Longevity: Wie wir möglichst lange, möglichst gesund bleiben – zwei Expertinnen geben Tipps
Wie wir so lange wie möglich, so gesund wie möglich leben können – zwei Expertinnen verraten es uns
Getty Images, Westend61Früher lag der Schwerpunkt der Medizin auf der Behandlung von Krankheiten, doch zunehmend gewinnt die Gesundheitsvorsorge an Bedeutung. Die zentrale Rolle dabei: Eigenverantwortung! Je früher man sich um sein Wohlbefinden kümmert, desto größer sind die Chancen, im Alter von Krankheiten wie Diabetes oder Arthritis verschont zu bleiben. Die Unternehmerinnen Kati Ernst und Kristine Zeller beschäftigen sich seit langem mit Longevity, hosten den erfolgreichsten deutschen Longevity-Podcast und haben ein Buch dazu geschrieben. Selbstverständlich pflegen die beiden einen entsprechenden Lebensstil: Sie ernähren sich pflanzen- und proteinreich, betreiben Krafttraining, schlafen viel und pflegen bewusst ihre Freundschaften – in Summe die wichtigsten Elemente für eine lange Gesundheit. Wie das ganz konkret aussieht, das haben Zeller und Ernst für uns zu konkreten Tipps zusammengestellt.
Ernährung: Du bist, was du isst
Zum Frühstück ein Brötchen mit Marmelade? Unsere Expertinnen raten ab. Auch ein Orangensaft ist keine gute Idee, zu viel Fruchtzucker. "Zucker auf leeren Magen lässt den Blutzuckerspiegel in die Höhe schießen", meint Kristine Zeller. Mit einem Spinatomelett und einem selbst gemixten Gemüsesaft in den Tag starten? Sehr viel besser! Longevity-Anhänger*innen schwören auf jede Menge Gemüse. Bei jeder Mahlzeit sei es wichtig, darauf zu achten, dass die Hälfte des Tellers aus Gemüse besteht, sagt Kati Ernst. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung setzt auf eine pflanzenbasierte Ernährung und empfiehlt seit Jahren, den Konsum von Fleisch, insbesondere von verarbeitetem Fleisch (Wurst, Schinken oder Speck), auf maximal 300 Gramm pro Woche zu reduzieren. Neben einer pflanzenreichen Ernährung sind außerdem Proteine gut für die Gesundheit. Sie fördern den Muskelaufbau, schützen das Herz und stärken das Immunsystem, beschleunigen den Stoffwechsel und fördern die Fettverbrennung. Eine proteinreiche Ernährung kann den Stoffwechsel um ganze 15 bis 30 Prozent steigern. Frauen sollten täglich 80 bis 110 Gramm Protein zu sich nehmen, verteilt auf drei Mahlzeiten. Kristine Zeller konsumiert 90 Gramm Protein pro Tag. Morgens schüttet sie ein paar Löffel Proteinpulver auf ihren Gemüseshake. Kati Ernst rät zusätzlich, regelmäßig die Blutwerte zu überprüfen und bei Bedarf Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, um Nährstofflücken zu schließen.
Kristines Tipp: "Rechnen Sie aus, wie viel Gramm Protein Sie pro Mahlzeit benötigen. Dazu teilen Sie ihren Tagesbedarf (1,5g pro kg Körpergewicht) auf drei Hauptmahlzeiten auf. In meinem Fall sind es 30 g/Mahlzeit. Machen Sie sich nun die Mühe, eine Liste zu erstellen, welche Lebensmittel 30 Gramm Protein enthalten. Hängt das einmal am Kühlschrank, haben Sie immer eine Art Baukasten zur Hand."
Bewegung: Von nichts kommt nichts
Kristine Zellers Sportprogramm ist vollgepackt: einmal pro Woche laufen, dreimal Gewichte stemmen, mittwochs Box-Training und am Wochenende Tennis. Warum? Eine Studie aus den USA und China, veröffentlicht im Journal of the American College of Cardiology, zeigt, dass regelmäßiger Sport das Sterberisiko bei Männern um 15 Prozent und bei Frauen gar um 24 Prozent senkt. Besonders vorteilhaft ist Krafttraining. Zeller: "Wenn ich eine Sportart empfehlen müsste, dann immer Krafttraining." Muskeln sind unser Motor – sie liefern
Energie, stärken Gelenke und Knochen und halten uns bis ins Alter aktiv. Leider wird Krafttraining noch oft als männlich angesehen, viele Frauen setzen fälschlicherweise auf schweißtreibende HIIT-Workouts (High Intensity Interval Training). Zu viel davon kann jedoch den Cortisolspiegel erhöhen, was den Körper dazu bringt, Fettreserven zu halten. Ein- bis zweimal pro Woche ist ausreichend. Besonders für Frauen in den Wechseljahren ist Krafttraining wichtig, da es die Knochendichte erhöht. Um Muskeln aufzubauen, müssen sie bis zur Erschöpfung gefordert werden, indem der Trainingsreiz kontinuierlich gesteigert wird. "Wichtig zu wissen ist: Wenn man von null kommt, braucht es nicht viel, um erste Erfolge zu sehen", sagt Zeller. Sie empfiehlt dreimal wöchentlich 30 bis 45 Minuten Krafttraining mit mindestens einem Ruhetag dazwischen.
Katis Tipp: Als Cardio-Einheiten sollten Sie möglichst mindestens ein Ausdauertraining mit niedriger Herzfrequenz und längerer Dauer und ein HIIT-Training mit hoher Herzfrequenz und kurzer Dauer in der Woche wählen.
Erholung: Völlig unterschätzt? Schlaf!
Spätestens um 22 Uhr gehen bei unseren Expertinnen die Lichter aus, denn der Schlaf ist ihnen heilig. Die Gesellschaft räumt Schlaf allerdings keinen besonders hohen Stellenwert ein. Im Gegenteil: Wenig Schlaf zu brauchen, gilt fast schon als Erfolg, und das Motto "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin" ist weit verbreitet. Dabei braucht unser Körper sieben bis acht Stunden Schlaf, um sich zu regenerieren. In dieser Ruhephase verarbeitet das Gehirn Informationen, Zellen erneuern sich, das Immunsystem wird gestärkt und der Stoffwechsel angekurbelt. Eine Studie der Harvard University zeigt, dass guter Schlaf das Leben von Frauen um etwa 2,5 Jahre und das von Männern um 5 Jahre verlängern kann. Zudem ist das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs zu sterben, bei Menschen mit guter Schlafqualität deutlich geringer. Ernst hat deshalb eine entscheidende Veränderung vorgenommen: "Vorletztes Jahr habe ich angefangen, jeden Abend zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen. Das hat mein Leben verändert", sagt sie. Sie fühlt sich tagsüber nicht mehr müde und hat mehr Energie als je zuvor. Um das zu erreichen, beginnt sie etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen mit einer individuellen Abendroutine. Ob Lesen, Tagebuch schreiben, Yoga oder Meditation – bei gedämpftem Licht soll das getan werden, was den Stress des Tages abbaut. Wichtig: Handy und Fernseher sind ab sofort tabu! "Wer das einmal verinnerlicht hat, will es nie wieder anders machen. Die neu gewonnene Energie ist unbezahlbar."
Katis Tipp: "Probieren Sie im nächsten Urlaub, ihre optimale Schlafdauer zu finden. Dazu sollten Sie immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen, keinen Wecker stellen und den Körper ausschlafen lassen. Er wird von selbst merken, wie viel Schlaf er braucht."
Longevity bestimmt ihr Leben: Unsere Expertinnen wollen beide über 100 Jahre alt werden
PR, Katja HentschelEmotionale Beziehungen: Mit sich und mit anderen
Mit den Nachbar*innen streiten, sich ständig über die Kolleg*innen ärgern, Familie, Freund*innen und Bekannte vernachlässigen – das kann ähnlich schädlich sein wie Rauchen oder Alkoholmissbrauch. Dass karge soziale Beziehungen zum frühen Tod führen können, haben allerdings weder die Gesundheitsbehörden noch die Öffentlichkeit wirklich auf dem Schirm. Ein Team von Psycholog*innen der Brigham Young University in Utah hat Daten aus 148 Studien mit über 308.000 Teilnehmenden ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, ein hohes Alter zu erreichen, um sagenhafte 50 Prozent steigt, wenn man von unterstützenden Menschen umgeben ist, die einem dabei helfen, sich in der emotionalen Balance zu halten. Nicht zu unterschätzen ist auch die gute Beziehung zu sich selbst. "Mit sich selbst im Reinen zu sein, sich selbst zu mögen, ist genauso entscheidend wie gute soziale Beziehungen", sagt Kati Ernst. Wichtig sei es, sich bewusst zu machen, welchen Sinn man im Leben sieht, eine gewisse Resilienz gegenüber Stress aufzubauen und einen guten Umgang mit Rückschlägen zu finden. Wer dankbar sein und sich jeden Tag ein bisschen darüber freuen kann, dass er gesund ist, tut schon einiges dafür, dass es auch so bleibt.
Eine super Übung: Das Pennebaker Writing Protocol ist eine Journaling-Methode, bei der man viermal 15 Minuten über ein Thema schreibt, das einen emotional stark belastet. Das kann man an vier Tagen hintereinander oder einen Monat lang z. B. jeden Montag machen. Wichtig ist, den Stift nicht abzusetzen. Der Effekt soll einer Therapie gleichen. Probieren wir direkt aus!