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Streit um Mehrwertsteuer bei Gasumlage: Familien könnten um 190 Euro entlastet werden, wenn sie nicht erhoben wird

Beim Gas könnte es bald noch teuerer werden, wenn der Staat die Unternehmen die steigenden Kosten auf Verbraucher umlegen lässt. - Copyright: Getty Images
Beim Gas könnte es bald noch teuerer werden, wenn der Staat die Unternehmen die steigenden Kosten auf Verbraucher umlegen lässt. - Copyright: Getty Images

An der vom Bundeskabinett beschlossenen Gasumlage zur Entlastung von Importeuren könnte der Staat mitverdienen. Denn unklar war am Freitag zunächst, ob auf die vom Kabinett am Vorabend beschlossene Kostenerhöhung für Gaskunden ab Oktober auch Mehrwertsteuer fällig werden wird. Zwar würden sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) gern auf die Steuerbelastung von 19 Prozent verzichten. Das gilt aber als schwierig, weil solche Ausnahmen im Europarecht laut Finanzministerium nicht vorgesehen sind.

"Als Bundesfinanzminister möchte ich die Gasumlage nicht besteuern", sagte Lindner am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Es sei abwegig, die Gaskunden als Staat noch mehr zu belasten. Der Bund sei jedoch an EU-Recht gebunden. "Ich werde nun alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Mehrbelastung abzuwenden", versprach er. Nötig seien nicht neue Belastungen, sondern Entlastungen für die breite Mitte.

Das würde die Mehrwertsteuer pro Jahr den Verbraucher kosten

Die genaue Höhe der Umlage soll bis zum 15. August ermittelt werden. Bisherige Berechnungen des Wirtschaftsministeriums gehen von einer Spanne zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde aus. Inklusive Mehrwertsteuer von 19 Prozent würde das für einen Singlehaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden laut Vergleichsportal Check24 eine Umlage von 89 bis 298 Euro bedeuten. Auf eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden kämen demnach Mehrkosten zwischen 357 und 1190 Euro zu. Würde auf die Mehrwertsteuer verzichtet, müsste die Musterfamilie pro Jahr bis zu 190 Euro weniger zahlen. Für den Single-Haushalt fielen bei einer Umlagehöhe von fünf Cent 250 statt 298 Euro an.

Mit der Umlage will die Regierung einen Zusammenbruch von Importeuren infolge stark gedrosselter russischer Gaslieferungen verhindern. Sie soll ab Oktober greifen und Importeuren helfen, die Gas gerade zwar deutlich teuerer einkaufen müssen, diese Mehrkosten aber gemäß vertraglicher Regeln nicht ihren Kunden in Rechnung stellen können.

Aus Kreisen des Finanzministeriums hieß es, das Klimaschutz- und Wirtschaftsministerium habe die Umlage so ausgestaltet, dass nach europäischem Recht eigentlich Mehrwertsteuer anfallen müsse. Habeck verteidigte die Umlage als notwendig. "Aber sie sollte nicht noch zusätzlich durch die Mehrwertsteuer erhöht werden", sagte er dem "Tagesspiegel" Er hoffe, dass das Finanzministerium Wege finde.

Auch die Industrie ist von der Umlage betroffen

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) monierte, der Staat dürfe nicht Krisengewinner sein. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebig schlug vor, die Mehrwertsteuer für Strom-, Gas- und Wärmelieferungen auf europäisch erlaubte sieben Prozent zu senken. "Das würde den leider unvermeidbaren Preisanstieg für Haushalte zumindest etwas kompensieren." Zusätzlich könne die Bundesregierung die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß reduzieren.

Von der Umlage ist neben Privatverbrauchern auch die Industrie betroffen. Die Stahlindustrie, die als besonders energiehungrig gilt, leide bereits jetzt unter den Energiepreis-Steigerungen, teilte die Wirtschaftsvereinigung Stahl mit. Im Vergleich zum Vorjahr entstünden aktuell Mehrkosten von rund sieben Milliarden Euro pro Jahr. Bei einer Gasumlage in Höhe von fünf Cent pro Kilowattstunde käme eine weitere Milliarde hinzu. Die Umlage müsse so ausgestaltet werden, "dass sie auch der besonderen Situation von energieintensiven Unternehmen im internationalen Wettbewerb Rechnung trägt", verlangte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung, Hans Jürgen Kerkhoff.

SPD-Bundestagsfraktionsvize Achim Post sagte, im Zweifel müssten die staatlichen Mehreinnahmen durch die Umlage als Entlastungen an Bürger und Bürgerinnen zurückgegeben werden. Generell seien weitere Entlastungen über die bereits beschlossenen Maßnahmen hinaus nötig - für besonders betroffene Menschen und Betriebe. Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sagte der "Rheinischen Post" (Samstag): "Wenn im Herbst und Winter die Gas-Umlage und die steigenden Preise auf den Rechnungen ankommen, braucht es zielgenaue, soziale Entlastungen." Neben den bereits angekündigten Schritten werde es ein weiteres Entlastungspaket geben.

tlf / MIt Material der dpa