Warum wir alle unnormal normal sind

(Bild: Getty Images)
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Ich stehe in der Küche und sehe dem kalten Wasser zu, wie es über das hartgekochte Ei fließt. Da fällt mir auf: Ein Ei abschrecken, lustige Formulierung, vielleicht ist ein simples „BUH“ für das Ei ja schon abschreckend genug. Kaum gedacht, schon hab ich’s gesagt: „BUH!“

Hab’ ich das gerade wirklich gemacht? Ich meine, wortwörtlich gesehen war’s gar nicht so falsch, aber ein normaler Erwachsener sollte sowas nicht machen. Ein normaler Erwachsener… was ist das eigentlich oder besser, wer ist eigentlich ein „normaler“ „Erwachsener“. Fangen wir mal ganz von vorne an, was bedeutet eigentlich „normal“? Fragt man den Duden, bekommt man als Antwort zwei Definitionen mit mehr oder weniger negativem Beigeschmack:

Definition Nr. 1: „der Norm entsprechend; vorschriftsmäßig“
Definition Nr. 2: „so [beschaffen, geartet], wie es sich die allgemeine Meinung als das Übliche, Richtige vorstellt”

Ich mag grundsätzlich keine negativen Beigeschmäcker, also entscheide ich mich für die erste, neutralere Definition. Das mag subjektiv und somit wissenschaftlich unkorrektes Arbeiten sein. Aber in meinem Universum schreckt jemand, der wissenschaftlich korrekt arbeitet, seine gekochten Eier auch nicht mit einem „BUH!“ ab!

Was ist eigentlich “normal”?

Weiter im Text: „Normal“ heißt also der Norm und somit dem Durchschnitt entsprechend. Dann nehmen wir mal den Durchschnittsdeutschen bzw. in meinem Fall die deutsche Durchschnittsfrau: Laut statistischem Bundesamt haben deutsche Frauen im Schnitt Konfektionsgröße 44, sind 1,65m groß und haben Körbchengröße 80C. Das trifft auf mich alles schon mal nicht zu. 13 Paar Schuhe hat die Durchschnittsfrau angeblich im Schuhschrank. Der war gut… Diese Zahl ist so niedrig, dass sie schon ans Absurde grenzt, für mich zumindest. In irgendwas muss ich doch auch „normal“ oder „durchschnittlich“ sein. Geheiratet wird mit 30,5 Jahren, so alt bin ich noch nicht, 1,5 Kinder habe ich auch nicht. Ich werde dann aber doch noch fündig auf der Suche nach meinem Mittelmaß: Im Durchschnitt verbringt die deutsche Frau 28 Minuten täglich im Bad. Das kommt hin, wenigstens eine „normale“ Sache!

(Bild: Getty Images)
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Unnormal aber erwachsen?

Aber wenn ich schon nicht normal bin, dann könnte ich doch wenigstens erwachsen sein – ja, ich weiß, dieser Text an sich schließt das eigentlich schon aus, aber hey, auch nach dem letzten Strohhalm will gegriffen werden. Also das Spielchen nochmal von vorn: Die Duden-Definition für Erwachsener lautet: Ein Erwachsener ist eine erwachsene Person – kein Scherz. Na gut, dann schauen wir eben nach, was erwachsen bedeutet:

Definition Nr. 1 „erwachsen“ …

Dieser Moment, wenn dich der Duden verarscht…

Zum Glück gibt’s noch eine zweite Definition mit der ich etwas anfangen kann:

Definition Nr. 2 „dem Jugendalter entwachsen; volljährig“

Volljährig bin ich und somit erwachsen, zumindest laut der leidigen Dudendefinition. Zusammengefasst bin ich also eine unnormale Volljährige… das würde ich sogar unterschreiben. Warum? Weil ich gar keine normale Erwachsene sein kann, weil vermutlich niemand von uns ein „der Norm entsprechender Erwachsener” ist. Wir sind alle irgendwie unnormale Volljährige, die versuchen, ihr Leben zu leben, dabei die wenigstmöglichen Fehler zu machen und gleichzeitig den größtmöglichen Spaß zu haben. Sei das, indem wir mit Fallschirmen aus Flugzeugen springen, nicht mal ansatzweise in die – wie wir gelernt haben – ganz und gar nicht „normale“ Konfektionsgröße 34/36 passen oder uns die Haare in allen Farben des Regenbogens färben.

Und was bedeutet das Ganze jetzt für meine besonders ineffektive Abschreck-Methode? Ganz einfach: Dass es mir vollkommen gleichgültig sein kann, ob das „normal“ oder ”erwachsen” ist. Solange ich dabei Spaß habe und gleichzeitig meinen Mitmenschen keinen Schaden zufüge, kann ich gekochte Eier auch als Gespenst verkleidet abschrecken. Nur anfassen, das sollte ich sie natürlich erst, nachdem ich sie unter kaltem Wasser abgekühlt habe. Wie man das normalerweise eben so macht.