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Warum heißen Gänsefüßchen eigentlich "Gänsefüßchen"?

Quotes, Tüddelchen – oder das wortlose Wackeln mit Zeige- und Mittelfinger: Kaum ein Satzzeichen hat so viele Synonyme wie das Anführungszeichen. (Bild: Getty Images)
Quotes, Tüddelchen – oder das wortlose Wackeln mit Zeige- und Mittelfinger: Kaum ein Satzzeichen hat so viele Synonyme wie das Anführungszeichen. (Bild: Getty Images)

Sie sind überall und jeder hat sie schon mal verwendet: Wir verraten, woher der Begriff “Gänsefüßchen” kommt, warum er nicht wertfrei verwendet wird und was ein berühmter Dichter damit zu tun hat.

Sie sind überall, jeder verwendet sie – mehr oder weniger korrekt: Der Wissenschaftler zitiert aus Forschungsstudien, der Journalist gibt die Rede des Politikers wieder, der Schriftsteller bezieht sich auf den Philosophen, sogar in Restaurantkarten werden “frischer” Fisch und Spaghetti “Bolognese” beworben. Die Rede ist von den Anführungszeichen, die Zitate, Eigennamen und anderweitig “so Genanntes” eingrenzen, oft aber auch zur Kennzeichnung von Ironie und Wortspielen verwendet werden.

Hasenöhrchen, Quotes, Tüddelchen – oder einfach das wortlose Wackeln mit Zeige- und Mittelfinger: Kaum ein Satzzeichen hat so viele Synonyme wie das Anführungszeichen. Das gebräuchlichste steht seit 1934 sogar im Duden: das Gänsefüßchen. Wer in der Tierwelt nicht so firm ist, muss vielleicht kurz nachschlagen, wie so ein Gänsefuß genau aussieht – und erkennt ihn dann mit etwas Fantasie sowohl in den heute verwendeten doppelten Anführungszeichen oben und unten („ und “), den Anführungszeichen aus dem Schreibmaschinensatz (zweimal “) als auch in den klassischen französischen Guillemets, den Doppelklammern » und «.

Ein nasses Gänsefüßchen. (Bild: Getty Images)
Ein nasses Gänsefüßchen. (Bild: Getty Images)

Ganz sachlich trugen diese traditionellen Klammern zunächst den lateinischen Namen “signum citationis”, im 18. Jahrhundert machten Drucker und Setzer in Anlehnung an die deutsche Übersetzung das “Anführungszeichen” daraus. Wer es bildlicher mochte, nannte sie “Hasenohren”, zärtlich “Hasenöhrchen” oder zoologisch eher wenig nachvollziehbar “Gänseaugen”. Keiner dieser Begriffe setzte sich wirklich durch.

Der deutsche Dichter Jean Paul setzte aufs Gänsefüßchen

Und dann kam das “Gänsefüßchen”, das der deutsche Dichter und Schriftsteller Jean Paul (1763-1825) im 19. Jahrhundert etablierte. Jean Paul, der auch für so wunderbare Wortneuschöpfungen wie “Angsthase”, “Schmutzfink” oder “Weltschmerz” verantwortlich gemacht wird, verwendete den Begriff der Gänsefüßchen regelmäßig in seinen Werken – fast immer verbunden mit Kritik an denen, die sich einfach nur an fremdem Wissen bedienten, statt eigene Gedanken zu formulieren. “Die Gelehrten, welche in jedem Werke nichts lieber haben und nützen als (…) die sogenannten Hasenöhrchen oder Gänseaugen und Gänsefüße” beschrieb er zum Beispiel in seiner “Vorschule der Ästhetik” von 1804. In “Doppelwörter” (1820) merkte er bissig an, dass etwa der römische Dichter Horaz ganz ohne die Verwendung von Zitaten auskam – heutzutage nicht mehr denkbar: “(…) so folgen wir (…) auf den Gänsefüßen dem Autor leichter und vernehmen ihn mit den Hasenöhrchen leiser.”

Gänsefüßchen im Sinne des deutschen Dichters Jean Paul. (Bild: Getty Images)
Gänsefüßchen im Sinne des deutschen Dichters Jean Paul. (Bild: Getty Images)

Ob es Jean Paul war oder aber die von ihm kritisierten Wissenschaftler, die mit Zitaten nur so um sich warfen: Im Sprachgebrauch haben sich die Gänsefüßchen so etabliert, dass der umgangssprachliche Begriff längst auch im Duden zu finden ist.

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Wirklich weit kam Jean Paul mit seiner Kritik am Zitier-Wildwuchs allerdings nicht, sowohl in Universitäten, Zeitungen wie auch der Literatur wird weiterhin zitiert, was das Zeug hält. Vielleicht wäre der Dichter heute aber auch schon zufrieden, wenn die falsch verwendeten Gänsefüßchen aus Menükarten, Lebensmittelverkauf und Werbung verschwänden: Denn “frischen” Fisch aus “biologischem” Anbau will doch wirklich niemand “gratis” haben, oder?