Das Sommer-Lied von „Ben Gaya“ haben auf Instagram über eine Million User geklickt – nur ist er ein KI-Avatar

Ben Gaya ist auf den ersten Blick ein Influencer wie jeder andere – doch in Wahrheit hat ihn eine Werbeagentur unter Einsatz Künstlicher Intelligenz entwickelt. - Copyright: Construktiv GmbH
Ben Gaya ist auf den ersten Blick ein Influencer wie jeder andere – doch in Wahrheit hat ihn eine Werbeagentur unter Einsatz Künstlicher Intelligenz entwickelt. - Copyright: Construktiv GmbH

Ben Gaya veröffentlicht seine erste Single „Sunshine Soul“ und sammelt mit dem dazugehörigen Clip 1,2 Millionen Klicks auf Instagram. Keine Frage, Ben ist ein Sonnyboy – auf den ersten Blick. Denn wenn der attraktive Lockenkopf im kitschigen Zwei-Minuten-Video seinen Blick über das Meer schweifen lässt, sanft die Gitarrensaiten anschlägt und dabei von Surfboards und Palmen singt, fällt aufmerksamen Zuschauenden auf: Hier performt kein echter Mensch.

Denn Ben Gaya existiert nur im Internet, generiert von einem Marketing-Team mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI). Die sanfte Soul-Stimme des Avatars ertönt technisch perfekt, klingt aber unvollkommen und geradezu roboterhaft. Zuweilen verschwimmen die Finger des Sängers beim Streichen über die Gitarre ineinander. Und den Songtext bilden aneinandergereihte Worthülsen zum Thema Sommer.

Eine Werbeagentur aus Bremen steckt hinter dem KI-Musiker – sie testet neue Marketingstrategien auf Social Media

Trotzdem kommentieren manche Userinnen und User unter dem Reel „Großartiger Song“, „Ich liebe dieses Lied“ oder „Schöner Sommersound“. Dafür ernten sie teils spöttische Fingerzeige anderer Nutzender, oft aber auch dankbare Herzchen-Emojis von Ben.

Hinter dem Account steht die Bremer Werbeagentur Construktiv. Im späten Frühjahr dieses Jahres ging es los: Construktiv entwickelt Ben über zwei Monate hinweg unter Einsatz verschiedener KI-Tools, wie der Nachrichtensender Welt TV berichtet. Und "Ben" bekommt auch seinen eigenen Instagram-Account. In der Bio steht: "Driven by ai (an Kai, Florian & Leon)". Wer die Info im Profil liest, dürfte verstehen, dass nicht Ben Inhalte postet. Gleichwohl setzt die Agentur am 1. Juli den ersten Post in seinem Namen ab, sein erstes Foto mit der Unterschrift „Ich hoffe, mit meinem neuen Insta werde ich mit vielen von euch in Kontakt treten“.

Die Firma Construktiv setzt Ben in erster Linie als Influencer ein, um Werbestrategien auf Social Media zu erproben. „Es war nie unsere Ambition, jetzt groß ins Musikbusiness einzusteigen, sondern es ging eher darum, auszutesten und auszuloten, was man mit KI überhaupt erreichen kann“, erklärt Geschäftsführer Björn Schneider im Interview mit Welt TV.

Den ersten Werbedeal hat Ben sogar schon an Land gezogen. Für die jährlichen Kids‘ Choice Awards des Fernsehsenders Nickelodeon steuert er im Juli einen Song samt Video mit der Cartoonfigur Spongebob Schwammkopf bei.

Geht Ben Gaya bald als Hologramm auf Tournee?

Einfache Prompts der Construktiv-Mitarbeitenden reichen aus, damit das KI-Programm Suno die gewünschten Sounds zusammenmischt und Liedtexte erstellt. Das passende Video produzieren die Macherinnen und Macher in ihrem eigenen KI-Designstudio. Auf diese Weise haben sie mit Ben den laut eigenen Angaben ersten KI-Musiker Europas entwickelt. "Es ist quasi eine perfekte Symbiose aus Mensch und Maschine", so Agentur-Chef Kai Tietjen in einer Pressemitteilung.

Mithilfe von KI rekonstruierten im vergangenen Jahr sogar die Beatles die Stimme ihres 1980 ermordeten Bandmitglieds John Lennon. Auch den verstorbenen George Harrison bauten die beiden verbliebenen Musiker Paul McCartney und Ringo Starr in den Track „Now and Then“ ein. Und erst im Juli trendeten KI-generierte Schlagerlieder in den deutschen Charts der Streaming-Plattform Spotify, lösten mit ihren provokanten Texten aber bald eine Kontroverse aus.

Inzwischen stimmt KI-Avatar Ben Gaya auf Social Media seine Fans auf die zweite Single mit dem Titel "Sunwave Dreams" ein und schreibt unter einen Post: „Ich kaum erwarten, mit euch zu teilen, woran wir gearbeitet haben.“

In zwei Jahren, so Entwickler Björn Schneider zu „Bild“, könnte Ben in der echten Welt auftreten – und zwar als Hologramm.

mj