Turnerinnen in langen Hosen: "Wir wollen uns wohlfühlen in unserer Haut"

Sarah Voss im Oufit mit langen Hosenbeinen bei der EM in Basel. (Bild: REUTERS/Arnd Wiegmann)
Sarah Voss im Oufit mit langen Hosenbeinen bei der EM in Basel. (Bild: REUTERS/Arnd Wiegmann)

Beim Turnen gibt es einen klaren Dresscode mit sehr engen Leibchen. Nationalmannschaftsturnerin Sarah Voss setzte jetzt mit ihrem Outfit bei der EM in Basel ein Zeichen dagegen.

Im Trainings-Alltag turnen die Athletinnen ganz selbstverständlich in langen Hosen, doch im Wettkampf ist der Normalzustand für Turnerinnen noch immer, in hautengen Turnanzügen ohne Bein aufzulaufen, ähnlich eines Badeanzugs. Doch immer mehr Sportlerinnen begehren gegen diesen Standard auf. Bei der Europameisterschaft in Basel machte der Auftritt von Sarah Voss nun Schlagzeilen. Die 21-jährige Frankfurterin trat in einem eleganten schwarz-roten Ganzkörperanzug an. Es war auch ein bewusstes Symbol gegen die Sexualisierung der Sportlerinnen.

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Die Anzüge hatten die Athletinnen selbst mit designt. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Voss: "Als Teil der deutschen Turn-Nationalmannschaft sind wir für viele jüngere Sportlerinnen auch ein Vorbild und möchten ihnen damit eine Möglichkeit aufzeigen, wie sie sich auch in einer anderen Bekleidungsform ästhetisch präsentieren können, ohne sich bei bestimmten Elementen unwohl zu fühlen."

"Zunehmend ungutes Gefühl" in der Pubertät

Mit diesem Gefühl steht die WM-Siebte am Balken offensichtlich keineswegs alleine da. Denn ihrem Beispiel wollen auch andere deutsche Turnerinnen nun folgen. Beim heutigen Finale im Mehrkampf entschlossen sich auch ihre Nationalmannschaftskolleginnen Elisabeth Seitz und Kim Bui, mit den handgeschneiderten langen Anzügen aufzulaufen. Die Stuttgarterin Seitz hatte sich bereits zuvor in einem Interview mit dem SWR über die häufige Verwendung von Fotos mit anzüglichen Motiven beschwert. Auch Sarah Voss erzählte dem ZDF von ihren bisherigen Erfahrungen: "Wir Frauen wollen uns alle wohlfühlen in unserer Haut. In der Sportart Turnen wird das immer schwieriger, je weiter man sich von seinem Kinderkörper entfernt. Als kleines Mädchen fand ich die knappen Turnanzüge nicht so hochdramatisch. Aber als die Pubertät begann, als die Periode dazu kam, da hatte ich zunehmend ein ungutes Gefühl."

Nach Tokio in langen Hosen

Voss, die knapp am Einzug in das Finale im Sprung scheiterte, war durchweg begeistert von ihrer Wettkampferfahrung im Anzug. Der SZ sagte sie: "Ich bin stolz, dass ich heute den Anzug tragen darf. Ich fühle mich super wohl, das ist super bequem. Ich finde, es sieht cool aus." Die Sportlerinnen hoffen, mit ihrem ungewöhnlichen Auftritt vielleicht auch anderen Turnerinnen Mut zu machen, in Sportkleidung anzutreten, in der sie sich wohlfühlen. "Wir freuen uns, wenn andere die Innovation aufgreifen und wir einen Trend gesetzt haben", sagte Voss. Über die sozialen Medien habe Voss viel Unterstützung von anderen Turnerinnen bekommen, erzählte sie. Und auch Cheftrainerin Ulla Koch stellte sich hinter die neuen Outfits ihrer Sportlerinnen.

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Auch wenn die Aufregung um die langen Gymnastikanzüge die Schlagzeilen dominierte, geht es bei den Turnerinnen momentan eigentlich um viel Größeres. Im Mai und Juni finden die internen Olympia-Qualifikationen für das Turnier in Tokio statt, bei dem auch Voss trotz eines Corona-bedingten Trainingsrückstandes gerne antreten würde.

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