Warum du „Dr. Google“ nicht trauen solltest

Das Nachschlagen von Symptomen im Internet kann „Gesundheitsangst“ auslösen.“ [Foto: Getty]
Das Nachschlagen von Symptomen im Internet kann „Gesundheitsangst“ auslösen.“ [Foto: Getty]

Ein Arzttermin ist oftmals mit langen Wartezeiten verbunden und das Internet ist nur einen Klick entfernt. Kein Wunder also, dass viele sich an „Dr. Google“ wenden, wenn sie sich nicht gut fühlen.

Statistiken zeigen, dass Millionen von Menschen über die Suchmaschine alles Mögliche an Erkrankungen nachschlagen – von Depressionen und Lungenentzündung über Diabetes und Endometriose.

Und obwohl es so scheint, als würde man dadurch Zeit sparen, kann es schnell passieren, dass man harmlose Kopfschmerzen für einen Gehirntumor, oder Schmerzen in der Brust für Brustkrebs hält.

Ein Arzt macht sich Sorgen, dass die zunehmende sogenannte Cyberchondrie die Patienten in eine „psychologische Falle“ lockt, dadurch mehr Angst als notwendig entsteht, und die Leute wohlmöglich davon abhält, einen Arzt aufzusuchen.

Es ist Patienten häufig unangenehm, über Dinge wie sexuell übertragbare Infektionen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. [Foto: Getty]
Es ist Patienten häufig unangenehm, über Dinge wie sexuell übertragbare Infektionen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. [Foto: Getty]

„„Gesundheitsangst” ist kein neues Problem”, sagt Dr. Daniel Atkinsion, medizinischer Leiter bei Treated.com. „Es gibt sie wahrscheinlich schon seit wir Wissen über Medizin haben.“

„Aber das Internet und unmittelbar verfügbare medizinische Informationen haben das Problem ohne Zweifel in den letzten Jahren verstärkt.

„Es braucht nur eine falsche Aussage, um jemandem eine Idee in den Kopf zu setzen und Ängste zu schüren.“

Es kommt vielleicht überraschend, dass „Lungenentzündung“ der meistgesuchte Begriff aus dem medizinischen Bereich ist. Auf Google wird er im Monat durchschnittlich 2,24 Mio. mal nachgeschlagen, wie eine Recherche von Treated.com ergab.

An zweiter Stelle stehen Depressionen und Endometriose mit jeweils 1,5 Mio. Darauf folgen Angststörungen mit 1,22 Mio. Suchanfragen monatlich.

Dr. Atkins räumt ein, dass es auch Vorteile hat, so viele Informationen zum Thema Gesundheit direkt verfügbar zu haben.

„Es befähigt die Patienten zu einem gewissen Grad. Es hilft ihnen, sich darüber zu informieren, was das Problem sein kann, und wer ihnen dabei am besten helfen kann: Der Hausarzt, der Apotheker oder ein Facharzt“, sagt er.

Allerdings kommt es sehr häufig vor, dass Patienten in Panik geraten und annehmen, dass sie unter einer schlimmen Erkrankung leiden.

„Leider findet man im Internet sehr schnell unzuverlässige Informationen oder übetriebene Diagnosen“, sagt Dr. Atkins.

„Ärzte sind dazu ausgebildet, Symptome zu beurteilen und zu interpretieren. Der Laie ist das nicht.“

“Es kann also leicht passieren, dass jemand ein Symptom googelt, etwas liest, und sich dann im Kopf festsetzt, dass das Worst-Case-Szenario eingetreten ist.“

Obwohl einige bei Beschwerden direkt zu ihrem Hausarzt gehen, kann eine „Online-Diagnose“ außerdem dazu führen, dass ihre Angst zu groß wird, um sich eine professionelle Meinung einzuholen.

„In manchen Fällen entsteht dadurch eine psychologische Falle, wo eine Person zwischen zwei gegensätzlichen Vorstellungen feststeckt“, sagt Dr. Atkinson.

„Die erste ist, dass das Symptom Anzeichen einer Krankheit ist, die so schwer ist, dass die Betroffenen sich nicht trauen einen Arzt aufzusuchen, denn sie rechnen mit dem Schlimmsten.

„Die zweite, dass es eine Überreaktion ist, dass die Symptome nichts zu bedeuten haben und dass man lieber nicht die Zeit eines Arztes verschwenden sollte.

Je länger die Person auf Hilfe verzichtet, desto größter kann die Angst werden.

„Ihre Logik kann sein: Ich habe vorher auch nichts dagegen getan, es ist jetzt wahrscheinlich eh zu spät, etwas zu tun, und so weiter.“

Eine Studie der St. John’s University in New York mit über 700 Teilnehmern ergab, dass „Cyberchonder“ sogar noch ängstlicher sind, nachdem sie ihre Symptome im Internet nachgeschlagen haben.

Es mag absurd klingen, dass manche Leute der Meinung von Google mehr vertrauen als der eines ausgebildeten Arztes, aber laut Dr. Atkinson kann das eine Reihe von Gründen haben.

„Es kann dem Patienten unangenehm sein, Zeit eines Arztes wegen eines Problems in Anspruchs zu nehmen, dass eventuell gar kein Problem ist“, sagt er.

„Es ist viel einfacher, etwas zu googeln, als sich die Zeit zu nehmen und Mühe zu machen, mit den Rezeptionisten in einer Arztpraxis zu sprechen.

„Ärzte sehen sowas allerdings nicht als Zeitverschwendung an. Sie sehen eher einen Menschen, der vorsichtig ist und sich um seine Gesundheit sorgt.“

Manchen ist es vielleicht auch peinlich, über „persönliche“ Dinge wie eine sexuell übetragbare Infektion oder Inkontinenz zu sprechen.

„Es gibt außerdem auch Menschen, die einfach keine Arztpraxen mögen“, sagt Dr. Atkinson. „Das kann mit einem negativen Erlebnis in der Vergangenheit oder mit der Angst zusammenhängen, eine schlimme Diagnose zu erhalten.

„Bei anderen ist es so, dass ein Problem erst dann real wird, wenn man sich damit an einen Arzt wendet. Ein Symptom zu googeln ist keine abschließende Diagnose.

„Manche Menschen googeln also lieber erst einmal und suchen erst später einen Arzt auf. Dadurch können sie – zumindest im Kopf – das Kranksein noch etwas aufschieben.“

Das Nachschlagen von Symptomen im Internet wird „deine Angst nur noch größer machen, so dass du vor deinem Arzttermin möglicherweise noch nervöser bist als du es normalerweise sein würdest“, betont Dr. Atkinson.

„Es ist möglich, dass das Googeln von Symptomen dich zu der Überzeugung bringt, dass du dem Ergebnis nicht ins Auge blicken kannst, so dass du den Arztbesuch erst einmal ganz aufschiebst“, fügt er hinzu.

Dr. Atkinson rät Menschen, die dennoch zunächst ihre Symptome im Internet nachschlagen möchten, unbedingt auf seriöse Seiten wie zum Beispiel „NHS Choices“ zurückzugreifen.

„Wenn du nach dem Googeln deiner Symptome auf einer Seite landest, sieh dir den Rest der Seite an“, sagt er.

„Wenn sie nicht professionell aussieht, viele Rechtschreibfehler enthält oder vollgepackt mit Werbung ist, ist das wahrscheinlich ein Zeichen dafür, dass sie nicht ausreichend gepflegt wird und daher nicht zuverlässig genug ist.“

Bei einer Umfrage mit 500 Menschen 2008, die von Microsoft Research durchgeführt wurde, kam heraus, dass 80% der Teilnehmer schon einmal im Internet nach Informationen zum Thema Gesundheit gesucht hatten, aber nur drei viertel davon geprüft hatten, ob die Seite glaubwürdig und aktuell war.

Alexandra Thompson