Werbung

Lieferdienst Gorillas mit neuem Plan: Überleben statt DJ-Parties

(Bloomberg) -- Im Oktober schien die Welt für Gorillas Technologies GmbH noch in Ordnung. Gerade hatte das Berliner Lieferdienst eine Finanzierungsrunde in Höhe von 1 Milliarde Dollar abgeschlossen. Das Startup gründete sein eigenes Plattenlabel und plante den Umzug in ein großzügiges neues Büro mit Plattentellern und DJ-Mischpult.

Diese Woche fand der Umzug in eine ehemalige Brauerei im hippen Stadtteil Prenzlauer Berg tatsächlich statt. Doch ansonsten hat sich der Wind deutlich gedreht. Risikofinanzierung für junge Technologiefirmen ist inzwischen weltweit Mangelware. Wettbewerber geben reihenweise auf. Die Hauptaufgabe des Gorillas-Managements besteht zwei Jahre nach der Gründung der Firma aus Sparmaßnahmen.

Im Mai hat das Unternehmen sein Büropersonal weltweit um die Hälfte reduziert - 300 Mitarbeiter mussten gehen. Jetzt werden in einigen Märkten die Dienste eingeschränkt und Lagerleiter entlassen, wie aktuelle und ehemalige Mitarbeiter berichten, die nicht namentlich genannt werden möchten.

Sogar das Team, das für den Umzug verantwortlich war, musste sich Mitarbeiter aus anderen Abteilungen ausborgen, weil sie durch den Stellenabbau unterbesetzt waren. Das geht aus internen Mitteilungen hervor, die Bloomberg vorliegen. Früher durften Mitarbeiter firmeneigene MacBooks und AirPods einfach mit nach Hause nehmen, damit ist jetzt Schluss. Laxe Kontrollen von Rabattcodes, die zu Missbrauch führten, werden jetzt verschärft.

Laut einem Firmensprecher erwäge das Unternehmen, fünf Lagerhäuser in Großbritannien zu schließen. Die von den Mitarbeitern erbetene Hilfe beim Umzug sei “freiwillig” gewesen, so der Sprecher weiter. Die Ausgabe von Geräten ohne Registrierung und der Missbrauch von Rabattcodes sei nur in Einzelfällen vorgekommen.

Gorillas, im Mai 2020 von Vorstandschef Kagan Sümer mitgegründet, gehört zu einer Gruppe von Unternehmen, die Lebensmittel in nur 15 Minuten zu den Kunden liefern wollen, ähnlich wie Instacart Inc. und Uber Technologies Inc sowie Getir und Flink SE. In der letzten Finanzierungsrunde wurde der Firmenwert mit 3 Milliarden Dollar taxiert. Doch inzwischen wird zunehmend in Frage gestellt, ob derart schnelle Lieferungen überhaupt rentabel machbar sind.

Finanzierung ist plötzlich knapp, die Inflation setzt den Gewinnspannen zu und der Krieg in der Ukraine trübt die globalen Wirtschaftsaussichten. Daher schwenken die Lieferunternehmen um auf Effizienz statt schnellem Wachstum. Europäische Lebensmittel-Lieferdienste haben in diesem Jahr lediglich 248 Millionen Dollar aufgebracht, verglichen mit dem Rekordwert von 4,5 Milliarden Dollar im Jahr 2021, so Zahlen von Dealbook.

“Die letzten fünf Jahre waren recht ungewöhnlich, was den Zugang zu Kapital angeht”, sagte Christophe Maire, Gründungspartner von FoodLabs, der im Oktober in Gorillas investiert hat. “Wir kehren hoffentlich zu einem Zustand zurück, in dem ein Unternehmen durch Beharrlichkeit, Sparsamkeit und Fokus erfolgreich wird.”

Wachstumsschmerzen

Wachstumsschmerzen sind normal. Doch die Mitarbeiterzahl von Gorillas ist von 400 bei der Gründung in den ersten Tagen der Pandemie auf 15.000 im Mai regelrecht explodiert. Ende letzten Jahres war Gorillas in neun Ländern tätig und schloss Verträge mit führenden Lebensmittelhändlern wie Tesco in Großbritannien und Casino in Frankreich ab. Im März kaufte das Unternehmen den konkurrierenden französischen Lieferdienst Frichti.

“Der bisherige Geschäftsplan sah eine große Finanzierungsrunde alle sechs bis 12 Monate vor”, so Monique Pollard, Analystin bei der Citigroup. Alle Bereiche, die superschnell wachsen, jedoch keinen Gewinn erwirtschaften oder hohe Investitionen verschlingen, müssen nun zurückgeschraubt werden, so die Analystin.

“Tech-Unternehmen, insbesondere solche mit geringen oder negativen Gewinnspannen, sehen sich sehr starkem Gegenwind ausgesetzt”, schrieb Sümer letzten Monat in einem Brief an die Mitarbeiter, in dem er die Kürzungen ankündigte. Ein effizienteres Büro würde es ermöglichen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Fahrer und Lagerarbeiter seien nicht betroffen.

Gorillas hat ein angespanntes Verhältnis zu einigen ihrer Fahrer vor allem in ihrer Heimatstadt Berlin. Im Jahr 2021 wurde das Gorillas Workers Collective gegründet, um die Interessen der häufig migrantischen “Rider” in Sachen Bezahlung und Ausrüstung zu vertreten.

Der Kontrast ist deutlich gegenüber Februar, als Sümer noch davon sprach, dieses Jahr mindestens 700 Millionen Dollar an frischem Kapital einsammeln zu wollen, um auf die kritische Größe zu kommen. Im Mai hieß es dann, das Unternehmen werde sich nun auf Deutschland, die Niederlande, Großbritannien, Frankreich und die USA konzentrieren. Für die Aktivitäten in Italien, Spanien, Dänemark und Belgien würde man alle strategischen Optionen in Betracht ziehen.

Es gehe ums Überleben, so Sümer in seinem Brief an die Mitarbeiter: von 30 Unternehmen, die Anfang 2020 Pläne wie Gorillas verfolgten, seien inzwischen nur noch vier übrig.

“Und nun beginnt die Phase der letzten 4, von denen in einem Jahr nur noch 1-2 Player übrig sein werden”, schrieb Sümer. Die Sparmaßnahmen würden sicherstellen, dass Gorillas zu den Überlebenden gehören, fügte er hinzu.

Überschrift des Artikels im Original:

Gorillas Startup Dream of Food Delivery and Office Raves Falters

More stories like this are available on bloomberg.com

©2022 Bloomberg L.P.