Ukraine drängt Berlin zu Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern
Die Ukraine erhöht den Druck auf Deutschland, ihr Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte am Donnerstag nach Beratungen mit seinen EU-Kollegen im spanischen Toledo, er höre aus Berlin "kein einziges objektives Argument" gegen die Militärhilfe. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von "positivem Feedback" für seinen Vorstoß, ein neues Hilfspaket von 20 Milliarden Euro für Kiew zu schnüren. Umstritten bleibt aber, woher das Geld kommen soll.
Kuleba sagte, die Taurus-Marschflugkörper seien wichtig für die Gegenoffensive gegen Russland. "Sie helfen, den Krieg schneller zu beenden", betonte er nach dem Treffen an einem symbolischen Ort: einer früheren Waffenfabrik in der Weltkulturerbe-Stadt Toledo, in der die spanischen Könige früher Schwerter schmieden ließen.
Die Bundesregierung hatte zuletzt erklärt, sie sehe sich in der Taurus-Frage nicht unter Druck. Litauen rügte die deutsche Zurückhaltung: "Das hatten wir schon einmal", bedauerte Außenminister Gabrielius Landsbergis. Er spielte damit auf das monatelange Gezerre um die Lieferung deutscher Leopard-Panzer an.
Beschleunigen will die EU die Ausbildung ukrainischer Soldaten: Die Zahl geschulter Kräfte aus dem Land soll sich bis Jahresende auf 40.000 erhöhen. Die Niederlande und Dänemark bilden Ukrainer neuerdings an F-16-Kampfflugzeugen aus. Kiew hofft, bis zum Frühjahr auch die Jets selbst zu erhalten.
Borrell hofft zudem bis zum Jahresende auf einen Beschluss für ein neues Militärhilfe-Paket von 20 Milliarden Euro. Das Geld soll nach seiner Vorstellung aus dem europäischen Friedensfonds fließen, den Deutschland zu 25 Prozent finanziert. Die Bundesregierung müsste danach in den kommenden vier Jahren insgesamt fünf Milliarden Euro aufbringen, könnte sich Mittel für gelieferte Waffen aber teilweise erstatten lassen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) signalisierte Zustimmung für längerfristige Hilfen für die Ukraine. Die Europäer investierten damit in den Frieden und nichts zu tun, wäre deutlich teurer, betonte Baerbock.
Angesichts der Haushaltszwänge in Deutschland und anderen Mitgliedsländern ist aber umstritten, woher das Geld kommen soll. Baerbock nannte es "ein komplexes Unterfangen". Deutlicher äußerte sich Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg: "Ob es wirklich dieser 20 Milliarden bedarf oder wie die angesiedelt werden, das muss man noch diskutieren", sagte er in Toledo.
Die Außenminister zeigten sich in Toledo laut Borrell zudem bereit, Sanktionen gegen die Militärmachthaber im Niger nach dem Putsch vor gut einem Monat zu verhängen. Dafür soll auf deutsch-französische Initiative zunächst ein neuer Rechtsrahmen beschlossen werden, bevor es Einreise- und Vermögenssperren gegen Verantwortliche geben könnte.
Italien warnte zugleich eindringlich vor einer Militär-Intervention im Niger. Diese wäre "eine Katastrophe" und würde den Flüchtlingsdruck auf Europa noch erhöhen, sagte Außenminister Antonio Tajani.
In Toledo berieten die Europäer mit Vertretern der gestürzten nigrischen Regierung von Präsident Mohamed Bazoum und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas). Letztere hatte den Militärmachthabern mit einem militärischen Eingreifen gedroht.
Der Präsident der Ecowas-Kommission, Omar Alieu Touray, bekräftigte in Toledo, die Gemeinschaft werde "alle möglichen Mittel nutzen, um die verfassungsmäßige Ordnung im Niger wiederherzustellen". Er rief die europäischen Partner auf, jede mögliche Hilfe zu leisten.
Borrell sagte, die EU wolle alle Anfragen prüfen, ziele aber aber auf eine diplomatische Lösung. "Niemand will eine Militärintervention", versicherte er. Die frühere Kolonialmacht Frankreich ist allerdings bemüht, zumindest die Drohkulisse gegen die Junta aufrecht zu erhalten.
lob/ck