LNG: Die iberische "Energieinsel" und das europäische Gasverteilungsproblem

Spanien und Portugal sind von russischem Erdgas relativ unabhängig. Beide Länder haben schon vor Jahren in Flüssigerdgas - kurz LNG (liquefied natural gas) genannt - investiert, was sich nun auszuzahlen scheint.

Mit insgesamt sieben solcher Anlagen - darunter die größte Europas in Barcelona - verfügen die iberischen Nachbarn über ein Drittel der europäischen LNG-Verarbeitungskapazität.

In den hafengestützten Terminals werden Schiffsladungen mit runtergekühltem LNG wieder in Erdgas umgewandelt, das dann in Haushalte und Unternehmen fließt.

"Zusammen bewältigen die sechs Werke in Spanien vierzig Prozent der Gesamtkapazität in Kontinentaleuropa. Diese Art von Infrastruktur in einem Gassystem erhöht die Flexibilität und stärkt die Versorgung im Vergleich zu Systemen in anderen europäischen Ländern. Diese sind vollständig auf Infrastrukturen wie Pipelines angewiesen", sagt Claudio Rodríguez, Generaldirektor für Infrastrukturen bei "Enagas".

USA verschiffen mehr Flüssigerdgas nach Europa

Inzwischen haben die USA angekündigt, ihre Flüssiggasexporte nach Europa in diesem Jahr um 15 Milliarden Kubikmeter zu erhöhen. Bereits zu Jahresbeginn kam das meiste Flüssigerdgas aus den USA nach Spanien, nachdem Algerien dem Nachbarland wegen diplomatischer Streitigkeiten den Gashahn zugedreht hatte:

"Es wird also wichtig sein, Beziehungen zu anderen Lieferanten aufzubauen. Das wird auch unsere Beziehungen zu einigen Ländern verändern. Bestimmte Exporteure fossiler Brennstoffe werden profitieren. Es wird wichtig sein, wie wir unsere Anstrengungen in diesem Sinne bündeln. Wie die EU-Länder in Bezug auf diese neuen Lieferanten zusammenarbeiten", meint Marie Vandendriessche, Wissenschaftskoordinatorin an der ESADE Business School.

Europa, das versucht, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, könnten die Investitionen der beiden Länder auf der iberischen Halbinsel nun zugute kommen. Wenn es da nicht das Verteilungsproblem gäbe.

Das europäische Gasverteilungsproblem und die iberische "Energieinsel"

Gasleitungen zwischen Spanien und Portugal und dem übrigen Europa sind wenig zahlreich. Dies ist der Grund für eine beispiellose Änderung der EU-Politik in der vergangenen Woche, als die iberischen Länder ihre eigenen Preiskontrollmechanismen vorschlagen durften, um die steigenden Energiekosten auf dem gesamten Kontinent in den Griff zu bekommen.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und sein portugiesischer Amtskollege António Costa argumentierten erfolgreich, dass die relative Isolierung ihrer Länder vom übrigen EU-Markt - die Regierung Sánchez bezeichnet sie als "Energieinsel" - und der hohe Anteil an erneuerbaren Energien eine vorübergehende Befreiung von den gemeinsamen Marktregeln erforderlich machen.

Das LNG, das in Spanien ankommt, könnte theoretisch an Nachbarn weiter östlich weitergeleitet werden, aber es gibt keine einfache Möglichkeit, es dorthin zu bringen. Spanien und Frankreich teilen sich zwei kleine Gaspipelines, über die jeden Monat das Äquivalent von sieben Schiffsladungen LNG transportiert werden kann.

In Madrid und Brüssel ist die Wiederbelebung eines Plans zum Bau einer größeren Pipeline für Gas und grünen Wasserstoff durch die Pyrenäen im Gespräch, aber selbst bei einer gesicherten Finanzierung würde es mehrere Jahre dauern, bis sie in Betrieb genommen werden könnte.

In der Zwischenzeit, so Rodríguez, könnten Spaniens LNG-Terminals dazu genutzt werden, LNG-Schiffe zu anderen europäischen Häfen zu schicken, um "Europas Gas- und Energiesysteme zu stärken".