Sigma Males: Wenn toxische Männer wie Andrew Tate und Patrick Bateman zum Vorbild werden, dann haben wir ein Problem
Schon Herbert Grönemeyer fragte 1984 "Wann ist ein Mann ein Mann?". Glaubt man dem Trend, der sich gerade auf TikTok breit macht, dann ist die Antwort "wenn ein Mann ein Sigma Male ist!". Neben den Incels und den Alpha Males hat sich nun noch eine Gruppe von Männern dazu gesellt, die man ohne Frage als toxisch bezeichnen kann. Ja, Männer, Ihr sollt Vorbilder haben. Aber doch bitte keinen Sigma Male!
Nach Alpha Males kommen Sigma Males
Eigentlich kommt im griechischen Alphabet nach Alpha übrigens Beta. Sigma ist der 18. Buchstabe. Milliarden Mal wurde der Hashtag sigma auf TikTok aufgerufen. Unter #sigmamales finden sich ebenfalls Milliarden Aufrufe. Ob die Aufrufe als Lehrstücke oder zur Unterhaltung angeschaut werden, bleibt unklar. Hoffen wir mal auf Letzteres.
Was sind Sigma Males?
Sigma-Males gelten als eine Art Bruder des Alpha-Males, weisen jedoch eine ausgeprägte Abneigung gegenüber sozialen Hierarchien und dem Bedürfnis nach äußerer Bestätigung auf. Der Begriff wird verwendet, um einen Mann zu beschreiben, der genauso dominant ist wie ein Alpha-Männchen, jedoch außerhalb dieser Hierarchie als "einsamer Wolf" existiert. Ihr Streben richtet sich nach innerer Stärke und Autonomie. Was zeichnet den vermeintlich Sigma Male aus? Nun, vor allem braucht er eines: Ein krasses Desinteresse an anderen Menschen, insbesondere an Frauen. Beziehungen? Gefühle zeigen? Alles Nonsens für den Sigma Male. Sein einziger Fokus liegt auf Macht, Erfolg und vor allem auf sich selbst. Sigma Males betrachten sich als überlegen gegenüber allem und jedem, und sie sind Einzelgänger. Der hypermaskuline Sigma Male kümmert sich wenig um die Bestätigung anderer. Arrogant, gefühlskalt, misogyn – dies sind nur drei der uncharmanten Charaktereigenschaften. Sie zeigen keine Gefühle, denn sie halten das für ein Zeichen von Schwäche. Dominanz ist für sie das A und O. Deshalb haben sie auch kein Problem damit, andere Personen herabzuwürdigen – vor allem Frauen. Es ist besorgniserregend zu beobachten, wie einige Anhänger der Sigma Male Bewegung im Internet Bodyshaming betreiben und digitale Angriffe gegen die LGBTQIA+-Community führen. Dies geschieht, weil sie diese Bewegungen als eine potenzielle Bedrohung für das traditionelle Bild des starken Mannes betrachten. Die Mitglieder dieser Bewegung behaupten, zu jenem einen Prozent der Bevölkerung zu gehören, das sich nicht nur auf Sex und Partys konzentriert, sondern auch auf den Erfolg im Leben. Infolgedessen entwickeln die extremsten Anhänger dieser Gruppe eine diskriminierende Haltung nicht nur gegenüber Minderheiten oder Bewegungen, die unterschiedliche soziale Ideen vertreten, wie zum Beispiel die Gleichberechtigung der Geschlechter, sondern auch gegenüber allen, die andere Interessen verfolgen als sie selbst. Obwohl sie pragmatisch sein können, werden Sigma-Males von vielen als distanziert, paranoid, geheimnisvoll und egoistisch wahrgenommen.
Der Unterschied zwischen Sigma Males und Alpha Males
Sigma Männer behaupten sich als ultimative Einzelkämpfer, die an der Spitze der Gesellschaft stehen. Allerdings isolieren sie sich dabei vollständig von anderen. Diese Isolation erstreckt sich nicht nur auf ihre Gedanken, sondern auch auf ihre emotionale Welt. Sie verkörpern auf der einen Seite das Klischee des starken Mannes und gleichzeitig repräsentieren sie toxische Männlichkeit. Wer sich mal durch die Videos zum Hashtag #sigmamales durchscrolled, wird schnell feststellen, dass Frauen, wenn überhaupt präsent, lediglich als Mittel zum Zweck dienen. Sie dienen als Objekte, die zum Ausnutzen gedacht sind. Von ihnen und ihrer vermeintlichen "Schwäche" gilt es sich zu distanzieren. Im Gegensatz zur Alpha-Male-Bewegung, bei der Frauen einen festen Platz haben – nämlich unter dem Mann – scheinen Frauen für Sigma Males keinerlei aktive Rolle zu spielen. Sie erscheinen als zu unbedeutend, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Im Grunde sollte das nicht überraschen, wenn man sich ansieht, wen die Sigma Male Bewegung zu ihren Vorbildern erkoren hat.
Die Patrick Bateman Obsession und andere Vorbilder
Ein Name der immer wieder auftaucht ist der von Andrew Tate. Ein ehemaliger britischer Kickboxer, der die Aufmerksamkeit im Internet auf sich gezogen hat, in dem er eine ganze Reihe von Videos hoch lud, in denen Frauen (und andere Gruppierungen) beleidigt und niedergemacht wurden, während seine Aussagen immer waren "als echter Mann tut man dieses und jenes (nicht)". Seine selbst zusammengezimmerten Weisheiten verkaufte er anderen Männern, die so sein wollen wie er, in Onlinekursen. Übrigens sitzt dieser "echte Mann" im Knast, weil ihm Vergewaltigung und Menschenhandel vorgeworfen wird – alles Anschuldigungen, die er bestreitet. Eine Verhandlung diesbezüglich hat es noch nicht gegeben. Doch die Sigma Male Bewegung sucht sich ihre Vorbilder auch in der Literatur. Im Film American Psycho ist der Hauptcharakter Patrick Bateman das Paradebeispiel für einen Sigma Male. Für diejenigen, die den Film aus dem Jahr 2000 nicht kennen: Bateman ist ein sadistischer Psychopath, der seine Gewaltfantasien auslebt und Frauen ermordet – und das alles mit einem äußerst gepflegten Erscheinungsbild. Fast schon ikonisch ist Batemans Morgenroutine im Film. Der erfolgreiche Investmentbanker beginnt seinen Tag mit Sit-ups und einer Eismaske gegen müde Augen. Seine Hautpflegeroutine besteht aus mehreren Schritten, während sein Frühstück aus einem Smoothie besteht. In seinem akkurat organisierten, übergroßen Kleiderschrank reihen sich die Anzüge. Patrick Bateman verkörpert die düsteren Facetten eines Menschen, geprägt von Gewalt, Narzissmus und psychopathischem Verhalten. Einige Anhänger der Sigma Male Bewegung betrachten seine Figur als Inspiration für ihre distanzierte und egoistische Haltung.
Die Morgenroutine von Patrick Bateman
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Darum sind Sigma Males ein gefährlicher Trend
Menschen brauchen Vorbilder und die sucht man sich manchmal auch online. Aber doch bitte keinen Sigma Male mit seiner toxische Männlichkeit in Reinform. Der Hype um Sigma Males beeinträchtigt nicht nur die Männer selbst, sondern auch Frauen und die Gesellschaft als Ganzes. Das Problem erstreckt sich von der isolierten, gefühlskalten Welt, in die sich Sigma Males flüchten, ohne Sozialleben oder Beziehungen, bis hin zur noch gravierenderen Glorifizierung von Gewalt, Wutausbrüchen, Aggressionen und Sexismus. Frauenfeindliche Männlichkeitsideale können real werden und sind nicht bloß Unterhaltung, auch wenn die Videos auf TikTok oft als lächerlich erscheinen. Es scheint Männer zu geben, die solche Ratschläge ernsthaft verinnerlichen und sich bemühen, frauenfeindliche Männerrollen anzunehmen, die in unserer Welt einfach keinen Platz haben dürfen.