Leben wir noch miteinander oder schon nebeneinander?!

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Ich trete einen Schritt nach vorn, drehe mich herum und schließe die Wohnungstür hinter mir ab. Heute ist wieder einer dieser verregneten Tage, an denen ich lieber zu Hause bleiben würde, eingepackt in eine Kuscheldecke und mit einer Tasse heißen Tee in der Hand.

Auf dem Weg zur Bahn schaue ich permanent nach unten, um jeder Pfütze ausweichen zu können, denn ich trage heute meine Lieblingsschuhe - meine schwarzen Overknees. Perfekt abgestimmt mit einem Strickkleid und meinem Cashmeremantel. Fixiert darauf, so schnell es geht zur Haltestelle zu kommen, krame ich an der Ampel in meiner Tasche. Nachdem ich Portemonnaie, Schlüssel und Federtasche beiseitegeschoben habe, finde ich endlich mein Handy. Den Blick auf die immer noch rote Ampel gerichtet, entsperre ich es und schon ploppt ein Benachrichtigungsfeld auf: neue Nachrichten von Instagram. Ich tippe also auf die App und scrolle die Benachrichtigungen durch. Mittlerweile hat die Ampel auf grün umgeschaltet und ich laufe los. Ich überquere die Straße, laufe zur Haltestelle und schaue mir gleichzeitig die neusten Beiträge der Personen an, denen ich folge. Und während ich an der Haltestelle auf die Bahn warte, klicke ich gleich noch auf die App mit dem Briefzeichen und checke meine Mails.

Ich schaue erst wieder auf, als ich merke, dass sich die anderen neben mit bewegen - die Bahn kommt. Ich halte mein Handy fest umklammert und steige in die Bahn, schaue nach rechts und links, ob ich noch einen leeren Sitzplatz entdecken kann, bleibe letztlich aber doch stehen, hole mein Handy wieder in Sichtweite und beantworte weiter meine Mails. Nach drei Haltestellen schaue ich auf - und was ich sehe, erschreckt mich. Mindestens jeder zweite Bahnfahrer ist mit seinem Smartphone beschäftigt, unbeeindruckt vom Sitznachbar oder anderen Mitmenschen. Jeder ist für sich in seiner eigenen kleinen Welt. Auch eine Mutter, deren Kind freudestrahlend beeindruckt von seiner Umwelt erzählt, blickt stur in ihr Handy.

Plötzlich kommt mir der Gedanke, dass das alles überhand nimmt. Gibt es noch ein miteinander? Oder zunehmend nur noch ein nebeneinander?
An der nächsten Haltestelle steige ich aus und laufe in Richtung Café, in dem ich mich mit einer Freundin zum Frühstück treffe. Dabei beobachte ich meine Mitmenschen und bemerke, dass so gut wie jeder nicht etwa in seine Umgebung blickt oder gar in die Richtung, in der er geht. Nein, ihre Aufmerksamkeit ist dem Handy gewidmet und aus dem Augenwinkel schauen sie, ob der Weg, den sie gehen wollen, frei ist oder ein Hindernis droht. Am Café angekommen sehe ich schon meine Freundin. Sie steht vor der Eingangstür, wartend und in ihr Smartphone starrend. Und auch verteilt über unser gemeinsames Frühstück ist immer ein Auge auf das Gerät gerichtet, fast schon paranoid wartend auf eine Nachricht.

Auf meinem Weg zurück zur Bahnhaltestelle kann ich die Gedanken nicht aus meinem Kopf streichen. Das Handy ist ja nur das Mittel zum Zweck. Der Drang, bei den sozialen Netzwerken immer up to date zu sein, nimmt immer weiter zu. Verständlich, denn können solche Netzwerke, wie Instagram, YouTube oder Twitter auch berufliche Chancen eröffnen. Es gibt genügend Menschen, die Tausende von Abonnenten haben und dadurch von Firmen Produkte zugesendet bekommen; Menschen, die über YouTube-Videos ihr Geld verdienen und Menschen, die über soziale Netzwerke ihren Blog promoten. Jede dieser Plattformen kann eine Chance sein, mit seinem Hobby auch Geld zu verdienen, Karriere zu machen. Aber ist diese Chance, die diese Netzwerke mit sich bringen, gleichzeitig eine Barriere?

Klar, der ein oder andere wird sich in sein Handy flüchten, um Unsicherheiten zu überdecken, um Langeweile zu überbrücken oder um sich einfach nur von der Außenwelt abzukapseln. Aber wieso nicht sich und seine Umwelt einfach mal wahrnehmen, so wie sie ist und nicht so, wie sie durch mit Filtern überlegten Bildern auf Instagram aussieht. Oder einfach ein Treffen mit einer Freundin oder seiner Familie so wahrnehmen, wie es ist und nicht durch den Schleier der Sozialen Netzwerke.
Ich stehe in der Bahn und schaue aus dem Fenster. ‚Seit wann ist denn das Gerüst von dem Haus weg?‘, denke ich. Ich lasse meinen Blick über die Fahrgäste schweifen. Wieder sind mindestens 80% der Mitfahrer mit ihrem Handy beschäftigt. Wieder sehe ich ein kleines Mädchen, welches freudestrahlend ihrer Mutter von einem Hund erzählt, an dem wir gerade vorbeifahren, ohne, dass ihre Mutter so wirklich darauf eingeht. Und ganz vorn im Waggon, da sehe ich eine ältere Dame und einen älteren Herren, die sich so wie es scheint, erst seit dieser Bahnfahrt kennen. Sie unterhalten sich über die Stadt und über die Gebäude, an denen wir vorbeifahren und darüber, wie es einmal ausgesehen hat.
Als ich von diesem Gespräch fasziniert zwei Haltestellen zu spät aussteige, frage ich mich, wieso wir nicht alle einfach öfter mal unser Handy wegstecken können und es den beiden gleichtun? Wieso machen wir diese Chance, die diese Plattformen uns bieten können, gleichzeitig zur Barriere für unsere Umwelt?

Am nächsten Tag schließe ich wieder die Tür hinter mir und laufe Richtung Haltestelle. Diesmal lasse ich mein Smartphone aber an der Stelle, an die ich es gesteckt habe, bevor ich losgelaufen bin.

*eine fiktive Geschichte mit wahrem Kern

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xoxo, Nancy

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