Warum Scheitern nichts Negatives ist und wobei einem Fehler sogar helfen können

Scheitern

Scheitern ist unumgänglich. Worauf man Einfluss hat: Welche Perspektive man Fehlern gegenüber einnimmt

SAUL LOEB/AFP via Getty Images,

Wohl niemand wünscht sich, in einem Vorhaben zu scheitern. Fakt ist aber, dass nicht alles, was man beginnt, gelingen kann. Immer besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht funktioniert, frühzeitig beendet werden muss oder erst gar nicht in Gang kommt. Würde man dieses Risiko nicht eingehen, wäre keine Bewegung, keine Chance, kein Vorankommen je möglich. Der Preis für ein Leben ohne die Möglichkeit des Scheiterns ist also groß und sie bedeutet: Stillstand.

Hierzulande hat Scheitern einen schlechten Ruf. Man geht lieber auf Nummer sicher, hat vielleicht Angst vor der Kritik anderer und empfindet Fehler häufig als Bedrohung. Bereits Ende der 90er-Jahre wurde in einer Studie an der Leuphana Universität Lüneburg die Fehlerkultur in Bezug auf die Fehlertoleranz von 61 Ländern verglichen. Deutschland landete auf dem vorletzten Platz.

Warum gehen wir häufig so hart mit uns ins Gericht und sind Fehlern gegenüber so negativ eingestellt? Auch ich hatte in meinem Leben oft Angst vor dem Versagen, habe meine Möglichkeiten nur halbherzig ausgeschöpft – und bin dennoch gescheitert. Mein Blick auf das Fehler machen hat sich in den letzten Jahren verändert. Und diese Denkansätze inspirieren mich …

Was bedeutet es, zu scheitern?

Jeder Entscheidung, die wir treffen, und jeder Aufgabe, mit der wir uns auseinandersetzen, geht eine gewisse Erwartung voraus. Wird diese nicht erfüllt, wird das oft als Scheitern verstanden. Ebenfalls ist es möglich, aufgrund äußerer, nicht beeinflussbarer Einflüsse sein erhofftes Ziel zu verfehlen.

Konkret kann Scheitern so aussehen: das Ende einer Beziehung oder Ehe, ein unerfüllter Lebenstraum, eine Kündigung im Job, eine private oder berufliche Insolvenz. Es könnte zum Beispiel sein, dass man all seinen Mut, seine Leidenschaft und sein Geld nimmt, ein Business startet, und dennoch scheitert. Ob man scheitert, hat dabei nicht zwingend damit zu tun, ob man sich Mühe gibt oder nicht.

Was Scheitern und Fehler so schmerzhaft macht

Zu scheitern, kann sich wie ein Kontrollverlust anfühlen. Man verliert seinen Weg aus den Augen, empfindet die Situation zumindest im ersten Moment als aussichtslos. Psychologin und Autorin Stefanie Stahl beschreibt auf ihrer Website, dass Fehler das Schmerzzentrum im Gehirn aktivieren und man in der Folge tatsächlich leidet. Denn: Die meisten von uns empfinden verbinden Scheitern mit Unbehagen, und dieses Gefühl wird wiederum vom Gehirn als Gefahr eingestuft.

Je mehr man das Scheitern mit sich selbst, und dem, was man ist, verbindet, desto mehr kann das Einfluss auf den Selbstwert haben. Und als desto gefährlicher sieht das Gehirn einen Misserfolg in der Folge.

Wobei Scheitern helfen kann

Ich möchte die größten Krisen meines Lebens nicht glorifizieren. Meine Wochenbettdepression zum Beispiel ist wirklich nichts, was ich mir jemals so für mein Leben oder den Start in meine Mutterschaft gewünscht hätte. Dennoch glaube ich heute, dass genau dieses Scheitern mich auf den Weg zu mir und der Auseinandersetzung mit dem, was mich an meinem erfüllten Leben stets hinderte, gebracht hat. Es hat mir bewusst gemacht, dass ich mein Leben ändern muss.

„Ich dachte immer, wenn ich die Augen verschließe oder nicht hinhöre, geht etwas weg“, sagt Mentorin und Coach Lotta Katharina Laabs im Get Happy Podcast von und mit Kathie Kleff. Aber und das sagt auch Laabs: Nichts verschwindet wirklich, bevor man sich nicht damit auseinandergesetzt hat. Man heilt durch Hinschauen. Sich seinem Scheitern und seinen Krisen nicht zu stellen, steht dem im Weg. Nach einer Krise sei man wieder wachsamer, wertschätzender und demütiger der Großartigkeit des Lebens gegenüber, so Laabs. Dieser Prozess, also eine Krise und ein Scheitern zu durchleben, kann und darf aber Zeit dauern.

Was die Haltung Fehlern gegenüber verändern kann

Nicht jedes Scheitern kommt einer Lebenskrise gleich. Unabhängig davon, ob die Situation riesengroß ist oder nicht, kann es helfen, zu akzeptieren und anzunehmen, was ist. Nach einem Verharren im Scheitern (das übrigens total normal ist), kann man überlegen, welche Optionen man hat. Zu handeln schenkt wieder Orientierung und Hoffnung.

Hier finde ich ein einfaches Bild, das meine Psychologin in der Vergangenheit mit mir geteilt hat, wertvoll: Das Leben verläuft in Wellen und keine Welle bleibt für immer im Tal – sie geht immer wieder nach oben. Nachdem man an oder mit etwas gescheitert ist, wird man nicht ewig am Boden liegen.

3 Tipps, wie man mit alltäglichem Scheitern besser umgehen kann

Laut Psychologin Stefanie Stahl gibt es drei Dinge, die im Umgang mit alltäglichen Fehlern und alltäglichem Scheitern besonders helfen können:

  • Erwartungen anpassen: Wer sich allerhöchste Ziele setzt, scheitert leichter. Realistische und vielleicht sogar etwas geringere Erwartungen können Enttäuschungen vorbeugen. Hierbei kann es helfen, sich mit möglichen Ergebnissen auseinanderzusetzen – und zu versöhnen.

  • Den Fokus verschieben: Das Bewerbungsgespräch verlief nicht, wie erhofft? Das kann und darf zunächst wehtun und enttäuschen. Sich im Anschluss auf ein neues Projekt, beispielsweise in Form einer anderen Bewerbung, zu konzentrieren, kann helfen, besser über die Enttäuschung hinwegzukommen.

  • Radikale Akzeptanz: Das Wetter im Urlaub ist mies, es regnet in Strömen an der Hochzeitsfeier im Garten, die Beziehung mit dem vermeintlichen Traumpartner oder der Traumpartnerin kommt nicht zustande. Sich gegen unveränderbare Tatsachen zu wehren, kostet viel Energie. Sie ohne zu hinterfragen erst einmal anzunehmen, kann helfen, den Blick zu weiten und milder machen.

Die Enttäuschung nach einem Scheitern darf da sein. Es ist fatal und kein gesunder Umgang mit Scheitern oder Fehlern, sich dieses Gefühl abzusprechen. Häufig macht Scheitern gerade deshalb Angst, weil man das Halten und Durchleben der damit verbundenen Emotionen fürchtet. Ja: Nicht jedes Gefühl ist angenehm und Emotionen da sein zu lassen, kann Trauer und Schmerz bedeuten. Zu glauben, dass man einen Leidensweg umgeht, indem man sich gewissen Gefühlen nicht stellt, ist jedoch ein Trugschluss. Scheitern kann einen viel über sich selbst lehren und den Fokus ins Innen richten – und ein Leben in Fülle und Erfüllung ermöglichen.

Die gute Nachricht zum Schluss: Scheitern ist menschlich. Die schlechte: Scheitern ist menschlich und unumgänglich. Nutzen wir die Chance, die darin liegt. Mit offenem Blick und mit offenem Herzen.