Ladys first? Diese Verhaltensregeln sind heute out

Keine Sätze mit "Ich" beginnen und den Frauen stets die Türe aufhalten. Was früher gesetzte Benimmregeln waren, muss heute nicht unbedingt noch gelten.

Angesichts so mancher Online-Pöbelei ist es schwer zu glauben, aber Umfragen kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass vielen Menschen gutes Benehmen wichtig ist. Wer nun glaubt, Opas alten Knigge aus dem Schrank ziehen zu müssen, um nachzusehen "was sich gehört", irrt aber. Denn selbst Benimmregeln sind nicht für die Ewigkeit. Einige sind längst ziemlich out.

Frauen machen die Tür nicht selbst auf

"Viele der überlieferten Verhaltensregeln stammen noch aus einer Zeit, in der die Frauen nicht berufstätig waren. Sie waren damals hauptsächlich für den Haushalt zuständig und Zierde des Mannes", erklärt die Chefredakteurin von "Der Große Knigge", Alexandra Sievers. Heute ist es durchaus üblich, dass auch eine Frau einem Mann mal die Tür aufhält. Etwa, wenn sie berufliche Gastgeberin ist. Allerdings spricht natürlich auch nichts dagegen, es als Frau zu genießen, durch eine aufgehaltene Türe zu spazieren.

"Ich würde mich freuen, wenn Sie mich zu einem Gespräch einladen würden."

Eine solche Formulierung, zum Beispiel in einer Bewerbung, soll Bescheidenheit signalisieren, ist aber in dieser Form nicht mehr nötig. "Heutzutage klingen die vielen Konjunktive etwas unterwürfig, so muss man sich nicht mehr geben", so Sievers. Allerdings sollte man auch nicht zu forsch sein. Also nicht: "Auf Ihre Einladung freue ich mich." Lieber: "Über Ihre Einladung würde ich mich freuen."

"Mit freundlichen Grüßen"

Bei Verabschiedungsformeln gilt: Der Schreiber muss sich damit wohlfühlen. "Mit freundlichen Grüßen" ist zwar abgedroschen, kann aber durchaus noch verwendet werden, wenn die oft zu lesenden "sonnigen/herbstlichen/weihnachtlichen Grüße" nicht zu einem passen. "Beste Grüße" sind immer eine gute Formulierung; wenn das Verhältnis sehr vertraut ist, gerne auch "Herzliche Grüße".

Den Namen des Gegenübers möglichst oft erwähnen

Bei Werbeanrufen trifft man mitunter noch auf sie: Menschen, die denken, sie schmeicheln ihrem Gesprächspartner, wenn sie ganz oft seinen Nachnamen sagen. "Eine Zeit lang wurde das in Verkaufstrainings so beigebracht, allerdings durchschauen viele Menschen diese Masche schnell und sind genervt davon", erklärt die "Der große Knigge"-Chefredakteurin. Deswegen: Den Nachnamen je nach Länge des Gesprächs lieber nur zwei oder drei Mal erwähnen.

Die Schuhe anlassen

Zu einem Party-Outfit gehören auch die Schuhe. Ist man also zu einer größeren Feier eingeladen, zu der sich alle schick gemacht haben, kann man erstmal davon ausgehen, dass die Schuhe anbleiben können. Schließlich sehen Cocktailkleider mit Puschen blöd aus. "Ist man privat eingeladen, kann man anbieten, die Schuhe auszuziehen", erklärt Sievers. Wenn man schmutzige Schuhe hat, versteht es sich von selbst.

"Ich gratuliere zum Geburtstag!"

Früher galt es als egozentrisch, Briefe oder Mails (oder generell Sätze) mit "Ich" zu beginnen. Das ist überholt, auch weil Sätze, bei denen das "Ich" am Anfang krampfhaft vermieden wird, genauso klingen: krampfig nämlich. Allerdings sollte nicht die Mehrzahl der Sätze mit "Ich" anfangen. Das liest sich auch nicht gut.

"Untenstehend lesen Sie ..."

Formulierungen wie diese sind auch heute noch in Geschäftsmails zu finden. Sie gelten heute als veraltet, ebenso wie "Anliegend finden Sie ..." und "Beiliegend erhalten Sie ...". Sie sind zudem grammatikalisch falsch, denn das Partizip Präsens bezieht sich in dem Fall auf den Empfänger, der demnach "unten steht", "anliegt" oder "beiliegt". Alexandra Sievers empfiehlt, solche Sätze nicht zu benutzen, sondern so zu schreiben, wie man sprechen würde. Also zum Beispiel: "Hier kommen Ihre Unterlagen." oder "Ich habe hier ... für Sie."

:), :D & Co.

Emoticons und Abkürzungen sind zwar moderner als "Anliegend finden Sie ...". Vor allem bei Abkürzungen besteht aber das Risiko, dass sie nicht verstanden werden. "Deswegen lieber alles ausschreiben", rät Alexandra Sievers. Bei Emoticons ist immer die Frage: Wer ist der Empfänger? In klassischer Geschäftskorrespondenz haben sie nichts zu suchen, unter Kollegen sind sie okay.

"Gesundheit" wünschen

"Gesundheit" wünschen ist eigentlich eine nette Sache. Was aber viele nicht wissen: Ursprünglich wünschte man damit nicht dem Kranken Gesundheit, sondern sich selbst. Deswegen raten die Knigge-Experten schon länger davon ab - zumal der Verschnupfte oft schon selbst das Gefühl hat, alle zu nerven, und nicht auch noch extra darauf hingewiesen werden möchte. "In jedem Fall", so Alexandra Sievers, "sollte man nicht 'Gesundheit' wünschen, wenn dadurch die Kommunikation gestört wird, zum Beispiel in einem Meeting. Und man sollte sich immer fragen: Welche Reaktion ist für das Gegenüber angenehm und welche unangenehm?"

Unterarme vom Tisch!

Früher ging eine korrekte Armhaltung beim Essen so: Nur die Handflächen gehörten auf den Tisch, der Rest nicht. Diese Knigge-Empfehlung ist bereits vor einigen Jahren gelockert worden. Die Unterarme dürfen jetzt auch drauf. Die Ellbogen sollten aber nach wie vor nicht auf dem Tisch liegen. "Denn das macht auch etwas mit der Körperhaltung", erklärt die "Knigge"-Chefredakteurin. Ellbogen auf dem Tisch heißt meistens: Der Oberkörper geht nach vorne, sackt vielleicht zusammen. So kann man sein Gegenüber nicht gut ansehen. Außerdem wirkt das manchmal so, als würde man gleich am Tisch einschlafen.