ROUNDUP: Polen und Ungarn wegen EU-Blockade unter Druck

BRÜSSEL/BERLIN (dpa-AFX) - Ungarn und Polen geraten wegen ihrer Blockade der milliardenschweren Corona-Konjunkturhilfen und des langfristigen EU-Haushalts unter Druck. Deutschland und andere EU-Staaten riefen die Regierungen in Warschau und Budapest am Dienstag in einer Videoschalte auf, ihr Veto fallenzulassen. Zudem sind CDU und CSU wieder mit Forderungen nach einem Ende der Zusammenarbeit mit der ungarischen Regierungspartei Fidesz konfrontiert. Diese ist ebenfalls Mitglied der konservativen europäischen Parteienfamilie EVP.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte nach Angaben von Teilnehmern in einer Video-Sitzung der Unionsfraktion, es gehe nun darum, mit allen Seiten eine Lösung zu finden. Dies gehöre zu den schwierigeren Problemen und setze "ein bisschen" guten Willen voraus. Sie hoffe, dass es diesen guten Willen gebe. Sowohl unter den Mitgliedsstaaten als auch mit der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament sei eine Lösung ohne Rechtsstaatlichkeit allerdings nicht möglich.

Das von Ungarn und Polen kritisierte Verfahren sieht konkret vor, bei bestimmten Verstößen gegen Grundwerte der EU die Kürzung von Finanzhilfen zu ermöglichen. Das soll zwar nur dann möglich sein, wenn ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. Dies könnte aber schon der Fall sein, wenn eine mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten begründete Bedenken weckt, dass Entscheidungen über die Verteilung von EU-Mitteln nicht mehr unabhängig kontrolliert werden können. Den Regierungen in Ungarn und Polen wird immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen.

An der Videoschalte der EU-Staaten waren die für allgemeine Angelegenheiten zuständigen Minister beteiligt. Sie wurde von zahlreichen Teilnehmern genutzt, um ihren Unmut über die Blockade zum Ausdruck zu bringen. "Es ist nicht die Zeit für Vetos, sondern für schnelles Handeln im Geiste der Solidarität", sagte der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD). EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn warnte vor politisch unvorstellbaren Konsequenzen, sollte das Finanzpaket scheitern. "Es geht um die Zukunft Europas."

Ungarn und Polen wiesen die Kritik vehement zurück. Die ungarische Justizministerin Judit Varga sagte, beim Thema Rechtsstaatlichkeit gehe es um "ideologische Debatten". Der geplante Mechanismus könne willkürliche Verfahren zur Folge haben. Polens Europaminister Konrad Szymanski kritisierte, es gebe einen Mangel an rechtlichen Garantien. Man habe die Probleme angesprochen, deswegen dürften die jüngsten Entwicklungen niemanden überraschen.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte unterdessen vor Zugeständnissen an die beiden Länder. "Wenn die EU jetzt einknicken würde, dann würde sie ihre Werte verkaufen", sagte Asselborn dem "Tagesspiegel" (Dienstag). Die EU müsse standhaft bleiben.

Die Forderung nach einem Ausschluss der Fidesz-Partei kam unter anderem von EVP-Parteichef Donald Tusk. Der Pole rief CDU, CSU und andere Mitgliedsparteien indirekt dazu auf, diesem Schritt nicht mehr entgegenzustehen. "Wer auch immer gegen das Prinzip des Rechtsstaats ist, ist gegen Europa", schrieb Tusk auf Twitter. Er erwarte von allen EVP-Parteien eine klare Position. "Die Gegner unserer Grundwerte sollten von niemandem mehr beschützt werden."

Deutsche Unions-Politiker gaben sich davon unbeeindruckt. Der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt, sagte: "Ich glaube nicht, dass die blockierte Situation sich dadurch auflösen lässt, dass man die Fidesz aus der EVP ausschließt." Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary, sagte, ein Rausschmiss des Fidesz helfe jetzt niemandem. Die Blockade sei zwar inakzeptabel. Nun gehe es jedoch erstmal darum, "in dieser schlimmen Corona-Situation" den EU-Haushalt, die Corona-Hilfen und den Rechtsstaatmechanismus in Gang zu setzen.

Wie die Blockade gelöst werden kann, ist unklar. Roth sagte, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft arbeite hart daran, die Hürden aus dem Weg zu räumen. Nach Angaben von EU-Diplomaten dürfte das Thema die für diesen Donnerstagabend geplante Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs dominieren. Deutschland hat noch bis Ende des Jahres den rotierenden EU-Ratsvorsitz inne.