ein, kündigte aber eine Fortsetzung der Kämpfe an. Äußerungen des russischen Vize-Regierungschefs Marat Chusnullin deuteten zudem auf eine Ausweitung der Kriegsziele hin, die der Kreml offiziell nur mit der «Befreiung» der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk ausgibt.

In der ukrainischen Hafenstadt Mariupol ergaben sich unterdessen russischen Angaben zufolge seit Wochenbeginn 959 ukrainische Kämpfer aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal. Unter ihnen seien 80 Verletzte, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch mit. Alleine in den vergangenen 24 Stunden hätten sich knapp 700 Menschen in russische Gefangenschaft begeben, hieß es weiter. Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung für diese Zahlen.

Russische Grenzregion von Ukraine beschossen?

Der Gouverneur der westrussischen Region Belgorod warf derweil der Ukraine erneut den Beschuss einer Ortschaft unweit der Grenze vor. Dabei sei ein junger Mann verletzt worden, teilte Wjatscheslaw Gladkow am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit. Der Mann werde medizinisch behandelt, sei aber nicht in Lebensgefahr. Gladkows Aussagen zufolge wurden zudem sechs Wohnhäuser, ein Auto und eine Starkstromleitung beschädigt.

Der Ort Solochi liegt etwa zehn Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. In der vergangenen Woche wurde Solochi nach russischen Angaben schon einmal beschossen. Damals kam bei dem Angriff demnach ein 18-jähriger Mann ums Leben, sieben weitere Menschen wurden verletzt. Auch die benachbarte Region Kursk meldete am Mittwoch einen Angriff auf ein Dorf. Dabei soll aber niemand zu Schaden gekommen sein.

Russland erhebt Anspruch auf Saporischschja

Russland will das teilweise eroberte Gebiet Saporischschja in der Südostukraine künftig fest an sich binden. «Ich denke, die Perspektive der Region liegt darin, in unserer einträchtigen russischen Familie zu arbeiten», sagte der russische Vize-Regierungschef Marat Chusnullin laut der Nachrichtenagentur RBK bei einem Besuch in der vom russischen Militär besetzten Kleinstadt Melitopol. Die Gebietshauptstadt Saporischschja selbst wird nach wie vor von ukrainischen Truppen kontrolliert.

Er sei gekommen, um bei der Integration des Gebiets «maximale Hilfe» zu leisten, sagte Chusnullin. Das Gebiet könne bei der Versorgung Russlands mit Baumaterialien helfen, da diese im Land fehlten, meinte der Regierungsbeamte. Zugleich sagte er, das Anfang März von russischen Truppen eroberte Atomkraftwerk von Saporischschja - das leistungsstärkste in ganz Europa - solle die Ukraine künftig nur mit Strom versorgen, wenn diese dafür bezahle.

Russland kündigt Einführung neuer Laserwaffe an

Russland ist nach eigenen Angaben kurz vor der Einführung eines Hochleistungslasers zum Abschuss von Drohnen und leichten Fluggeräten. «Unsere Physiker haben Lasersysteme entwickelt, die um ein Vielfaches leistungsstärker sind, was die Verbrennung verschiedener Ziele erlaubt, und bauen sie auch praktisch schon serienreif», sagte der russische Vizeregierungschef Juri Borissow am Mittwoch bei einer Konferenz nahe Moskau, wie die staatliche Moskauer Nachrichtenagentur Tass meldete.

Nach Borissows Darstellung hat die neue Laserwaffe eine Reichweite von fünf Kilometern und kann Drohnen in dieser Höhe abschießen. Das neue System wurde demnach am Dienstag getestet und soll eine Drohne innerhalb von fünf Sekunden verbrannt haben. Nun werde es langsam in die Streitkräfte eingeführt. «Die ersten Prototypen werden schon eingesetzt», sagte Borissow.

Überprüfbar waren die Angaben nicht. Es wurden auch keine Bilder gezeigt.

Russischer Vize-Regierungschef im besetzten Cherson

Russland zeigt sich entschlossen, das besetzte Gebiet Cherson in der Südukraine an sich zu binden. Die Region um die Hafenstadt werde einen «würdigen Platz in unserer russischen Familie» einnehmen, sagte Russlands Vize-Regierungschef Marat Chusnullin bei einem Besuch in Cherson am Dienstag. Man werde künftig zusammenleben und -arbeiten, zitierte ihn die russische Staatsagentur Ria Nowosti.

Russland führte in der Region zum 1. Mai bereits den russischen Rubel als offizielles Zahlungsmittel ein. Der Vizechef der prorussischen Verwaltung von Cherson, Kirill Stremoussow, brachte vor einigen Tagen ein formelles Beitrittsgesuch an Kremlchef Wladimir Putin ins Gespräch. Den Verzicht auf ein zuvor erwogenes Referendum begründete er damit, dass ein solcher Volksentscheid auf der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim international nicht anerkannt wurde. Die ukrainische Regierung zeigt sich dagegen überzeugt, dass eine Russifizierung des Gebiets Cherson scheitern werde.

Bürgermeister: Lwiw unter häufigem russischem Raketenbeschuss

Der Bürgermeister von Lwiw (Lemberg), Andrij Sadowyj, beklagte einen ständigen Beschuss mit russischen Raketen in der Westukraine an der Grenze zu Polen. In der Stadt gebe es sehr viele internationale Organisationen, die dadurch verunsichert werden sollten, sagte Sadowyj im ukrainischen Fernsehen, wie die Agentur Unian am Mittwoch meldete. Russland habe es nicht nur auf die militärische Infrastruktur abgesehen, sondern wolle durch den Beschuss permanente Anspannung auslösen. «Aber wenn man rechtzeitig auf den Luftalarm reagiert und in den Schutzbunker geht, dann ist es ungefährlich», sagte er. Die Altstadt von Lwiw gehört zum Welterbe der Unesco.

Die Menschen hätten am Stadtrand die Raketen sehen und sehr laute Explosionen hören können, sagte Andrij Sadowyj. Schäden in Lwiw selbst habe es aber nicht gegeben. Die Menschen hätten aber praktisch die ganze Nacht in Luftschutzbunkern verbringen müssen.

USA richten Beobachtungsstelle ein

Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben die USA eine Konfliktbeobachtungsstelle gestartet. Das neue Conflict Observatory soll sicherstellen, «dass von Russlands Truppen begangene Verbrechen dokumentiert und die Täter zur Verantwortung gezogen werden», sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington.

Das Programm werde unter anderem Informationen und Beweise für «Gräueltaten, Menschenrechtsverletzungen und die Beschädigung der zivilen Infrastruktur» erfassen, analysieren und veröffentlichen. Berichte würden künftig auf der Webseite ConflictObservatory.org gepostet.